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Satirische Infokampagne
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Die besten Wechselwirkungen aller Zeiten

Manche Probleme sind groß und werden trotzdem kaum wahrgenommen: Das gilt wohl auch für die millionenfachen Schäden, die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Medikamenten oder auch zwischen Arznei- und Lebensmitteln anrichten. Mit viel Ironie hat nun die Apothekerkammer Westfalen-Lippe mit »WeWi-TV« eine satirische Aufklärungskampagne zu diesem ernsten Thema gestartet.
AutorKontaktDaniela Hüttemann
Datum 03.11.2021  17:00 Uhr

»Garantiert gesundheitsgefährdend« – am Dienstag hatte das »Wechselwirkungs-TV« der Apothekerkammer Westfalen-Lippe stilecht in einem Münsteraner Kino Premiere vor mehr als hundert Gästen aus Medien und Apothekerschaft. Die Spots können aber ab sofort auch unter www.wewi.tv angesehen und über Social Media verbreitet werden. 

»Immer mehr Menschen in Deutschland schaffen es, die Wirkung der ihnen verschriebenen Arzneimittel erfolgreich zu verhindern«, beginnt der fiktive Nachrichtensprecher in einem Spot. Was lustig rüber kommt, hat einen ernsten Hintergrund: Tatsächlich geht schätzungsweise jede zehnte Krankenhauseinweisung auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen zurück, auch durch Interaktionen verursacht. Die Spots der AKWL greifen daher zunächst einmal vier relative häufige Interaktionen auf:

  • Johanniskraut und Antibabypille (»Die starke Kombi erhöht die Chance auf eine ungewollte Schwangerschaft ungemein«)
  • Grapefruit ( »Wer einen von insgesamt über 50 Wirkstoffen einnimmt und regelmäßig Grapefruits zu sich nimmt, kann schnell viel erreichen: Von Herzrhythmusstörungen über Nierenschädigung und Muskelauflösungen bis hin zu richtig schweren Herzproblemen ist alles möglich!«)
  • Antibiotika und Milch (»Die Milch macht’s möglich – wenn es darum geht, die Wirksamkeit unliebsamer Antibiotika schnell zu reduzieren oder sogar gänzlich aufzuheben«)
  • Gerinnungshemmer und ASS (»Wem das Leben mit künstlicher Herzklappe oder mit Bypässen zu langweilig ist, kann einfach ASS-haltige Schmerzstiller zum verordneten Marcumar einnehmen und schon steht das Leben wieder auf Messers Schneide: Man weiß nie, wann und wo die nächste innere Blutung auftritt!«)

Videos und Websites sind als Satire gekennzeichnet, um Missverständnisse zu vermeiden. Mit einem Klick rechts oben auf der Website kann der Nutzer »zur Realität wechseln« und erhält seriöse Informationen zu den einzelnen Interaktionen. »Die seriöse Erklärung ist dann nur einen Klick entfernt und macht unmissverständlich klar, dass Arzneimittel keine Bonbons und Wechselwirkungen alles andere als harmlos sind«, so AKWL-Vizepräsident Frank Dieckerhoff. Es bleibe dabei: »Patientinnen und Patienten sollten im Zweifel immer in der Apotheke vor Ort nachfragen, was sie bei der Einnahme ihrer Medikamente beachten müssen.«

Pharmazeutischen Dienstleistungen den Boden ebnen

Die Kammer habe diesen Weg gewählt, um mehr Aufmerksamkeit für das ernste, aber vernachlässigte Thema zu bekommen, so die AKWL auf Nachfrage der Pharmazeutischen Zeitung. Sie erhofft sich, auf diese Weise mehr Menschen zu erreichen und wachzurütteln als mit den klassischen, nüchternen Informationskampagnen. Mit der Kampagne wolle man zudem den Weg für die Einführung pharmazeutischer Dienstleistungen in der Apotheke vor Ort wie Wechselwirkungs-Checks bereiten. Dabei gehe es nicht nur um Interaktionen sondern die generelle Erklärungs- und Beratungsbedürftigkeit von Arzneimitteln. »Wir machen deutlich: Die Apotheke vor Ort ist die Anlaufstelle bei Fragen zur Polymedikation und für die Arzneimitteltherapiesicherheit einfach unverzichtbar«, so Dieckerhoff.

Neben den Spots, die auch über die Social-Media-Kanäle der AKWL und Youtube verbreitet werden, liegen in vielen Apotheken Westfalen-Lippes auch bereits passende Kampagnen-Postkarten mit provokanten »WeWi-Bauernregeln« aus wie »Sind zum Cholesterin-Senker noch die Grapefruits in dir drin, ist die Niere bald dahin«. Die wissenschaftliche Erklärung folgt dann auf der Rückseite.

Ob es noch weitere Folgen von »WeWi-TV« geben wird, hänge wie im echten Fernsehen vom Erfolg der ersten  Spots ab, so die Kammer gegenüber der PZ. Ideen hätte man noch zu genüge in der Schublade.

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