Die Idee von der Streikwoche |
Alexander Müller |
08.09.2023 10:00 Uhr |
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening erwartet Antworten von Gesundheitsminister Karl Lauterbach. / Foto: PZ/Alois Mueller
Die ABDA hat Lauterbach sechs Fragen geschickt, die er spätestens bei seinem DAT-Auftritt beantworten soll. Es geht um die geforderte Honoraranpassung samt Dynamisierung, aber auch um das Medikationsmanagement mit Ärzten, die sinkende Apothekenzahl, die geplante Patientendatenauswertung durch Krankenkassen und die Lieferengpässe.
Bislang ist vorgesehen, dass die Apotheken während der Rede des Ministers am 27. September geschlossen bleiben. Die Teams sollen die Gelegenheit haben, den Auftritt gemeinsam zu verfolgen, die PZ überträgt live aus Düsseldorf.
Aber reicht das als Protest? Bei der Jahreshauptversammlung des HAV forderten mehrere Mitglieder Streiks und Demonstrationen wie am 14. Juni. Overwiening kennt diesen Wunsch, weiß aber auch von Kolleginnen und Kollegen, die Schulden haben und nicht ohne Weiteres auf mehrere Tage Umsatz verzichten können. Man sei schließlich keine Gewerkschaft, bei der die Mitglieder während eines Streiks weiter ihren Lohn beziehen würden.
Doch gerade deshalb könnte ein so deutliches Zeichen an die Politik Wirkung zeigen: »Wenn alle Apotheken in Deutschland tatsächlich bereit wären, eine Woche zu schließen oder mehrfach an einem bestimmten Wochentag, dann hätten wir die Macht«, so Overwiening. Bei den Delegierten des HAV holte sich die ABDA-Präsidentin das eindeutige Votum ab, dass Hessens Apotheken zu weiteren Schließungen bereit wären. Der nächste Anlass wäre, wenn Minister Lauterbach beim DAT keine Antworten liefert.
Mit dem »Lieferengpassgesetz« (ALBVVG) haben die Apotheken zwar kleine Ziele erreicht, die Kernforderung nach einer Honorarerhöhung des Fixums auf 12 Euro blieb von der Politik aber gänzlich unbeachtet. »Wir brauchen 2,5 Milliarden Euro mehr jedes Jahr«, so Overwiening. Das sei mehr als die Hälfte von dem, was die Apotheken heute bekommen, aber derzeit gehe Versorgung auch nur »selbstausbeuterisch«.
Minister Lauterbach wäre Overwiening zufolge sogar bereit, den Apotheken mehr Geld zu geben – aber nur für mehr Leistung. Ein Beispiel ist die geplante Einbindung der Apotheken beim Ident-Verfahren für den Zugang zu Anwendungen der Telematik-Infrastruktur. »Die Grundhonorierung ist trotzdem nicht auskömmlich«, so Overwiening. Und wenn das trotz der eindeutigen gesetzlichen Regelung nicht mehr der Fall sei, sei das verfassungswidrig.
Unterfinanziert ist aus Sicht der ABDA auch die Pauschale von 50 Cent Honorar für das Lieferengpassmanagement – »eine Unverfrorenheit«, wie Overwiening bemerkte. Hier will die ABDA weiter verhandeln und gegebenenfalls eine Abstufung durchsetzen, je nach Komplexität des Falls.
Auch bei den mit dem ALBVVG verlängerten Austauschregeln sind noch Wünsche offen: andere Darreichungsform ohne Rücksprache, Aut-simile-Austausch per Anruf oder das Ausweichen auf eine Rezeptur bei Bedarf.
Overwiening veranschaulichte den Delegierten die politische Arbeit in Berlin mit einem pharmazeutischen Beispiel. Ihr sei bewusst, dass sich viele eine Kommunikationsstrategie wünschen würden, die wie ein Wenn-Dann-Entscheidungsbaum im Studium funktioniert. »Aber Politik ist eben nicht so kalkulierbar wie das Fällen eine Arzneistoffs im Sauren.« Mit ausdauernder Überzeugungsarbeit bei den Parlamentariern ließen sich aber Unterstützer für die eigenen Themen finden. Und einen Termin bei Lauterbach gibt es jetzt auch. Overwiening trifft den Minister am 13. Oktober – wenn er nach dem Apothekertag noch will.