Deutschland aus der Abwärtsspirale retten |
Jennifer Evans |
03.07.2023 16:30 Uhr |
In den nächsten fünf Jahren könnte Deutschland als Pharmastandort deutlich an Relevanz verlieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle vfa-Studie. Pharmazeutische Unternehmen evaluieren demnach die Rahmenbedingungen kritischer als je zuvor, um ihre Ressourcen zu optimieren. / Foto: Adobe Stock/yanlev
Wie wird Deutschland wieder fit für das Wettrennen um die Marktzulassung innovativer Therapien? Eine aktuelle Studie des vfa und der Strategie- und Managementberatung Kearney zeigt nun, wo es hakt und wie sich die Entwicklung womöglich aufhalten lässt. Die Lage ist ernst, wie bei der Pressekonferenz des vfa am heutigen Montag klar wurde: »Wenn jetzt nicht entschieden gehandelt wird, droht bis 2030 der Verlust des frühen Zugangs zu innovativen Therapieoptionen für bis zu 40 Prozent der Patientinnen und Patienten in Deutschland, die heute an klinischen Arzneimittelstudien teilnehmen«, hieß es seitens des Verbands.
Außer Frage steht demnach, dass die Rahmenbedingungen eines Standorts künftig eine immer größere Rolle spielen werden, wenn es um Investitionsentscheidungen der Pharmaunternehmen geht. Die Attraktivität der Bundesrepublik hat aber in Folge des GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) gelitten und auch das geplante EU-Pharmapaket macht die Situation mit seinen Neuregelungen nicht besser, warnten die Studienverfasser heute in Berlin. Es geht um Änderungen beim Marktzugang, der Preisfindung, dem Schutz des geistigen Eigentums sowie der Kostenerstattung.
Hierzulande würde die Studiendurchführung aktuell so sehr heruntergebremst, dass sich Unternehmen und Forschungseinrichtungen anderswo umsähen, um ihre Medikamentenerprobungen zu machen. Es sei sogar zu befürchten, dass Deutschland bei der Studienvergabe in Zukunft gar nicht mehr berücksichtigt würde.
Noch ist aber nicht alles verloren. Deutschland wieder als Innovationsstandort zu stärken, könne gelingen, meint Matthias Meergans, Geschäftsführer Forschung & Entwicklung des vfa. Und zwar, wenn »Forschung wieder in konkurrenzfähigem Tempo ablaufen kann, Unternehmen und Universitäten besseren Zugang zu pseudonymisierten medizinischen Versorgungsdaten erhalten und das Ökosystem für Translation von Grundlagenforschung in Behandlungsmöglichkeiten für Patienten gestärkt wird.« Allein verbindliche Musterverträge als Basis für die Verhandlungen zwischen Pharmakonzernen und Kliniken könnten viel bewirken, wie etwa ein Blick auf Frankreich zeige, wo dies gelungen sei.
Konkret listet die Studie sieben Handlungsempfehlungen auf:
Im Detail fordern die Studienautoren ein Gremium, das entweder das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) oder das Bundeskanzleramt koordiniert. Darin sollen unter anderem Vertreter der Bundesoberbehörden, Ethikkommissionen, Fachverbände sowie der Industrie sitzen. Vorbild ist dabei Spanien. Dort hatte ab 2006 ein gezielter Dialog zwischen den Stakeholdern stattgefunden, um die Rahmenbedingungen für klinische Forschung zu verbessern. Das Konzept ging auf. Derzeit belegt Spanien als Studienstandort Platz zwei in Europa. Darauf weist die Studie hin.
Ein solches Gremium, wie es die Analyse für Deutschland empfiehlt, könnte in Zukunft Probleme adressieren, eine Strategie entwickeln und entsprechende Gegenmaßnahmen anhand eines »gemeinsamen und verbindlichen Fahrplans« umsetzen. Demzufolge sollte es auch eine Erfolgskontrolle geben. Die Studienautoren sind jedenfalls der Ansicht, mit vereinten Kräften und politischen Willen könne das Vorhaben gelingen, Deutschland als Innovationsstandort »wieder umfassend auf die Spur zu bringen«.