Deutsche ernähren sich gesünder – aber noch nicht gesund genug |
Immerhin drei Viertel aller Deutschen greifen mittlerweile mindestens einmal am Tag zu Obst und Gemüse – ein Anstieg von 70 Prozent beim letzten Ernährungsreport 2020 auf nun 76 Prozent. / Foto: Getty Images/Hinterhaus Productions
Der jährliche Ernährungsreport beruht auf einer seit 2016 jährlich durchgeführten repräsentativen Forsa-Umfrage unter 1000 Verbraucherinnen und Verbrauchern im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Am Mittwoch hat das Ministerium seinen neusten Report vorlegt. Demnach wird mehr Gemüse und Obst im Vergleich zum Vorjahr konsumiert: Bei mehr als Dreiviertel der Befragten kommt beides täglich auf dem Tisch (76 Prozent statt 70 Prozent in 2020). Die Vorliebe für Milchprodukte ist unverändert hoch. 64 Prozent essen jeden Tag Joghurt, Käse und Co. Hierbei gilt: Je älter die Befragten sind, desto häufiger greifen sie danach. Der Verzehr von Fleisch und Wurst hat dagegen etwas abgenommen: 26 Prozent der Befragten essen täglich oder mehrmals täglich Fleisch- und Wurstprodukte. Das ist ein Rückgang von acht Prozentpunkten gegenüber 2015. Gleichzeitig ist die Zahl der Vegetarier und der Veganer gestiegen – von 2 auf 10 Prozent.
Die Regionalität von frischem Obst, Gemüse und auch Eiern ist den Befragten sehr wichtig (jeweils 86 Prozent). Das gilt auch für Brot und Backwaren (83 Prozent) sowie Fleisch-, Wurst- (78 Prozent) und Milchprodukten (71 Produkte). Zwei Drittel (68 Prozent) geben an, dass sie beim Einkauf von Lebensmitteln immer oder meistens auf das »Regionalfenster« achten. Ähnlich viele (64 Prozent) schauen immer oder meistens auf das »Biosiegel«, mit dem Produkte gekennzeichnet sind. Wer Fertiglebensmittel kauft, schaut einerseits häufig auf den enthaltenen Zucker (59 Prozent). Daneben prüfen viele meistens auch den Fett- (44 Prozent) und den Salzgehalt (25 Prozent).
Es ist aber nicht nur der Schutz der eigenen Gesundheit, sondern auch der von Klima und Umwelt, der die Verbraucher zunehmend bewegt. Häufiger als noch im Vorjahr ist es ihnen über alle Altersgruppen wichtig, dass auf den Lebensmittelverpackungen Angaben zur umweltverträglichen Erzeugung zu finden sind. (2020: 76 Prozent, 2021: 84 Prozent Prozent).
Auch der Wunsch an die Landwirtschaft, umweltschonende Produktionsmethoden anzuwenden, ist im Vergleich zum Vorjahr von 52 auf 57 Prozent gestiegen. 54 Prozent wollen, dass Emissionen verringert werden. Die Befragten, die schon einmal vegetarische/vegane Alternativen gekauft haben, tun dieses zwar zumeist aus Neugier (71 Prozent), aber auch aus Tier- (59 Prozent), Klima- und Umweltgründen (54 Prozent).
Last but not least: 44 Prozent der an der Umfrage Beteiligten geben an, dass sie beim Einkauf schon einmal einen Blick auf den Nutri-Score auf der Verpackung geworfen haben. Davon haben 33 Prozent anhand dieses Scores Waren innerhalb einer Produktgruppe verglichen. 45 Prozent betonten, der Score habe ihre Kaufentscheidung schon einmal beeinflusst.
Foto: BMEL
Es sei ihr politisches Ziel, allen Bürgern möglichst einfach eine gesunde Ernährung zu ermöglichen, hob Landwirtschafts- und Ernährungsministerin Julia Klöckner bei der gestrigen Vorstellung des Ernährungsreports in Berlin mit Verweis unter anderem auf den Nutri-Score hervor. »Die Studien-Ergebnisse zeigen, dass wir Rahmenbedingungen richtig setzen und das Ziel erreichen«, zeigte sie sich überzeugt.
Der Nutri-Score soll Verbrauchern helfen, eine gesündere Wahl zu treffen, hat aber seine Schwächen. / Foto: AdobeStock/Gerhard Seybert/PZ/Katja Egermeier
Ganz so enthusiastisch sind nicht alle: »Der Nutri-Score wirkt und wird von den Verbrauchern und Verbraucherinnen gut angenommen. Das ist aber auch schon der einzig nennenswerte Erfolg, den Bundesministerin Julia Klöckner im Ernährungsreport 2021 vermelden kann«, macht hingegen die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) gestern deutlich. »Nach wie vor ist der Nutri-Score nicht verpflichtend und in Fertigprodukten steckt noch immer zu viel Zucker und Fett«, kritisiert die DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer. »Wir brauchen endlich verbindliche Regeln zur Reduktion von Zucker und Fetten in unseren Lebensmitteln und einen verpflichtenden Nutri-Score. Das kann nur gelingen, wenn Klöckner ihren Schulterschluss mit den Lebensmittelherstellern endlich aufgibt und diese mehr in die Pflicht nimmt.«
Die Politik könne mit verbindlichen Reduktionszielen, einem bundesweiten Werbeverbot für süße und fettige Kinderlebensmittel, einer steuerlichen Entlastung gesunder Lebensmittel und hier insbesondere Obst und Gemüse sowie einer Steuererhöhung für Lebensmittel mit hohem Gehalt an Zucker, Fetten und Salz wichtige Weichen stellen, um zur generell gesunden Ernährung beizutragen und die Flut von Adipositas- und Diabetes-Neuerkrankungen nachhaltig einzudämmen. »Hier muss in der nächsten Legislaturperiode dringend nachgebessert werden«, betont die DDG.