Dem IQWiG fehlen immer noch Daten |
Annette Rößler |
10.10.2023 11:00 Uhr |
Bei MS greift das Immunsystem die Myelinscheiden der Nervenzellen an und baut sie ab. Durch den Einsatz von Immunmodulatoren soll das verhindert werden. / Foto: Getty Images/Juan Gärtner/Science Photo Library
Zehn verschiedene Wirkstoffe zur Behandlung von Patienten mit schubförmig remittierender MS (RRMS) hatte das IQWiG im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) miteinander verglichen: Alemtuzumab, Cladribin, Dimethylfumarat, Fingolimod, Natalizumab, Ocrelizumab, Ofatumumab, Ozanimod, Ponesimod und Teriflunomid. Die Fragestellung lautete: Welches ist die beste Therapiestrategie, wenn bei einem Patienten die Erkrankung »trotz vollständiger und angemessener Behandlung mit mindestens einer krankheitsmodifizierenden Therapie« hochaktiv bleibt? Dabei wurden drei Szenarien unterschieden: eine Eskalation, eine Deeskalation und ein Wechsel der Therapie.
Bereits in seinem Vorbericht zu dem Projekt hatte das IQWiG bemängelt, dass es für fundierte Aussagen hierzu allerdings in den meisten Fällen keine ausreichende Datengrundlage sehe. Das Institut konnte lediglich im Wechsel auf Alemtuzumab einen Vorteil gegenüber der Basistherapie mit Interferon-β 1a erkennen sowie für Ofatumumab beziehungsweise Ponesimod einen Hinweis beziehungsweise Anhaltspunkt für einen höheren Nutzen als Teriflunomid.
Jetzt ist der Abschlussbericht erschienen, aber das Problem der unzureichenden Datenlage besteht aus Sicht des IQWiG weiter. »Auch nach dem Stellungnahmeverfahren und der Erörterung liegen zum Vergleich der Wirkstoffe untereinander als Eskalationstherapie zwar für sieben der zehn Wirkstoffe Studiendaten vor, allerdings kaum direkt vergleichende Daten«, teilt das IQWiG mit. Ergebnisse aus direkten Vergleichen gebe es nur für drei Wirkstoffe und diese sind – man ahnt es bereits – dieselben wie im Vorbericht, nämlich Alemtuzumab, Ofatumumab und Ponesimod.
Diese Situation hält das IQWiG für sehr unbefriedigend und konstatiert daher trocken: »Neben den Vorteilen, die drei von zehn Wirkstoffen zeigen, ist der enorme Umfang der Forschungslücken ein weiteres zentrales Ergebnis.« Zwei Hersteller hätten die erforderlichen Unterlagen auch im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens nicht vorgelegt, so IQWiG-Leiter Dr. Thomas Kaiser. Er wünsche sich, dass die Hersteller hierzu gesetzlich verpflichtet werden.
Aus seiner Sicht könnten die vorhandenen Forschungslücken auch durch »ergebnissichere vergleichende Studien, insbesondere registerbasierte randomisierte kontrollierte Studien« geschlossen werden. Auf diese Weise könnten strukturelle Hindernisse wie etwa die Frage der Finanzierung der oft hochpreisigen Studienmedikation oder organisatorische Hürden überwunden werden.