Der Card-Link-Aufstand |
Alexander Müller |
02.04.2024 10:00 Uhr |
Das Card-Link-Verfahren bevorzugt in seiner aktuellen Ausgestaltung vor allem die Versender. / Foto: Getty images/Anita Kot
Beim Card-Link-Verfahren nutzt der Versicherte sein NFC-fähiges Smartphone mit einer entsprechenden App als Kartenlesegerät für seine elektronische Gesundheitskarte (EGK). Trotz der Bedenken aller anderen Gesellschafter hatte das BMG mit seiner Mehrheit in der Gematik die Einführung des vierten Wegs für das E-Rezept durchgesetzt.
Doch jetzt meldet sich eine Expertengruppe bei der Gematik und weist auf ein »Interoperabilitätsproblem« hin. Die Kurzfassung der sehr technischen Ausführung: Der Weg von der App zur Apotheke wurde von der Gematik über das »card_interface« und die SICCT-Schnittstelle spezifiziert, aber nicht der Rückweg vom Apothekenverwaltungssystem (AVS) zur App über das »pharmacy_interface«.
Damit das Card-Link-Verfahren auch von Apotheken ohne eigene App genutzt werden könne, müsse das »pharmacy_interface« umgehend spezifiziert und standardisiert werden, so die Gruppe um Detlef Hühnlein, der mit »epotheke.com« selbst Card-Link-Anbieter ist.
Hühnlein hat bekannte Unterstützer aus dem Expertenkreis des Interop Council: Jochen Brüggemann (Red Medical Systems), Bruno Ristok (C&S Computer und Software) und Christian Weigand (Fraunhofer IIS), weitere sollen folgen. Das Interop Council hat es sich zum Ziel gesetzt, eine bessere medizinische Versorgung durch mehr Interoperabilität zu gestalten. Das interdisziplinäre Gremium unter der Leitung von Professor Sylvia Thun vereint Experten aus Medizin und Medizininformatik sowie Anwender, Verbände und Industrie.
Die Kritik von Hühnlein und seinen Mitstreitern: Der »Rückweg« zur App über das »pharmacy_interface« sei »trotz zahlreicher nachdrücklicher Kommentare von vielen Gesellschaftern und Industrievertretern« von der Gematik nicht spezifiziert worden.
Die Folge: »Durch das unspezifizierte ›pharmacy_interface‹ entsteht eine sehr starke Kopplung zwischen AVS und App, so dass das ›eHealth-CardLink‹-Verfahren praktisch nur von großen Versandapotheken mit eigenen Apps genutzt werden kann.« Das Problem sei nur entstanden, weil die Gematik in enger Abstimmung mit dem BMG möglichst schnell eine vor allem für europäische Versandapotheken geeignete Lösung habe entwickeln müssen, so die Kritik.
Die »akute Interoperabilitätsproblematik« entstehe aber nicht nur bei der Einlösung von E-Rezepten in Apotheken, die nicht über eine eigene App verfügen. Ohne entsprechende Spezifikationen würden auch in allen anderen Anwendungsfällen für das Card-Link-Verfahren ähnliche Probleme auftreten.
Die Experten sehen die Gematik in der Pflicht, für eine vollständige Schnittstellenspezifikation inklusive entsprechender Sicherheitsanforderungen zu sorgen. Immerhin sähen § 311 und § 360 Sozialgesetzbuch V (SGB V) »normierte Schnittstellen« nach dem »Stand der Technik gemäß den Richtlinien des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik« vor, so dass »keine Apotheken oder Gruppen von Apotheken bevorzugt werden« und der »Verzeichnisdienst« (APOVZD) der Gematik für die »diskriminierungsfreie Anbindung« genutzt werden könne.
Die fehlende Schnittstellenspezifikation gehe insbesondere zu Lasten kleiner Apotheken ohne eigene App. Ein Verzicht sicherheitstechnischer Anforderungen für diese Schnittstelle würde nach Einschätzung der Experten mit großer Wahrscheinlichkeit zu Sicherheits- und Datenschutzproblemen führen.
Die Spezifikation und Standardisierung der fehlenden Schnittstelle »pharmacy_interface« müsse daher umgehend erfolgen, so die Forderung. Dabei sollten die Vertreter der Apothekensysteme, Apps und Card-Link-Anbieter ebenso beteiligt werden wie die maßgeblichen Verbände.
Tatsächlich hat der Bundesverband Deutscher Apotheken-Softwarehäuser (ADAS) schon Vorarbeiten geleitet, auf die nun zurückgegriffen werden könnte. Das von der Gematik spezifizierte »card_interface« und die »Business Objects« des ADAS könnten als Vorlage für die Spezifikation des »pharmacy_interface« dienen, so der Vorschlag der Gruppe um Hühnlein. Der Bundesverband IT-Sicherheit TeleTrusT, der Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) und der Digitalverband Sozialwirtschaft (FinSoz) haben ihre Unterstützung zugesagt.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.