Diabetischem Fußsyndrom richtig vorbeugen |
Christina Hohmann-Jeddi |
08.04.2025 12:00 Uhr |
Menschen mit Diabetes sollten ihre Füße so gut es geht selbst beobachten. Zur Untersuchung der Fußsohlen kann ein Spiegel helfen. / © Adobe Stock/Celso Pupo
»Hinter dem diabetischen Fußsyndrom steckt eine hochkomplexe Pathophysiologie«, sagte Dr. Peter Klein-Weigel, Chefarzt der Klinik für Angiologie und Diabetologie am Helios Klinikum Berlin-Buch, auf der Fortbildung der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt vergangenes Wochenende in Wernigrode. Im Prinzip laufen bei dem Syndrom drei Störungen zusammen: die diabetische Polyneuropathie führt zu einer verminderten Sensorik in den Beinen, durch die diabetische Angiopathie ist die Durchblutung gestört und ein Immundefekt begünstigt Infektionen. Entsprechend werden kleine Wunden von Diabetikern häufig nicht bemerkt, entzünden sich und führen schließlich zu größeren Wunden und Nekrosen.
Zudem vernachlässigten viele Patienten ihre Füße, machte der Referent deutlich. Dahinter stecke keine Nachlässigkeit, sondern ein Phänomen, das als Leibesinselschwund bekannt ist. Durch die Polyneuropathie spüre der Patient seine Füße nicht mehr und verliere daher die Repräsentation der Füße im Gehirn. »Patienten vergessen ihre Füße«, sagte Klein-Weigel.
Wenn die Nerven beschädigt sind, die für die Steuerung der Fuß- und Zehenmuskulatur zuständig sind, können die Muskeln verkümmern und die Zehen in eine Krallenstellung übergehen. Diese Krallenzehen führen zu ungewöhnlichen Belastungen an verschiedenen Stellen des Fußes (Sohle und Oberseite der Zehen) und dort zu Druckstellen. Auch diese werden nicht wahrgenommen, weshalb sie sich zu Läsionen und schließlich zu Nekrosen entwickeln können. Aufgrund der Neuropathie und der fehlenden Innervation von Muskeln wird die Fußarchitektur instabil. Wenn noch eine Knochenstoffwechselstörung hinzukommt, kann es zu Knochenbrüchen und -zerstörung kommen – ein Charcot-Fuß entsteht.
Zudem trägt die Angiopathie in den Beinen zur Entstehung eines diabetischen Fußsyndroms bei. Dabei weist die diabetische Angiopathie einige Besonderheiten auf, machte der Referent deutlich. »Zum einen sind die Gefäße durchgehend schwer verkalkt«, sagte Klein-Weigel. Zum anderen seien andere Gefäße betroffen als zum Beispiel bei Rauchern. Insgesamt reduziere dies die Durchblutung des Fußes, was die Wundheilung vermindert. »Das Problem, das den Fuß dann zum Kippen bringt, sind Infektionen.«
Die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms setzt daher an verschiedenen Punkten an: Antibiotika gegen die Infektion, Säuberung der Wunde, Entfernung von abgestorbenem Gewebe sowie Entlastung des Fußes. Für Letzteres kann zunächst Bettruhe nötig sein, später helfen Spezialschuhe, Orthesen oder Gipsverbände weiter. Zudem kann die Durchblutung im betroffenen Bein beziehungsweise Fuß operativ verbessert werden, wobei Ballondilatationen, Stentimplantationen und Bypass-Operationen infrage kommen. Die Durchblutung müsse verbessert werde, weil sonst weder Antibiotika noch Immunzellen zum entzündeten Gewebe gelangen könnten und die Wunde nicht heile.
Es werde zu wenig getan, um Amputationen zu vermeiden und Füße zu retten, sagte der Mediziner. Etwa 35.000 Amputationen würden pro Jahr in Deutschland an Diabetikern vorgenommen – mit der höchsten Rate in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. »Der eigentliche Skandal ist, dass sich niemand darum kümmert.« Das Apothekenpersonal könne helfen, die Amputationsrate zu senken, indem sie Menschen mit Diabetes gezielt ansprechen, wenn diese über einen längeren Zeitraum Materialien zur Wundversorgung kauften. Betroffene mit diabetischem Fußsyndrom sollten an spezialisierte Zentren verwiesen werden, wo die Chance, den Fuß zu erhalten, größer ist.