Deutsche immer unzufriedener mit Gesundheitssystem |
Lukas Brockfeld |
31.07.2024 14:30 Uhr |
Immer mehr Patienten klagen über lange Wartezeiten. / Foto: imago/Jochen Tack
Anfang Juli befragte das »Institut für Demoskopie Allensbach« 1003 Bürgerinnen und Bürger über ihre Eindrücke vom deutschen Gesundheitssystem. Die in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (FAZ) veröffentlichten Ergebnisse sind alarmierend: Immer mehr Menschen empfinden ihre medizinische Versorgung demnach als unzureichend.
Im Jahr 2022 gaben noch 81 Prozent der Befragten an, dass sie mit dem Status quo der Gesundheitsversorgung zufrieden seien. Zwei Jahre später liegt dieser Wert nur noch bei 67 Prozent. 40 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, sie hätten in den »vergangenen zwei, drei Jahren schlechtere Erfahrungen mit der ärztlichen Versorgung gemacht« als zuvor. Nur sieben Prozent berichteten von besseren Erfahrungen.
77 Prozent der Befragten gaben an, dass sie selbst oder ein Familienmitglied lange Wartezeiten für einen Arzttermin in Kauf nehmen mussten. 54 Prozent der Umfrageteilnehmer mussten erleben, dass ein Medikament nicht verfügbar war. 43 Prozent der Befragten sagten, dass sie Schwierigkeiten beim Finden eines Arztes oder einer Ärztin hatten.
Die Deutschen attestieren ihrem Gesundheitssystem einen großen Reformbedarf. Zwei Drittel der Befragten halten Reformen sowohl im Gesundheits- und auch im Pflegesektor für notwendig. 53 Prozent der Umfrageteilnehmer waren davon überzeugt, dass es eine umfassende Reform brauche.
Immer wieder zeigen Umfragen die wachsende Unzufriedenheit mit dem Gesundheitssystem. In einer im Juni veröffentlichten Stada-Umfrage klagten 68 Prozent der Befragten über Probleme bei der Terminvergabe. 59 Prozent gaben an, den politischen Entscheidungsträgern allgemein zu misstrauen.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) spricht angesichts der Umfrage von einem »schleichenden Zerfall des Gesundheitswesens« und fordert eine Kehrtwende in der Gesundheitspolitik. Die Ergebnisse der Befragung seien alarmierend, aber nicht überraschend. »Seit Jahren warnen wir vor einem Kollaps und fordern mit konkreten und sinnvollen Maßnahmen die Rettung der Praxen. Doch in der Politik stoßen wir damit auf taube Ohren«, klagte der Vorstandsvorsitzende der KBV, Andreas Gassen.
Die Kassenärzte befürchten aufgrund der Reformpläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine weitere Verschlechterung der Versorgung: »Die Gründe liegen auf der Hand: Wenn der Minister an seinem Kurs festhält, werden die Bürgerinnen und Bürger künftig mit ihren Beschwerden einen Gesundheitskiosk aufsuchen oder zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus gehen müssen. Das genau wollen sie nicht. Und die Unzufriedenheit wird steigen«, erklärte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Stephan Hofmeister.
Zur Verbesserung der Versorgung wünscht sich die KBV unter anderem eine Entlastung von Ärzten durch weniger Bürokratie und Dokumentationspflichten, mehr Medizinstudienplätze und eine gezielte Verbesserung der Versorgung in ländlichen Regionen.
Auch Vertreterinnen und Vertreter der Apothekerschaft warnen immer wieder vor den aktuellen Entwicklungen im Gesundheitssystem. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 ging die Gesamtzahl der Apotheken in Deutschland um 283 zurück. Das Apothekensterben betraf alle Bundesländer in einem ähnlichen Ausmaß, die Stadtstaaten waren genauso betroffen wie die Flächenländer. Viele Menschen verloren so ihre wohnortnahe Arzneimittelversorgung.
Gesundheitsminister Lauterbach will mit einer großen Apothekenreform gegensteuern, die jedoch bei der Apothekerschaft auf Ablehnung stößt. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening sagte vergangene Woche im Nachrichtenmagazin »Focus«: »Wir bräuchten dringend eine Reform, die den Berufsstand stärkt, die Kompetenzen der Apothekerinnen und Apotheker besser in die Patientenversorgung einbringt.« Auch die Vergütung müsse verbessert werden. Doch die Pläne der Bundesregierung würden die Apotheken unrentabel machen und ruinieren.