Deutschland und EU bei Glyphosat-Zulassung uneinig |
dpa |
21.09.2023 09:30 Uhr |
Umstrittener als Glyphosat ist wohl kein Unkrautvernichter. Nicht nur zwischen Deutschland und er EU, auch innerhalb der Ampel gibt es konträre Meinungen über die Risiken des Produkts aus dem Hause Bayer. / Foto: Fotolia/Kara
»Unser Vorschlag basiert auf wissenschaftlich fundierten Informationen«, sagte ein Sprecher der EU-Kommission gestern Mittag. Für den Einsatz sind den Dokumenten zufolge bestimmte Bedingungen vorgesehen, etwa Maßnahmen zur Risikominderung. Dabei geht es etwa darum zu verhindern, dass Glyphosat bei der Anwendung stark verweht wird.
Damit stellt sich die EU-Kommission gegen Forderungen aus Deutschland. »Solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass Glyphosat der Biodiversität schadet, sollte die Genehmigung in der EU auslaufen«, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Eine vielfältige und intakte Pflanzen- und Tierwelt sei die Voraussetzung für sichere Ernten. Er werde sich mit Partnern in der EU dazu nun austauschen.
Glyphosat ist noch bis zum 15. Dezember EU-weit zugelassen. Umweltschutzorganisationen sehen in Glyphosat Gefahren für Menschen und Umwelt, der Hersteller Bayer weist das vehement zurück. Ende Juli hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) eine Untersuchung veröffentlicht, in der sie keine inakzeptablen Gefahren, aber Datenlücken in mehreren Bereichen gesehen hatte.
Für die Untersuchung hatte die Efsa eigenen Angaben zufolge in einem dreijährigen Verfahren Tausende Studien und wissenschaftliche Artikel betrachtet. Zu den Aspekten, die nicht abschließend geklärt wurden, gehören etwa ernährungsbedingte Risiken für Verbraucher und die Bewertung der Risiken für Wasserpflanzen, wie die Efsa mitteilte.
Auch mit Blick auf den Artenschutz ließen die verfügbaren Informationen keine eindeutigen Schlussfolgerungen zu. Für FDP-Fraktionsvize Carina Konrad besagt die Bewertung trotzdem »klar«, dass keine Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt ausgehen. Folgerichtig müsse sich die gesamte Bundesregierung nun geschlossen in Brüssel für eine weitere Zulassung aussprechen. Damit widerspricht sie dem von den Grünen geführten Landwirtschaftsministerium. Im Koalitionsvertrag der Ampel heißt es, dass Glyphosat in Deutschland bis Ende 2023 vom Markt genommen werde.
Bayer begrüßte den Verordnungsentwurf der EU-Kommission. Er basiere auf den »überzeugenden wissenschaftlich fundierten Schlussfolgerungen« der Efsa. »Bayer ist der Ansicht, dass die Entscheidung der Mitgliedstaaten auf den wissenschaftlichen Schlussfolgerungen der zuständigen Behörden beruhen und zu einem Votum für eine erneute Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat führen sollte«, betonte das Unternehmen.
Auch wenn eine Zulassung auf EU-Ebene verlängert wird, könnte das Mittel in der Bundesrepublik verboten werden. Der CDU-Agrarexperte Norbert Lins bezeichnete den Vorschlag der Kommission als wichtigen Schritt für die Landwirtschaft. »Selten wurde ein Wirkstoff so genau untersucht wie Glyphosat«, teilte er mit. »Die Gesundheit von Millionen Europäerinnen und Europäern droht für weitere 10 Jahre aufs Spiel gesetzt zu werden«, sagte hingegen die Grünen-Abgeordnete Jutta Paulus. »Die Interessen der Industrie haben eindeutig Vorrang vor Gesundheit und Umwelt«, so Angeliki Lysimachou von der Organisation Pesticide Action Network (PAN) Europe.
Rückendeckung bekommt sie aus Reihen der SPD. Das EU-Parlament habe sich 2017 für ein Verbot des Stoffs ausgesprochen, teilte die Agrarpolitikerin Maria Noichl mit. »Hinter dieser Entscheidung stehe ich.« Der Beschluss über die Verlängerung im zuständigen Ausschuss, in dem auch Vertreter der EU-Staaten sitzen, wird nicht vor Mitte Oktober erwartet. Für eine Entscheidung ist eine qualifizierte Mehrheit erforderlich.