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Düstere Aussichten

Die Darmkrebs-Welle kommt

Der März ist Darmkrebsmonat – seit ihn die Felix-Burda-Stiftung 2002 dazu ausrief. Mit kreativen Kampagnen setzt sich die Stiftung seitdem für die Früherkennung von Darmkrebs ein. Aktuelle Zahlen zeigen, dass das heute wichtiger ist denn je.
Annette Rößler
03.03.2023  09:00 Uhr

Im Februar 2001 verloren Christa Maar und Hubert Burda ihren Sohn Felix an den Darmkrebs. Felix Burda war zu diesem Zeitpunkt 33 Jahre alt. Er würde womöglich heute noch leben, wenn der Darmkrebs bei ihm früher erkannt worden wäre.

Die nach Felix Burda benannte Stiftung, deren prominenteste Vertreterin Christa Maar bis zu ihrem Tod im November 2022 war, setzt sich daher für die Früherkennung von Darmkrebs ein. So hat sie etwa den »Darmkrebsmonat März« ins Leben gerufen, anlässlich dessen sie mit jährlich neuen Kampagnen zur Darmkrebsvorsorge aufruft. In diesem Jahr lautet das Motto »Der Deal Deines Lebens«.

Zum Start des Darmkrebsmonats veranstaltete das Netzwerk gegen Darmkrebs am 1. März ein Fachsymposium, bei dem es um verschiedene Aspekte der Früherkennung ging. Diese kann in Deutschland mit zwei Methoden auf Kosten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erfolgen: mittels immunologischem Stuhltest (iFOBT oder auch FIT) und mittels Darmspiegelung (Koloskopie).

Versicherte haben zwischen dem 50. und 54. Lebensjahr einmal pro Jahr Anspruch auf einen FIT, den sie von ihrem Hausarzt, Gynäkologen, Urologen oder von einem Internisten erhalten können. Ab dem 50. Lebensjahr (Männer) beziehungsweise ab dem 55. Lebensjahr (Frauen) wird zusätzlich eine Koloskopie empfohlen, die bei unauffälligem Befund nach zehn Jahren wiederholt werden kann. Alternativ können ab dem 55. Lebensjahr weiter alle zwei Jahre Stuhltests gemacht werden.

Verdreifachung der Inanspruchnahme nötig

Allerdings ist die Inanspruchnahme der Darmkrebs-Früherkennung in Deutschland aus präventionsmedizinischer Sicht ein trauriges Kapitel. So zeigte eine Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), die im Oktober 2022 veröffentlicht wurde, dass 2021 nur etwa die Hälfte der Anspruchsberechtigten im Alter von 65 Jahren in den zehn Jahren zuvor von der Darmkrebs-Früherkennung erreicht wurden. Besonders unbeliebt ist die Darmspiegelung: Sie nahmen im selben Zeitraum laut einer 2022 im Fachjournal »The Lancet Regional Health Europe« erschienen Arbeit, die ebenfalls auf AOK-Versichertendaten basiert, nur jeweils 20 Prozent der berechtigten Männer und Frauen in Anspruch (DOI: 10.1016/j.lanepe.2022.100451).

Bei dem Symposium ging Professor Dr. Michael Hoffmeister vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, einer der Autoren der Lancet-Studie, auf die Ergebnisse ein. Die Darmkrebsinzidenz sei in Deutschland zwar seit einigen Jahren leicht rückläufig, was als Erfolg der Früherkennung zu werten sei. »Dennoch erkranken jedes Jahr 60.000 Menschen neu an Darmkrebs«, berichtete Hoffmeister. Bald sei zudem mit einer Trendumkehr zu rechnen: Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen werde in den kommenden Jahren massiv steigen, wenn die Teilnahmerate der präventiven Koloskopie weiter so niedrig bleibe.

Der Grund dafür sei die Alterung der Gesellschaft. Das Risiko für Darmkrebs steige mit dem Alter deutlich an. Der Alterseffekt sei so stark, dass die Fallzahlen laut den Berechnungen der Autoren vom DKFZ in die Höhe gehen werden, obwohl das Screening künftig durchaus auch mehr Erkrankungen verhindert. Bei gleicher Inanspruchnahme wie zurzeit seien für das Jahr 2040 etwa 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr zu erwarten und für das Jahr 2050 sogar mehr als 75.000. »Allein um das heutige Niveau zu halten, müsste die Teilnahmerate an der Vorsorge-Koloskopie mehr als verdreifacht werden«, sagte Hoffmeister.

Zunahme von Darmkrebs auch bei jüngeren Menschen

Womöglich wäre aber selbst das unzureichend, denn zunehmend erkranken in Deutschland auch Menschen vor Erreichen des 50. Lebensjahres an Darmkrebs – und für diese Altersgruppe ist das allgemeine Screening ohnehin nicht vorgesehen. Professor Dr. Thomas Seufferlein von der Universitätsklinik Ulm stellte eine Übersichtsarbeit vor, die im vergangenen Jahr im »New England Journal of Medicine« erschienen war (DOI: 10.1056/NEJMra2200869). Sie zeige, dass die Inzidenz des sogenannten frühen Darmkrebses (Early-Onset Colorectal Cancer, EO-CRC) in der westlichen Welt zwischen 1988 und 2015 um 63 Prozent zugenommen habe.

»Mittlerweile ist jeder zehnte Darmkrebspatient bei Diagnose jünger als 50 Jahre«, sagte Seufferlein. Die Ursache sei eindeutig die »westliche« Lebensweise: der Verzehr von rotem und prozessiertem Fleisch, raffiniertem Getreide, viel Zucker (unter anderem in Softdrinks) sowie Rauchen und Bewegungsmangel. Diese Art der Ernährung führe zu Änderungen des Darmmikrobioms, die mit Darmkrebs assoziiert seien (»Gastroenterology« 2021, DOI: 10.1053/j.gastro.2021.08.003). Auch werde eine Modifikation des Darmmikrobioms durch Antibiotika als auslösender Faktor von EO-CRC diskutiert.

Bekanntermaßen kann eine Darmkrebserkrankung in jüngeren Jahren auch durch genetische Faktoren bedingt sein, allen voran duch das sogenannte Lynch-Syndrom. Allerdings liege laut Seufferlein nur bei jedem sechsten Patient mit EO-CRC eine pathogene Keimbahnmutation vor; die große Mehrheit der Patienten ist also genetisch nicht vorbelastet. Wichtig sei daher, das Bewusstsein für die Erkrankung zu schärfen, sodass etwa auch Hausärzte Patienten mit unklaren Durchfällen oder anderen unspezifischen Beschwerden im Zweifelsfall schneller zur Koloskopie raten würden.

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