Pharmazeutische Zeitung online
Postpartale Depression

Den Seelenschmerz zügig behandeln

Viele Frauen kennen den »Baby Blues« nach der Geburt ihres Kindes. Etwa 10 bis 15 Prozent erkranken postpartal an einer Depression. Das hat weitreichende Folgen für Mutter und Kind. Je nach Schwere der Depression sind rasche Psycho- und Pharmakotherapie sowie soziale Unterstützung nötig.
Martina Hahn
Sibylle C. Roll
26.07.2020  08:00 Uhr

Psychopharmaka in der Stillzeit: Exposition des Kindes

Für den Einsatz von Psychopharmaka in der Stillzeit gilt, dass das Kind auf jeden Fall auf mögliche Nebenwirkungen hin beobachtet werden sollte. Aktuelle Informationen und Einschätzungen finden Apotheker und Ärzte auf Embryotox.

Arzneistoffe können über zwei Mechanismen in die Muttermilch gelangen:

  • Einschleusen über wassergefüllte Poren im Drüsenepithel, vor allem bei kleinen hydrophilen Substanzen,
  • passive Diffusion für größere und/oder lipophile Substanzen.

Besonders rasch treten Arzneistoffe mit folgenden Charakteristika in die Muttermilch über: geringe Molekularmasse (kleiner 200 Da), gute Fettlöslichkeit (lipophile Wirkstoffe), nicht-ionisierte (ungeladene) Wirkstoffe, alkalische Stoffe und solche, die nur zu einem geringen Anteil proteingebunden vorliegen. Eine Kumulationsgefahr und damit Toxizität für das Neugeborene ergeben sich für

  • alkalische Substanzen wegen des tieferen pH-Werts der Milch im Vergleich zum Plasma, zum Beispiel Morphin, Codein, Promethazin;
  • lipophile Substanzen (Fettgehalt der Milch: 3 bis 5 Prozent), zum Beispiel Diazepam, Barbiturate, Itraconazol;
  • Arzneistoffe mit langer Halbwertszeit, zum Beispiel Diazepam, Aripiprazol, Fluoxetin;
  • bei unreifer Leber- und Nierenfunktion des Säuglings (cave: Frühgeborene).

Welcher Arzneistoffmenge das Kind ausgesetzt ist, hängt von der Zusammensetzung der Muttermilch (pH-Wert, Fettgehalt), dem Stillintervall und der Trinkmenge sowie aufseiten des Säuglings von der Resorption des Arzneistoffs im kindlichen Darm, der Verteilung des Arzneimittels im Körper, der Reife des kindlichen Verdauungsapparates und dem Metabolismus sowie der Reife der kindlichen Nieren für die Elimination ab (Kasten und Tabelle). Das Risiko für unerwünschte Wirkungen ist bei Frühgeborenen daher deutlich größer und Stillen wird eher nicht empfohlen, wenn die Mutter Psychopharmaka einnimmt.

Der Milch/Plasma-Quotient (M/P-Quotient) entspricht dem Verhältnis der Konzentration Medikament in der Milch zur Konzentration Medikament im mütterlichen Plasma. Er liefert Informationen darüber, wie sich der Arzneistoff in der Muttermilch gegenüber dem mütterlichen Plasma anreichert oder verdünnt.

Wirkstoff (alphabetisch) Halbwertszeit (in Stunden, wenn nicht anders angegeben) Relative Dosis (RID in Prozent) M/P-Quotient
Amitriptylin 10 bis 28, aktiver Metabolit Nortriptylin 30 1 bis 2,5 1 bis 3,7
Bupropion 9 bis 25, aktive Metaboliten bis 37 0,14 bis 10,6 0,72 bis 8,58, für die aktiven Metaboliten 0,09 bis 1,57
Citalopram 36 3 bis 5 1,16 bis 3,0
Clomipramin 16 bis 60, aktiver Metabolit 36 1,8 bis 4,3 0,4 bis 1,6
Doxepin 15 bis 20, aktive Metaboliten 80 0,3 bis 2,5 1,2
Duloxetin 8 bis 17 < 1 0,27 bis 1,3
Escitalopram 30 5,2 2,2
Fluoxetin 1,7 Tage, Metabolit bis 19 Tage 6,5 0,25
Fluvoxamin 17 bis 22 0,5 bis 1,6 0,3
Mirtazapin 20 bis 40 1,5 0,76
Nortriptylin 27 1 bis 3 < 1 bis 3,7
Opipramol 11 0,3 0,1
Paroxetin 24 0,5 bis 2 0,2
Sertralin 26 2 0,89
Trimipramin 24 ? ?
Venlafaxin (und aktive Metaboliten) 5, aktive Metaboliten 11 3,2 bis 13,3 1,8 bis 4,5
Tabelle: Parameter zur Abschätzung der kindlichen Exposition mit Antidepressiva in der Stillzeit (Embryotox, Stand 20. März 2020)

Zur Risikobeurteilung eines Medikaments ist allerdings die relative Dosis besser geeignet. Diese ist der Anteil an der gewichtsbezogenen Tagesdosis der Mutter, den ein vollgestillter Säugling pro Kilogramm Körpergewicht in 24 Stunden mit der Milch erhält (Formel siehe Kasten).

Zur weiteren Risikoabschätzung ist zudem die Halbwertszeit wichtig: Dies ist die Zeitspanne, in der die Konzentration eines Arzneistoffs im Organismus beziehungsweise Blut auf die Hälfte absinkt. Eine komplette »Dekontamination« der Milch durch Abpumpen und Verwerfen ist nicht möglich. Da das Anfluten in der Milch nicht gut abschätzbar ist, hat auch der Einnahme-Still-Abstand keinen Effekt auf die Arzneimittelexposition des Kindes.

Instrumente zur Risikoabschätzung sind also die Anreicherung in der Milch (M/P-Quotient) und die Exposition des Kindes (relative Dosis) (Kasten). Diese beiden Größen ergeben Informationen über die erwartete Konzentration im kindlichen Organismus.

Dazu ein Beispiel: Bei gegebener Trinkmenge eines Säuglings (150 ml/kg Körpergewicht) wird insgesamt wenig Gesamtmenge eines Arzneistoffs über die Muttermilch aufgenommen. Wenn die Konzentration eines Arzneistoffs 10 ng/ml in der Muttermilch beträgt und ein zehn Wochen alter Säugling (5 kg) im Mittel 750 ml trinkt, so liegt die AID bei 0,0075 mg.

Es gibt derzeit keine validen Informationen über den Abbau von Arzneistoffen im kindlichen Organismus. Relevant für den Metabolismus bei der Mutter ist die Halbwertszeit. Ein therapeutisches Drug Monitoring beim Kind ist geeignet, um die Konzentration des Arzneistoffs im Plasma des Kindes zu bestimmen.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa