Die Hoheit der Terminvergabe |
Cornelia Dölger |
30.01.2025 16:10 Uhr |
Um digitale Terminplattformen wie Doctolib drehen sich die Vorwürfe der Ärzte gegenüber dem BMG und den Kassen. / © IMAGO/CHROMORANGE
Nach der »Lex Lilly«, also der umstrittenen Einführung von vertraulichen Erstattungspreisen bei Arzneimitteln womöglich aufgrund von geheimen Gegengeschäften des Herstellers Eli Lilly mit der Bundesregierung, steht das BMG erneut wegen Lobbyismusverdachts in der Kritik. Diesmal geht es um die Online-Terminvergabe in Arztpraxen, genauer: um die Regulierung von digitalen Terminplanungstools.
Auf diese sollen die Kassen Einfluss genommen haben. Zumindest tauchte eine entsprechende Formulierung nach Treffen zwischen Kassen- und Ministeriumsvertretern im Entwurf zum Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG) auf, das vorigen Sommer in der Planung war. Zuerst berichtete jetzt das Magazin »Business Insider« über die Vorwürfe.
Demnach sollte es dem GKV-SV mit dem neuen Paragrafen §370c GDAG ermöglicht werden, Vergaberegeln für Online-Termine einzuführen. Konkret sollte es um eine »diskriminierungsfreie Terminvergabe« gehen. Eine »an finanziellen Beiträgen von Versicherten oder Leistungserbringern oder Dritten ausgerichtete oder eine vergütungsorientierte Terminvergabe« sei auszuschließen, heißt es in dem Entwurf.
Vor den mehrmaligen Treffen, die laut dem Magazin zwischen dem 5. April und dem 5. Juni 2024 stattfanden, war in dem Gesetz demnach keine Rede von solchen Vereinbarungen gewesen.
Der Passus hätte finanzielle Folgen für die Praxen haben können, denn durch die – mit dem Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) zumindest für Hausärzte nun fallende – Budgetierung wird das Geld gedeckelt, das Ärzte pro Quartal mit Kassenpatienten verdienen können. Ob am Ende des Quartals eher Kassen- oder eher Privatpatienten Termine bekommen, ist betriebswirtschaftlich für die Praxen also durchaus relevant.
Schon im vergangenen Sommer, als die Änderung bekannt wurde, gab es entsprechenden Gegenwind aus der Ärzteschaft. So kritisierte der Berufsverband der deutschen Urologen den Passus als »Eingriff in die ärztliche Freiberuflichkeit«.
Heute zog der Virchowbund nach. Dass nach dem Willen der Kassenvertreter die bestehenden Terminplattformen eingeschränkt werden sollten und den Krankenkassen direkter Einfluss auf die digitale Terminvergabe gegeben werden sollte, sei »Hinterzimmer-Lobbyismus«. Ärztevertreter seien bei Gesprächen außen vor geblieben.
»Das Ziel der Krankenkassen ist klar: Sie wollen die Hoheit über die Terminvergabe in den Arztpraxen erlangen und damit direkt in unsere Praxen hineinregieren«, kritisierte der Virchowbund-Vorsitzende Dirk Heinrich.
Ein solcher Eingriff in die Terminvergabe sei ein Eingriff in die privatrechtliche Praxisorganisation und damit ein Angriff auf das Eigentum der Praxisärzte. Heinrich sieht darin einen Verfassungsbruch und kündigte an: »Wir werden uns gegen derartige Angriffe auf unser Eigentum nötigenfalls auch vor dem Bundesverfassungsgericht verteidigen.«
Das GDAG kam am Ende nicht zustande, weil die Ampel zerbrach, bevor das Gesetzesverfahren abgeschlossen werden konnte. Dass die Kassen ihren Punkt aber offenbar platzieren konnten, ist für Heinrich »der eigentliche Skandal«.
Ob die Kontakte und der hinzugefügte Paragraf 370c am Ende zusammenhängen, bleibt unklar. Das BMG weist den Lobbyismusvorwurf auf Nachfrage der PZ »mit Nachdruck« zurück. Vielmehr sei der Austausch mit den Betroffenen einer geplanten Gesetzesänderung »nicht nur üblich, sondern auch notwendig«, so ein Sprecher.
Im Rahmen der Kontakte seien unter anderem seien die »Überlegungen und Positionen« des GKV-SV zur Terminvermittlung und zum Einsatz digitaler Terminvermittlungsplattformen vorgestellt worden. Der Gesetzentwurf sollte das Vertrauen der Versicherten »in die Datenschutzkonformität und die Qualität des Einsatzes von digitalen Terminvermittlungsplattformen in der Versorgung stärken«.
Grundsätzlich solle die Terminvergabe diskriminierungsfrei sein, so der Sprecher. Sie solle sich an den Versorgungsbedarfen der Versicherten orientieren. Weitergehende Vorgaben etwa zu »Mindestquoten digital zu vermittelnder oder zu meldender Termine« enthalte der Entwurf nicht.