Der schwierige Schutz der Privatsphäre |
Die Krankenkassen verschickten umfangreiche Info-Materialien zur neuen EPA. / © IMAGO/onemorepicture
Die elektronische Patientenakte (EPA) ist Ende April in die sogenannte Hochlaufphase gestartet. Das heißt: Praxen und Kliniken können seitdem Arztbriefe und Befunde in dem digitalen Gesundheitsordner ablegen. Zunächst passiert das freiwillig – erst ab dem 1. Oktober sollen sie dazu verpflichtet sein. Bereits Anfang 2025 haben die Krankenkassen EPA für ihre Versicherten angelegt – sofern die nicht widersprochen haben. Inzwischen werden jeden Tag millionenfach Gesundheitsinformationen in den elektronischen Akten gespeichert.
Doch die EPA ist noch immer umstritten. Neben den zum Jahreswechsel laut gewordenen Sicherheitsbedenken sorgt auch der Umfang der bereitgestellten Gesundheitsinformationen für Kritik. Standartmäßig können Apotheken, Praxen und andere Dienstleister mit dem Öffnen der EPA auf die vollständigen Gesundheitsdaten ihrer Patientinnen und Patienten zugreifen. Dabei werden auch besonders sensible Informationen, beispielsweise zu sexuell übertragbaren Krankheiten, sichtbar.
Kürzlich erzählte der Gynäkologe Andreas Jepsen-Föge gegenüber dem SWR, dass seine Patientinnen oft überrascht seien, wie viele ihrer Daten bereits in ihrer EPA gespeichert sind. Er nutze die EPA erst seit zwei Wochen und habe mehrfach Informationen erhalten, die die Patientinnen nicht mit ihm teilen wollten. Nach eigener Aussage ist der Arzt erschrocken darüber, wie viel er von seinen Patientinnen erfährt. Es brauche dringend mehr Aufklärung, damit die Menschen in Deutschland ihre Privatsphäre schützen und sinnvoll mit der EPA umgehen können.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ist sich bewusst, wie sensibel die in der EPA gesammelten Informationen sind. Daher werden den Nutzerinnen und Nutzern umfangreiche Möglichkeiten zur Verwaltung ihrer Akten eingeräumt. So können die Patienten beispielsweise bestimmte Dokumente verschatten oder einzelne Praxen von der EPA ausschließen. Die Verwaltung der EPA kann entweder über die Apps der Krankenkassen oder gemeinsam mit einem behandelnden Arzt erfolgen.
Eine aktive Verwaltung der elektronischen Patientenakte setzt allerdings ein relativ hohes Maß an Wissen, technischem Verständnis und eigener Initiative voraus. Im Augenblick liegen weder der Gematik noch den Krankenkassen Informationen dazu vor, wie oft diese Möglichkeiten tatsächlich genutzt werden. Ein Sprecher des AOK-Bundesverbandes erklärte auf Nachfrage der PZ, dass Informationen zur individuellen Nutzung der EPA in der sogenannten »vertrauensvollen Ausführungsumgebung« liegen. Das sei ein besonders stark geschützter Bereich, in dem entsprechende Auswertungen nach den Vorgaben der Gematik nicht durchgeführt werden dürften.
Die EPA-Apps werden bisher vergleichsweise wenig genutzt. Die Barmer Ersatzkasse hat beispielsweise 8,3 Millionen Versicherte in Deutschland, ihre EPA-App wurde aber nur etwas über 100.000 mal für Android-Geräte heruntergeladen. Die Downloadzahlen für Apples iOS System sind nicht öffentlich einsehbar. Viele EPA-Apps haben auffallend schlechte Bewertungen. Die Nutzerinnen und Nutzer klagen unter anderem über eine zu umständliche Bedienung und häufige technische Fehler.
Laut einer aktuellen YouGov-Umfrage sind auch die meisten Arztpraxen bisher keine große Hilfe bei der Verwaltung und aktiven Nutzung der EPA.
Nur 9 Prozent der Befragten berichten, dass sie in der Arztpraxis angesprochen wurden, ob sie die EPA nutzen möchten. Ein noch kleinerer Teil (4 Prozent) hat selbst die Initiative ergriffen und nachgefragt, ob Befunde oder Arztbriefe in der Akte abgelegt werden können.
Dabei äußerten die Patientinnen und Patienten durchaus das Bedürfnis nach mehr Kommunikation rund um die Akte: Fast zwei Drittel der Befragten (63 Prozent) wünschen sich, in der Arztpraxis proaktiv über die EPA informiert zu werden.
In Sachen EPA herrschen laut der Umfrage noch Unsicherheiten, längst nicht jeder hat sich im Detail schon damit beschäftigt. Bloß jeder fünfte Befragte (21 Prozent) gab an, die Akte aktiv zu nutzen oder das konkret zu planen. Mehr als jeder Zweite hat der Einrichtung der EPA nicht widersprochen, nutzt sie aber bislang nicht aktiv (56 Prozent).
Dafür gibt es verschiedene Gründe. 46 Prozent derjenigen, die die EPA nicht aktiv nutzen, hatten nach eigenen Angaben bislang keine Gelegenheit, sich damit zu beschäftigen. 40 Prozent sehen derzeit keinen Bedarf, 16 Prozent nennen als Grund, dass ihre Arztpraxis die EPA noch nicht nutzt. Und ein kleiner Teil fühlt sich mit Blick auf das Einrichten der App überfordert: 8 Prozent sagen, dass ihnen die Registrierung zu kompliziert sei.
Die Umfrage wurde vom 23. bis 25. Mai 2025 im Auftrag der der SBK Siemens-Betriebskrankenkasse durchgeführt. Es wurden 2050 Personen befragt.