Dengueviren als zunehmende Bedrohung |
Christina Hohmann-Jeddi |
12.09.2023 16:00 Uhr |
Das runde, behüllte Denguevirus ist eng verwandt mit den Gelbfieber-, FSME- und West-Nil-Viren. / Foto: Adobe Stock/Dr_Microbe
In Asien und Südamerika treten immer mehr Fälle von Denguevirus-Infektionen auf. So rief die Regierung Guatemalas aufgrund der Fiebererkrankung am 1. September den Gesundheitsnotstand aus, nachdem in dem Land seit Jahresbeginn mehr als 12.000 Infektionen beobachtet worden waren. Auch in Bangladesch häufen sich die Fälle: Laut Mitteilung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) traten dort seit Jahresbeginn bis Ende August fast 120.000 Denguefieber-Erkrankungen und 569 damit zusammenhängende Todesfälle auf.
Die Zunahme der Denguefälle sei ein genereller Trend, sagte Privatdozent Dr. Sebastian Ulbert vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig kürzlich bei einer Presseveranstaltung des Science Media Center Germany. Zum einen liege das daran, dass mehr getestet werde, vor allem in Afrika. »Aber natürlich spielen auch die klimatischen Veränderungen in den Endemiegebieten eine Rolle. Es wird wärmer und feuchter, die Mückendichte steigt.« Dass die Menschen zudem enger beieinander lebten, erleichtere eine Übertragung durch die Insekten.
Das Denguevirus, ein RNA-Virus aus der Familie der Flaviviridae, ist vor allem in tropischen und subtropischen Ländern verbreitet. Dort wird es von Stechmücken vorwiegend aus der Gattung Aedes übertragen. Hierzu zählen etwa die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti) und die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus). Letztere breitet sich in Europa aus und fasst zunehmend auch in Deutschland Fuß, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) im Juni mitteilte. Laut RKI steigt dadurch das Risiko für autochthone, also in Deutschland erworbene, Infektionen.
Die Asiatische Tigermücke breitet sich auch in Deutschland aus. / Foto: CDC/James Gathany
Zurzeit könnten diese allerdings nur auftreten, wenn Reiserückkehrer das Virus mitbringen, erklärte Ulbert. »Bisher ist es bei uns nicht warm genug, damit sich das Virus gut in den Mücken vermehren und dann übertragen werden kann.« Erst wenn die Temperaturen über längere Zeit tagsüber um die 30 °C lägen und die Nächte warm seien, könnten die Viren länger in den Mücken zirkulieren und bei einem Stich dann auch eher auf den Menschen übertragen werden. Dann könne ein Infizierter über die Mücke, die ihn sticht, mehrere andere Menschen anstecken. »Auf Madeira gab es 2012 solch einen Fall, wo das Virus durch Reisende eingeschleppt wurde und es zu einem Ausbruch mit 2000 Fällen kam«, informierte Ulbert.
Aktuell gibt es einen deutlich kleineren Ausbruch am Gardasee: Zwischen Anfang August und dem 6. September infizierten sich dort laut der Europäischen Seuchenschutzbehörde ECDC sieben Personen autochthon mit dem Denguevirus. Drei weitere Erkrankungen wurden aus der Region Latium gemeldet. Nach bisherigen Erkenntnissen hängen diese aber nicht mit dem sogenannten Lombardei-Cluster vom Gardasee zusammen. Die italienischen Gesundheitsbehörden führen derzeit Reaktions- und Kontrollmaßnahmen wie Fallsuche und Mückenbekämpfung durch und informieren verstärkt die Öffentlichkeit.
Denguevirus-Infektionen bleiben zu fast 80 Prozent symptomlos, können aber auch zu einer grippeähnlichen Erkrankung führen, die nach einer Inkubationszeit von 3 bis 14 Tagen einsetzt. Charakteristische Symptome sind Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Schüttelfrost. Zu schweren Verläufen kommt es meist nur bei einer Zweitinfektion. Dann sind innere Blutungen, zerebrale Krampfanfälle, Koma, Zahnfleischbluten und Bluterbrechen bis hin zum Dengue-Schocksyndrom möglich. Die Mortalität bei schweren Verläufen liegt bei 1 bis 5 Prozent.
Gegen Denguefieber sind in der EU zwei Impfstoffe zugelassen: Dengvaxia® von Sanofi (seit 2018) und Qdenga® von Takeda (seit 2023). Dengvaxia ist zur Anwendung bei Personen zwischen 6 und 45 Jahren bestimmt. Der tetravalente Impfstoff ist gegen alle vier Serotypen des Denguevirus (DENV-1 bis DENV-4) wirksam. Er enthält lebend-attenuierte chimäre Gelbfieber-Dengueviren, also Gelbfieberviren mit Dengueanteil.
Da die Impfung mit Dengvaxia Erkrankungen bei einer nachfolgenden Erstinfektion verstärken kann, darf die Vakzine nur bei Personen eingesetzt werden, die bereits eine laborbestätigte Infektion durchgemacht haben. Er ist Menschen aus Endemiegebieten vorbehalten und nicht für Reisende indiziert. Qdenga ist dagegen ein Impfstoff auch für Reisende. Es kann bei Personen ab vier Jahren eingesetzt werden und enthält lebend-attenuierte Dengueviren aller vier Serotypen.
Ein Nachteil beider Impfstoffe ist, dass sie nicht für Kleinkinder zugelassen sind, die aber ein hohes Risiko für schwere Verläufe haben. Zudem sei die Schutzrate der Impfungen im Vergleich zu anderen etablierten Impfungen gering, sagte Ulbert. Beide Impfstoffe deckten zwar alle vier Serotypen ab. »Die erzeugte Immunität ist aber nicht gleichmäßig«, so der Experte.
»Die Schutzraten variieren sehr stark, teilweise besteht gegen bestimmte Serotypen wenig bis kaum Schutz.« Für Endemiegebiete mit hohem Infektionsgeschehen seien beide Impfstoffe wichtig, um möglichst viele Ansteckungen zu vermeiden. Für unsere Breitengrade bräuchte man aber gut wirksame Vakzinen, die auch Personen verabreicht werden können, die nicht vorab infiziert waren.