»Der Fachkräftemangel betrifft alle Freien Berufe« |
Ex-ABDA-Präsident Friedemann Schmidt berichtet gegenüber der PZ über seine neuen Aufgaben als BFB-Präsident. / Foto: PZ/Philipp Külker
PZ: Herr Schmidt, unter dem Dach des BFB werden die Interessen vieler freien Berufe vereint. Gerade mit Blick auf die derzeitige gesundheitspolitische Diskussionslage fällt es schwer, überhaupt gemeinsame Handlungsbereiche dieser Berufsgruppen zu erkennen. Welche Themenfelder können und dürfen Sie bespielen?
Schmidt: Der BFB vertritt die gemeinsamen, übergreifenden Interessen der Freien Berufe, sei es beispielsweise der Schutz der Verschwiegenheit oder eines Qualitätswettbewerbs. Weitere Beispiele dafür sind Ausbildungsfragen, der Fachkräftemangel oder berufsregulatorische Fragen, die alle Freiberufler betreffen. Es gibt aber auch aktuelle Themen, wie beispielsweise die Passgenauigkeit der Corona-Hilfen, die der BFB anspricht. Zudem verstehe ich den BFB insbesondere wie ein Hub, also eine Denkfabrik, die der Politik sowie den Mitgliedern als Informations- und Service-Organisation zur Verfügung steht. Wir positionieren uns regelmäßig zu Themen, zu denen ein innerverbandlicher Konsens besteht. Zu konfliktären Themen äußert sich der BFB nicht. Auch in die fachlichen Bereiche der Mitglieder mischen wir uns nicht ein. So steht der BFB selbst insbesondere mit dem Bundeskanzleramt, dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesbildungsministerium in Kontakt, weil es in diesen Häusern oft um übergeordnete Themen der Freiberuflichkeit geht.
PZ: Gibt es gerade in Zeiten, in denen unterschiedliche Positionen der Mitglieder zu Tage treten, eine gute Arbeitsatmosphäre im Verband?
Schmidt: Ja, definitiv. Es liegt in der Natur der Sache, dass der BFB viel heterogener aufgestellt ist als etwa spezialisierte Fachverbände. Schließlich vertreten wir das breite Spektrum verkammerter und nicht verkammerter Freier Berufe und deren identitätsstiftenden Positionen. Oft finden wir in kniffeligen Fragen eine gemeinsame Linie. So müssen beispielsweise beim Einsatz von Fremdkapital das Gemeinwohlinteresse, der Verbraucherschutz, das hohe Qualitätsniveau und die freiberufliche Unabhängigkeit gewährleistet bleiben. Das haben wir in unseren Positionen zur Bundestagswahl so festgehalten.
PZ: Für viele Apotheker wäre es auch nur schwer vorstellbar, eine differenzierte Meinung von ihrem Ex-Präsidenten zum Thema Fremdbesitz zu hören…
Schmidt: Die wird es auch nicht geben. Das Leitmotiv etwa des freien Heilberuflers muss die auch wirtschaftlich unabhängige Freiberuflichkeit bleiben.
PZ: Sie sprachen den Fachkräftemangel als gemeinsames Thema an. Ist denn der Fachkräftebedarf in den anderen Freien Berufen ebenso groß wie im Apothekenmarkt?
Schmidt: Das betrifft letztlich alle Freien Berufe und deren Assistenzberufe. Auch wenn es immer noch mehr Gründungen in den Freien Berufen gibt, befassen wir uns mit der allgemein nachlassenden Gründungsbereitschaft, die uns zu denken gibt. Dazu stehen wir in engem Austausch mit anderen Wirtschaftsverbänden und der Politik.
PZ: Warum ist es denn aus Ihrer Sicht für junge Menschen nicht mehr so attraktiv sich als Freiberufler selbstständig zu machen?
Schmidt: Das liegt sehr an den geänderten Lebens- und Wertvorstellungen jüngerer Generationen. Themen wie Arbeitszeiten und die Familienplanung sind in einer Anstellung aus Sicht vieler junger Menschen besser zu lösen. Hinzu kommt, dass uns demographische Faktoren, wie etwa die alternde Gesellschaft, im Nacken sitzen und den Fachkräftemangel verschärfen. Wenn ein Gründer in spe befürchtet, keine Mitarbeiter zu finden, kann das ein Hemmschuh sein.
PZ: Im Apothekenmarkt sehen wir ja mittlerweile auch in Deutschland, dass die Politik auf diese Entwicklungen mit Liberalisierungen reagieren will. Um die Landversorgung sicherzustellen, denken FDP und Grüne beispielsweise über Lockerungen am Mehrbesitzverbot nach.
Schmidt: Wenn das Ziel ein flächendeckendes Angebot und die Niederschwelligkeit dieses Angebots sein soll, dann ändert eine Liberalisierung rein gar nichts. Schließlich steht auch nach einer möglichen Liberalisierung nur eine bestimmte Zahl an Fachkräften zur Verfügung – ob diese nun bei einem unabhängigen Freiberufler oder einer Mini-Kette in Fremdbesitz arbeiten. Ein solches Vorgehen gefährdet ausschließlich die flächendeckende Versorgung.
PZ: Es ist ja aber sehr auffällig, dass immer mehr Apotheker lieber im Angestelltenverhältnis in der Industrie oder der Verwaltung arbeiten als in der Apotheke. Bei Ärzten gibt es eine ähnliche Tendenz hin zu MVZ. Wie kann dieses Problem angegangen werden?
Schmidt: Erstens bin ich der Meinung, dass insbesondere in der Pharmaindustrie schon bald eine Sättigung erreicht ist, sodass gar nicht mehr so viele Wechsel von Apothekern stattfinden werden. Es muss uns aber gelingen, noch intensiver für die Selbstständigkeit in eigener Apotheke, Arztpraxis oder Anwaltskanzlei zu werben, diese attraktiver zu machen. Aus meiner Sicht kann das in erster Linie über eine Verringerung der Bürokratielast geschehen. Wir müssen auch unbedingt dafür sorgen, dass den Freiberuflern der Vorbehaltsauftrag erhalten bleibt – dass es also Aufgaben gibt, die nur die jeweiligen Freiberufler erbringen dürfen.
PZ: Um einen solchen Vorbehalt dreht sich ja derzeit der Konflikt zwischen Ärzten und Apothekern rund um das Impfen in Apotheken. Spielt dieser Konflikt im BFB wirklich keine Rolle?
Schmidt: Wir werden uns als BFB nicht dazu positionieren. Als BFB-Präsident werde ich keine aktive Rolle in der Konfliktbewältigung einnehmen, auch nicht als Vermittler oder Mediator.