Diabetes ist auch Hautsache |
Aufgrund von Durchblutungs- und Nervenschädigungen bedürfen vor allem die Extremitäten von Diabetikern intensiver Pflege. Die Apotheke kann einen unterstützenden Beitrag leisten, indem sie Risikopatienten frühzeitig identifiziert. / Foto: Adobe Stock/Pixel-Shot
Mindestens jeder zweite Diabetiker hat mit Hautproblemen als Folge seiner Erkrankung zu kämpfen. Laut Schätzungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zeigen zwischen 30 und 70 Prozent der Diabetiker dermatologische Symptome oder Erkrankungen. Die Experten gehen davon aus, dass mehr als 50 verschiedene Hautkrankheiten mit der Stoffwechselerkrankung assoziiert sind. Viele Diabetiker leiden an sehr trockener, atropher, häufig auch schuppiger Haut, die in einen starken Juckreiz münden kann. Durch Kratzen der juckenden Stellen können zusätzlich Hauteinrisse und Wunden entstehen, die wiederum eine hervorragende Eintrittspforte für Pathogene liefern.
Nach Informationen des Diabetesinformationsdienstes München sollen es bis zu 40 Prozent der Diabetiker sein, die über Juckreiz klagen. Reicht eine rückfettende und harnstoffreiche Pflege nicht aus, um den quälenden Juckreiz zu stillen, können Betroffene es kurzfristig mit Glucocorticoiden oder Antihistaminika probieren. Bringt auch das keine Besserung, sollte der Apotheker oder Arzt hellhörig werden. Ein extrem starker Juckreiz, der durch klassische Therapien nicht nachlässt, könne auch auf eine Nierenfunktionsstörung hinweisen, warnt die DDG.
Die genauen physiologischen Zusammenhänge, wie sich eine Diabeteserkrankung auf die Haut auswirkt, sind vielfältig und bis dato nicht vollständig geklärt: Erhöhte Blutzuckerspiegel lassen die Haut schneller altern, indem sich Zuckerstrukturen an die elastischen Kollagen-Fasern anlagern. Dadurch verklumpen diese, ihre dreidimensionale Struktur bricht zusammen. Die Haut verliert an Elastizität, Stabilität und Spannkraft, wirkt eingefallen und zeigt Fältchen.
Durch das verschobene Gleichgewicht an Stoffwechselprodukten im Blut von Diabetikern bilden sich Ablagerungen an den Gefäßwänden und verengen diese (Mikro- und Makroangiopathie). In Folge dessen wird die Haut weniger durchblutet und nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt. Gleichzeitig sind die Schweiß- und Talgdrüsen weniger aktiv und die Haut kann Feuchtigkeit nicht mehr so gut binden. So erscheint die Haut von Diabetikern, die ihren Blutzucker nicht konstant in den Griff bekommen, oft fahl und schlecht durchblutet.
Der Hautzustand gibt nicht nur Hinweise darauf, wie gut der Blutzuckerspiegel von Diabetikern eingestellt ist, sondern er kann auch erstes Anzeichen eines unerkannten Diabetes sein. Bei bis zu 70 Prozent der Betroffenen treten Pigmentveränderungen auf, bräunliche, narbenähnliche runde Flecken meist am vorderen Schienbein. Sie lassen sich aber auch an Unterarmen und Füßen finden. Die Flecken entstehen möglicherweise als Folge der fortschreitenden Mikroangiopathie. Wer solche Hautmale bemerkt, sollte beim Arzt seinen Nüchternblutzucker überprüfen lassen, empfiehlt die DDG. Sobald der Diabetes eingestellt ist, verschwinden die Flecken in der Regel wieder.
Ein gut eingestellter Blutzucker ist die Grundvoraussetzung in der Therapie Diabetes-assoziierter Hauterkrankungen. Zusätzlich braucht es ein regelrechtes Hautpflegekonzept, das stark geschädigter Haut hilft, sich wieder zu regenerieren und das Risiko für Infektionen und Ekzeme zu minimieren. Dafür ist die tägliche Pflege ein Muss. Auf deren Notwendigkeit sollten Apotheker und PTA im Beratungsgespräch hinweisen.
Für Diabetiker stehen bestimmte Pflegeserien (wie Eubos® diabetische Haut Pflege) zur Verfügung, die helfen, den natürlichen Hydrolipidmantel und dessen Schutzfunktion gegen äußere Einflüsse wiederherzustellen. Aber auch andere Pflegeprodukte speziell für trockene Haut oder Neurodermitiker (wie Eucerin® Atopi Control, Dermasence® Adtop) sind geeignet. Für die Basispflege haben sich lipidreichere Zubereitungen bewährt, wobei unterschiedliche Formulierungstypen wie W/O-, O/W-Emulsionen oder Schaumcremes erhältlich sind.
Um die Haut auch im Winter zu schützen, empfiehlt sich ein höherer Lipidanteil in der Pflege als im Sommer. Besonders geeignet sind dann W/O-Emulsionen, die beispielswiese Jojobaöl, Mandelöl, Sheabutter oder Phospholipide enthalten (wie La Roche-Posay Nutric Intense, Dermasence ® Polaneth Lotion). Als Zusatztipp empfehlen sich Duschöle oder medizinische Badeöle (wie Balneum Hermal®, Allergika® Lipo-Duschöl, Linola® Fett N Ölbad). Sie enthalten zusätzliche Lipidkomponenten, die die Haut rückfetten, wodurch der Feuchtigkeitsverlust der Hornschicht weiter gebremst wird. Juckende Haut beruhigt sich. Außerdem sollten Diabetiker nicht zu heiß oder zu lange duschen beziehungsweise baden (maximal 10 Minuten), um die Haut zu schonen. Nach der Reinigung gilt: Gut abtrocknen, jedoch nicht reiben! Ansonsten drohen Pilzinfektionen; Pilze fühlen sich in der feuchten Umgebung äußerst wohl.
Mindestens jeder zweite Diabetiker hat mit dermatologischen Symptomen als Folge seiner Stoffwechselerkrankung zu kämpfen. / Foto: iStock/FlairImages
Grundsätzlich sollten der Pflege feuchtigkeitsbindende Substanzen wie Harnstoff, Glycerol oder Milchsäure, auch Natural Moisturizing Factor (NMF) genannt, zugesetzt sein (wie Eucerin® Urea Repair, Allpresan® diabetic, La Roche-Posay Iso-Urea Milch). Sie erhöhen das Wasserbindungsvermögen der obersten Hornschicht und wirken somit dem transepidermalen Wasserverlust entgegen. Für Diabetiker ist Harnstoff besonders vorteilhaft, da er nicht nur Wasser bindet und Feuchtigkeit in der Haut zurückhält, sondern gleichzeitig noch juckreizstillend, schuppenlösend und antibakteriell wirkt. Generell sollten Diabetiker ihre Haut zweimal täglich pflegen, selbst wenn keine Symptome wie Juckreiz, Spannungsgefühl oder Rauheit vorhanden sind. Die Erfahrung zeigt: Gerade dann neigen Patienten dazu, die Hautpflege zu vernachlässigen, obwohl sie neben der Blutzuckerkontrolle die beste Prävention von Hauptproblemen darstellt.
Generell warnen hartnäckige Pilzinfektionen vor einem schlecht eingestellten Diabetes. Betroffene klagen dabei nicht nur über Symptome an den Füßen, sondern auch unter der Brust, in den Leisten oder Achselhöhle sowie im Genitalbereich. Vor allem die beiden letztgenannten Regionen sind anfällig für Pilzinfektionen, da dort kein natürlicher Säureschutzmantel vorhanden ist. Zusätzlich ist infolge der diabetogenen Stoffwechsellage die Immunantwort der Haut vermindert und der Ausbruch von Infektionen wird begünstigt.
Chronische Pilzinfektionen mit ihrem quälenden Juckreiz gelten daher als Marker-Erkrankung für Diabetes mellitus. Am häufigsten sind dabei Infektionen mit Candida albicans. Durch lokale Antimykotika lassen sich die Beschwerden in der Regel gut therapieren. An erster Stelle steht jedoch eine Normalisierung des Blutzuckers. Nagelpilz ist für Diabetespatienten besonders fatal, weil die damit verbundenen Nagelschäden als Eintrittspforte für die Bakterien dienen. Die DDG bezeichnet die Sanierung von Nagelpilz bei Diabetikern deshalb nicht als eine kosmetische Frage, sondern eine medizinische Notwendigkeit, die in die Hände von erfahrenen Podologen gehört.
Aufgrund der fortschreitenden Durchblutungs- und Nervenschädigung können im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf des Diabetes Sensibilitätsstörungen vor allem in den unteren Extremitäten auftreten. Das Temperatur- und Vibrationsgefühl ist vermindert und Betroffene nehmen Schmerzen weniger gut wahr. Häufig bleiben dann kleinere Verletzungen und Wunden an den Füßen und Beinen unbemerkt und bilden wiederum eine perfekte Eintrittspforte für Krankheitserreger. Zusätzlich heilen Wunden nur noch schlecht. All diese Faktoren können, wenn sie nicht richtig behandelt oder vorgebeugt werden, in Komplikationen wie dem diabetischen Fußsyndrom münden.
Das eigentliche Problem bei fortgeschrittenen neuropathischen und Durchblutungsstörungen: Sie verhindern regelrecht eine adäquate Therapie, da Betroffene ihre Füße nicht mehr wahrnehmen. Experten sprechen davon, dass sich durch die Neuropathie die »anthropologische Matrix« des Menschen verändere. Will heißen: Durch das fehlende Schmerzempfinden nimmt der Betroffene seinen Fuß nicht mehr als wichtigen Teil von sich wahr. Er sieht zwar die bestehende Läsion; da sie aber keine Beschwerden verursacht, zieht er keine Schlüsse zur Handlung. Das ist vermutlich auch der Grund, warum viele Diabetiker ihre Füße vernachlässigen und Therapiemaßnahmen durch den Arzt oft nicht als Hilfe empfinden. Denn subjektiv spüren sie keine Besserung. Eine traurige Wahrheit, der man nur vorbeugen kann, wenn die tägliche Fußkontrolle zur Routine wird.
Hierbei kann die Apotheke einen unterstützenden Beitrag leisten, indem sie Risikopatienten frühzeitig identifiziert und ihnen geeignete Präventionsmaßnahmen mit an die Hand gibt. Auf ihrer Website stellt die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände eine entsprechende Arbeitshilfe »Beratung zum Thema Fuß von Menschen mit Diabetes« zur Verfügung, in der sie die wichtigsten Punkte der Beratung schrittweise zusammenfasst.
Klagen Diabetiker mehrfach über Hornhaut an den Füßen oder fragen häufig nach Präparaten zur Behandlung von Fußpilz, können dies erste Hinweise sein. Ebenso, wenn Patienten über das klassische »Ameisenlaufen« oder Kribbelempfinden berichten, sollten Apotheker und PTA hellhörig werden. Das pharmazeutische Personal sollte nicht warten, bis Patienten aktiv ihre Symptome schildern, sondern auch einmal gezielt nachfragen oder Diabetiker auffordern, den Zustand ihrer Füße genau zu beschreiben.
Mehr Achtsamkeit den eigenen Füßen gegenüber, das verhindert nicht nur bei Diabetikern diverse kleinere oder größere Fußmalheure. / Foto: Getty Images/Image Source
Im Beratungsgespräch sollte deutlich gemacht werden, wie wichtig die tägliche Fußpflege und Selbstuntersuchung auf Druckstellen und Hautveränderungen ist. So geht es richtig: