Der genetischen Ursache von Autismus auf der Spur |
Theo Dingermann |
10.04.2024 16:17 Uhr |
Mäuse mit einer Mutation im KMT2C-Gen zeigen Autismus-ähnliche Verhaltensweisen. Anhand solcher Tiere haben Forschende aus Japan die Mechanismen hinter der neurologischen Entwicklungsstörung untersucht. / Foto: Adobe Stock/filin174
Histon-Methyltransferasen sind Enzyme, die Methylreste auf Histone übertragen und so die Transkription von Genen beeinflussen. Eine Mutation im Gen KMT2C, das für eine katalytische Einheit des H3K4-Methyltransferase-Komplexes im Histon H3-Protein kodiert, wird mit der Entwicklung von Autismus und anderen neurologischen Entwicklungsstörungen in Zusammenhang gebracht, die als Autismus-Spektrum-Störungen (ASD) zusammengefasst werden. Dr. Takumi Nakamura vom Riken Center for Brain Science in Saitama, Japan, und Kollegen publizierten jetzt im Wissenschaftsjournal »Molecular Psychiatry« Ergebnisse, die aufzeigen, wie ein Mangel an H3K4-Methyltransferase die neurologische Entwicklung stören kann.
Die Forschenden untersuchten Mäuse, bei denen sie eine Mutation in das KMT2C-Gen eingeführt hatten. Dies führte bei den Tieren zu einem abnormalen Sozialverhalten, Unflexibilität, auditorischer Überempfindlichkeit und kognitiven Beeinträchtigungen – all dies sind Symptome einer ASD. Die Analyse der epigenetischen Profile und der daraus resultierenden Transkriptionsaktivitäten bei diesen Mäusen fiel überraschend aus: Anders als erwartet wurden die Gene, die mit einem erhöhten ASD-Risiko in Verbindung gebracht werden, in den mutierten Tieren besser transkribiert als in Kontrolltieren. Die genauere Untersuchung der Chromatinstruktur zeigte dann aber eine Überschneidung zwischen KMT2C und anderen Genen, die tatsächlich geringer exprimiert wurden. Die Forschenden gehen daher davon aus, dass die Haploinsuffizienz von KMT2C durch eine indirekte Wirkung auf die Genexpression zu ASD-bezogenen transkriptomischen Veränderungen führt.
Durch RNA-Sequenzanalysen in Einzelzellen der Gehirne neugeborener Mäuse stellten sie fest, dass die Gene, die mit ASD in Verbindung gebracht werden, überwiegend in undifferenzierten radialen Gliazellen verändert expliziert werden. Diese Veränderung waren in heterogen zusammengesetzten Zellpopulation nicht mehr nachzuweisen, was darauf hindeutet, dass die molekularen Ursachen für die Entwicklung einer ASD tatsächlich sehr subtil ausgeprägt sind.
Die Forschenden schauten sich dann noch an, zu welchen Effekten es kommt, wenn den Versuchstieren Vafidemstat verabreicht wird. Dies ist ein Inhibitor der Lysin-spezifischen Histondemethylase 1A (KDM1A). Die Annahme war, dass dieser Demethylase-Inhibitor die durch die Mutation verursachten Anomalien der Histonmethylierung teilweise beheben könnte. Tatsächlich zeigte sich, dass Vafidemstat die sozialen Defizite in den mutierten Mäusen verbesserte. Das Expressionsniveau der unterschiedlich exprimierten Gene normalierte sich durch Vafidemstat sehr schnell.
Vafidemstat ist noch nicht für den Einsatz beim Menschen zugelassen. Allerdings zeigte das Molekül in einer Phase-I-Studie im Rahmen einer Dosis-Eskalation keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse. Vorgesehen ist der Wirkstoffkandidat zur Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungn und neurologischen Entwicklungsstörungen.