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Postpartale Depression

Den Seelenschmerz zügig behandeln

Viele Frauen kennen den »Baby Blues« nach der Geburt ihres Kindes. Etwa 10 bis 15 Prozent erkranken postpartal an einer Depression. Das hat weitreichende Folgen für Mutter und Kind. Je nach Schwere der Depression sind rasche Psycho- und Pharmakotherapie sowie soziale Unterstützung nötig.
Martina Hahn
Sibylle C. Roll
26.07.2020  08:00 Uhr

Symptome und langfristige Folgen

Ab einer Symptomdauer von zwei Wochen und bei einem Beginn innerhalb von vier Wochen nach der Entbindung spricht man von einer postpartalen Depression. Die Diagnosekriterien unterscheiden sich nicht von denen anderer Depressionen und sind im ICD-10 auch nicht gesondert spezifiziert (Kasten).

Viele Frauen berichten von einer starken Antriebsschwäche (»Energielosigkeit«), Lustlosigkeit, Gefühlsleere und häufigem Weinen. Auch Konzentrations-, Appetit- und Schlafstörungen sowie Kopfschmerzen, Schwindel, Herz- und andere psychosomatische Beschwerden werden häufig genannt. Zudem kann es zu Ängsten, starker Reizbarkeit, Panikattacken oder Zwangsgedanken (zwanghafte destruktive Vorstellungen und Bilder, zum Beispiel dem Kind etwas anzutun) kommen.

Als besonders belastend empfinden viele Frauen die zwiespältigen Gefühle gegenüber ihrem Kind, die sie sich selbst gar nicht erklären können. Oft haben sie das Gefühl, ihr Kind nicht richtig lieben und seinen Bedürfnissen nicht gerecht werden zu können, und sagen: »Alle freuen sich über das Kind, nur ich nicht.« Sie glauben, eine schlechte Mutter zu sein, und fühlen sich mit ihrer Situation hoffnungslos überfordert. Im Extremfall können die damit verbundenen Schuldgefühle und der Leidensdruck so stark werden, dass die Frauen sogar darüber nachdenken, ihrem Leben ein Ende zu setzen. »Das Kind ist besser dran ohne mich.« Versuchen sie, ihr Kind mitzunehmen, spricht man von einem »erweiterten Suizid«. 89 Prozent der Patientinnen haben Suizidgedanken und 39 Prozent unternehmen einen Suizidversuch.

Depressive Mütter kommunizieren verbal und visuell weniger mit ihren Säuglingen. Bei den Kindern sind Schlaf- und Stillprobleme, Vermeidungsverhalten mit Abwendung des Blicks und des Körpers, verringerte Affektregulation sowie Fütter- und Gedeihstörungen häufiger als bei einer Vergleichsgruppe (8). Je schneller der Mutter geholfen wird, desto besser geht es den Kindern im Alter von einem bis zwei Jahren (9).

Langfristig sind ein unsicherer Bindungsstil und bis in die Pubertät hinein verminderte kognitive, emotionale, verbale und soziale Fähigkeiten bei den Kindern zu beobachten (10). Noch bei 16-Jährigen war das Risiko für eine eigene affektive Erkrankung vierfach erhöht, wenn die Mutter von einer postpartalen Depression betroffen war (11). Eine schnelle Behandlung der Frau kann das Kind vor langfristigen Folgen schützen.

Zur Erkennung von postpartalen Depressionen hat sich insbesondere die Edinburgh Postnatal Depression Scale (EPDS-Skala) bewährt, die auch auf Deutsch verfügbar ist (12). Die Patientin füllt den Fragebogen aus, und die Summe der Punkte ergibt einen Hinweis auf eine postpartale Depression. Niederschwelliger kann man ein Risiko auch mit zwei Fragen detektieren:

  • Fühlten Sie sich im letzten Monat häufiger niedergeschlagen, traurig, bedrückt oder hoffnungslos?
  • Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun?

Werden beide Fragen bejaht, ist eine klinische Erfassung der formalen Diagnosekriterien erforderlich.

Gynäkologen und Geburtshelfer sollten idealerweise jede Frau nach der Entbindung bei den Untersuchungen nach ihrem psychischen Befinden fragen oder zumindest einen Selbst-Screening-Fragebogen (EPDS) aushändigen. Bei Bedarf und Verdacht wird an den Hausarzt oder einen Psychiater verwiesen. Kurzfristigere Termine sind meist in den Institutsambulanzen psychiatrischer Kliniken möglich, die in der Regel auch psychotherapeutische Hilfen vorhalten.

Schwangerenberatungsstellen bieten eine niederschwellige und meist rasche psychosoziale Unterstützung der Frau bis zum dritten Lebensjahr des Kindes an.

Dennoch bleiben postpartale Depressionen bei vielen Frauen unerkannt und unbehandelt, da es kein flächendeckendes Screening nach jeder Geburt gibt. Zu groß sind oft Scham, Schuldgefühle und Angst, als dass Betroffene aktiv Hilfe suchen. Das kann langfristige Folgen haben. Bei Nichtbehandlung ist mit einer Chronifizierung, einem erhöhten Suizidrisiko und beim Säugling mit Bindungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten sowie Störungen in der emotionalen und kognitiven Entwicklung zu rechnen (1). Eine schnelle Behandlung ist unbedingt erforderlich.

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