Die Herz-Hirn-Achse der Ohnmacht |
Annette Rößler |
03.11.2023 15:00 Uhr |
Gut jeder Dritte erlebt im Lauf seines Lebens mindestens einen Ohnmachtsanfall. Das Bewusstsein kehrt dabei nach kurzer Zeit wieder zurück. / Foto: Adobe Stock/pixelaway
Die Ohnmacht, medizinisch als Synkope bezeichnet, ist eine plötzlich einsetzende und nach kurzer Zeit vorübergehende Bewusstlosigkeit, die durch verschiedene Trigger ausgelöst werden kann. Als Auslöser kommen etwa ein Absinken des Blutdrucks (orthostatische Hypotonie), Herzrhythmusstörungen oder auch eine Überstimulation des Nervus vagus infrage. Letzteres wird auch als vasovagale Synkope bezeichnet und kann körperliche oder auch emotionale Ursachen haben, etwa den Anblick von Blut, starke Erschöpfung oder auch Stress.
Ein bekannter Reflex, der zum Schutz des Herzens dient und mit einer Ohnmacht einhergeht, ist der Bezold-Jarisch-Reflex (BJR). Hierbei kommt es als Reaktion auf die Aktivierung von speziellen Rezeptoren im Herzen zu einer Verlangsamung des Herzschlags, einem Blutdruckabfall und einer Atemdepression. Wie genau der BJR ausgelöst wird, sei bislang unklar gewesen, schreibt ein Team um Jonathan W. Lovelace und Jingrui Ma von der University of California in San Diego, USA, im Fachjournal »Nature«. Es sei aber vermutet worden, dass zum Vagusnerv gehörende sensorische Neurone (Vagal Sensory Neurons, VSN) den BJR vermitteln.
In äußerst detaillierten Untersuchungen auf Zellebene konnten die Forschenden nun zeigen, dass bestimmte VSN die Herz-Hirn-Achse darstellen, über die der BJR zustande kommt. Genauer gesagt sind das Neuropeptid-Y-Rezeptor-Y2-(NPY2R-)exprimierende VSN. Eine gezielte Stimulierung dieser Neurone löste bei Mäusen den BJR aus und führte dazu, dass die Tiere ohnmächtig wurden.
Ein Verständnis davon zu entwickeln, wie Synkopen genau zustande kommen, habe bislang daran gekrankt, dass Forschende sich entweder auf das Herz oder das Gehirn fokussiert und jeweils nur eines dieser beiden Organe separat betrachtet hätten, heißt es in einem begleitenden Nachrichtentext von »Nature«. Die Autoren der vorliegenden Studie hätten nun erstmals beides zusammengefügt. Es sei nicht falsch, dass bei einer Synkope eine Minderdurchblutung des Gehirns vorliege, »gleichzeitig wird dies aber von spezialisierten Nervenbahnen reguliert«, verdeutlicht Seniorautor Vineet Augustine.
Direkte Konsequenzen für die klinische Praxis lassen sich aus dieser Arbeit nicht ableiten. Die Forschenden sehen sie vielmehr als Grundlage für die weitere Erforschung der Neurobiologie der Herz-Hirn-Achse, aus der sich dann möglicherweise irgendwann einmal neue Ansätze zur Therapie von kardiovaskulären Erkrankungen ableiten lassen könnten.