| Melanie Höhn |
| 19.11.2025 16:20 Uhr |
Selbstständige Apothekerinnen bekommen kein Mutterschaftsgeld. / © Imago Images/Westend61
Es ist ein trauriger Fall aus Hamburg, der Georg Zwenke, Geschäftsführer des Apothekerverbands Schleswig-Holstein, besonders in Erinnerung geblieben ist: Eine Apothekerin mit Anfang 30 übernahm die Apotheke ihres Großvaters, führte diese zwei Jahre und wollte dann eine Familie gründen. Viele Versuche, eine Vollzeit-Vertretung zu finden, scheiterten. Letztlich musste die traditionsreiche Familienapotheke für immer schließen.
Zwenke moniert, dass selbstständige Apothekerinnen beim Start ins Familienleben nicht ausreichend unterstützt werden. Sie bekommen kein Mutterschaftsgeld und wenn sie keine Vertretung in der Apotheke finden, können sie auch nicht in Elternzeit gehen und Elterngeld beantragen. »Selbstständigkeit und Familiengründung ist aus meiner Sicht ein sehr wichtiges Thema, das die Politik und die gesellschaftliche Diskussion viel zu lange verschlafen hat«, sagte er gegenüber der PZ. »Es ist Zeit, jetzt endlich die berühmten dicken Bretter zu bohren.«
Dies betreffe nicht nur junge Pharmazeutinnen und deren Partner, aber bei einem Anteil der weiblichen Hochschulabsolventen von rund 80 Prozent sei die Vereinbarkeit von Apothekenleitung und Mutterschaft ein »sehr drängendes Problem« – in allen freien Berufen. Aufgrund der weiblichen Absolventenzahlen machte Zwenke deutlich, dass es dringend Frauen für Apothekenübernahmen brauche und hierbei die Politik die richtigen Rahmenbedingungen stellen müsse. »Wir sind darauf angewiesen, dass die jungen Frauen in die Selbstständigkeit gehen.«
Seine Forderung: Selbstständige Apothekerinnen müssen beim Mutterschutz und beim Elterngeld mit Angestellten gleichgestellt werden, wie er auch kürzlich gegenüber der dpa äußerte. Private Versicherungen zur Kostenübernahme für die Zeit der Familiengründung würden wegen hoher Versicherungsprämien für viele nicht in Frage kommen. Selbst wenn die finanzielle Lage einer Apotheke schwierig sei, würden Betroffene keine finanzielle Unterstützung bei der Familiengründung erhalten.
Zudem müsse man sich eine Vertretung für die Abwesenheitszeit leisten können: Zwenke fordert dahingehend eine finanzielle Unterstützung. Vertretungsapothekerinnen und -apotheker seien schwer zu bekommen, zudem könnten es sich viele Apotheken aufgrund der wirtschaftlichen Lage schlicht nicht mehr leisten, hohe Honorare zu zahlen.
Die Politik scheint das Problem erkannt zu haben, denn im aktuellen Koalitionsvertrag von SPD, CDU und CSU sind einige vielversprechende Anmerkungen zum Thema zu finden. »Wir wollen einen Mutterschutz für Selbststständige analog zu den Mutterschutzfristen für Beschäftigte einführen«, heißt es darin. Dafür würden »zeitnah umlagefinanzierte und andere geeignet Finanzierungsmodelle« geprüft. Darüber hinaus wolle die Ampelkoalition gemeinsam mit der Versicherungswirtschaft Konzepte für die Absicherung der betroffenen Betriebe schaffen und eine Aufklärungskampagne zum Mutterschutz umsetzen. Zudem will die Koalition bei Selbstständigen die Berechnungsgrundlage für das Elterngeld flexibilisieren.
Georg Zwenke blickt hoffnungsvoll auf die Initiativen der Politik, bleibt jedoch skeptisch: »Ich weiß nicht, wie man das in der Apothekenwelt realisieren will. Möchte man dann eine Vertretungskraft im Mutterschutz zahlen?«, so der Apotheker. Es könne keine Pauschale sein, denn eine Vertretungskraft in Hamburg sei teurer als in ländlicheren Gebieten. »Allein mit dem Mutterschaftsgeld ist es nicht getan, denn es ist die Zeit in der Apotheke, die überbrückt werden muss wegen der Präsenzpflicht«, so Zwenke. Und es hänge von der Größe der Apotheke ab: »Bei einer großen Apotheke mit vielen Approbierten ist es möglich, dass die Inhaberin Mutterschutz nimmt. Aber der Punkt ist, es gibt eben sehr viel kleinere Apotheken.« Es bedürfe einer guten Planung und Vernetzung beim Eintritt in die Selbstständigkeit, wenn die Familiengründung noch anstehe.
Auch der Verband der Unternehmerinnen in Deutschland (VdU) kritisiert in einem Positionspapier die »erschwerte Vereinbarkeit von Familie und Unternehmertum«. Viele Gründerinnen würden erst mit Anfang 30 gründen, weshalb die Unternehmensgründung häufig mit der Familiengründung zusammenfalle. Gemeinsam mit dem Bundesverband der Freien Berufe (BFB) und dem Startup-Verband hat der VdU deshalb ein Bündnis geschlossen, um für bessere Rahmenbedingungen für selbstständige Frauen einzustehen.
Es bedarf einer »stärkeren Berücksichtigung von selbstständigen Gründerinnen beim Mutterschutz und in der Ausgestaltung und Berechnung des Elterngelds, um Anreize für eine höhere Gründungsbereitschaft unter Frauen zu schaffen«, heißt es in dem Papier.
Selbstständig erwerbstätige Frauen haben grundsätzlich keinen Anspruch auf die gesetzlichen Mutterschutzfristen oder die Zahlung von Mutterschutzgeld. Die Regelungen des Mutterschutzgesetz (MuSchG) finden auf sie keine Anwendung. Im Gegensatz dazu erhalten Angestellte sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt Mutterschaftsgeld in Höhe von 100 Prozent des Nettoeinkommens.
Der Anspruch auf Mutterschutz hänge laut VdU für Selbstständige von ihrer Krankenversicherung ab: Als freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung erhält eine schwangere Unternehmerin oder Selbstständige nur dann Mutterschaftsgeld, wenn sie einen Anspruch auf Krankengeld hat, das heißt, wenn eine entsprechende Krankentagegeldversicherung abgeschlossen wurde, die zusätzliche Kosten verursacht. Denn um das Krankentagegeld und somit auch Mutterschaftsgeld zu erhalten, müsse ein Zusatzbetrag von 0,6 Prozentpunkten gezahlt werden. Viele selbstständige Frauen würden sich daher bei Vertragsabschluss zunächst gegen diese Zusatzversicherung entscheiden.
Auch privat versicherte selbstständige Frauen erhalten normalerweise kein Mutterschaftsgeld und müssen anfallende Ausgaben während der Schwangerschaft und nach der Geburt aus eigener Kraft bewältigen, so der VdU. Auch hier müsse für die Auszahlung von Krankentagegeld ein Zusatzvertrag vorliegen. In diesem Fall werde das Krankentagegeld im Gegensatz zu gesetzlich Versicherten nicht auf das Elterngeld angerechnet.
Der VdU kritisiert: »Selbstständige Frauen, die keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld haben und nicht über die notwendige Zusatzversicherung für Krankentagegeld verfügen, sind im Fall einer Schwangerschaft also einem ernstzunehmenden finanziellen Risiko ausgesetzt.« Solo-Selbstständige und Unternehmen, die nur aus einer oder wenigen Personen bestehen, seien besonders stark betroffen. Zudem heißt es: »Die weiterhin anfallende Arbeit kann nicht immer von anderen Mitarbeitenden miterledigt werden und häufig müssen für einen Ersatz entsprechende zusätzliche finanzielle Mittel aufgebracht werden. Zudem laufen häufig betriebsbedingte Kosten weiter, die auch ohne Einnahmen anfallen.«
Beim Thema Elterngeld fordert der VdU, die Arbeitsrealität von Selbstständigen in den Antrags- und Auszahlungsmodalitäten des Elterngelds besser zu berücksichtigen und eine Wahlmöglichkeit bei der Bestimmung des Bemessungszeitraums im Rahmen des Elterngeldantrags zu berücksichtigen.
Für Georg Zwenke jedenfalls ist es nicht nachvollziehbar, wieso mittelständische Unternehmen beim Thema Familienplanung nicht unterstützt werden. »Wir sind auf die Selbstständigen angewiesen. Wir können nicht alle Arbeitnehmer werden«, sagte er. Diese Betriebe seien die Basis der Wirtschaftsordnung in Deutschland. »Für diese Basis tun wir in diesem Bereich zu wenig und das geht nicht.«