Dem Giftmord auf der Spur |
Jennifer Evans |
22.07.2024 07:00 Uhr |
Inzwischen lassen sich mithilfe forensischer Methoden viele Aussagen vor Gericht widerlegen und Licht in ungeklärte Todesfälle bringen. / © Adobe Stock/fergregory
Das Jahr 1840 stellt einen Wendepunkt in der Mordermittlung dar. Seinerzeit gelang es erstmals, einen Giftmord chemisch nachzuweisen. Überführt wurde damals die Französin Marie Lafarge, die ihren Gatten getötet hatte. Nach der Exhumierung hatte man Arsenreste in dem toten Körper gefunden. Daraufhin landete Lafarge im Gefängnis.
Wer jetzt denkt: Klar, eine Frau mordet mit Gift, der liegt falsch. Diesen Mythos kann Professor Dr. Sven Hartwig nämlich nicht bestätigen, wie er bei seinem Vortrag im Berliner Medizinhistorischen Museum betonte. Der Facharzt für Rechtsmedizin und Pathologie, der vor Kurzem von der Berliner Charité ans Universitätsklinikum Gießen und Marburg gewechselt hat, berichtete über sein Arbeitsfeld der forensischen Toxikologie, das sich zwischen Chemie, Medizin und Recht bewegt. Um ungewissen Todesfällen, Vergiftungen beziehungsweise Drogen- und Medikamentenmissbrauch auf die Spur zu kommen, kommen toxikologische, pharmazeutische oder chemische Verfahren zum Einsatz.
Analysiert werden Gewebeproben von Organen oder Körperflüssigkeiten. Gründe für solche Untersuchungen reichen von Tötungsdelikten über Fahreignungsbegutachtung sowie Erziehungs- und Umgangsrecht für Kinder bis hin zu Arbeitsunfällen, um nur einige Bereiche zu nennen. Vor allem Zivil- und Strafgerichte profitieren von den wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Heute sind laut Hartwig rund 20 Millionen definierte chemische Verbindungen bekannt, die als Gifte zum Einsatz kommen können. Davon seien in etwa 100.000 in praktischer Nutzung. Bei 16.000 handele es sich um Medikamentenwirkstoffe und bei 1500 um Pflanzenschutzmittel. Aufnehmen könne ein Mensch toxische Substanzen grundsätzlich oral, internasal, inhalativ, transdermal, rektal oder als Injektion beziehungsweise über eine lokale Schädigung der Haut.
Die Giftwirkung hängt aber nicht nur von der Dosis ab – sorry, Paracelsus –, sondern auch von der Löslichkeit, Art und Dauer der Exposition gegenüber der Substanz, der Konzentration am Wirkort sowie dem Aufnahmeweg und auch individuellen Faktoren wie Alter, Geschlecht, Gewöhnung und Metabolismus.
Unterschieden wird zudem zwischen einer akuten und einer chronischen Vergiftung. Bei der akuten Form besteht ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Aufnahme und Vergiftung. Das sei etwa bei Kohlenmonoxidvergiftungen, Arzneimittel- oder Drogenüberdosis der Fall, so Hartwig. Von chronischen Formen spricht man hingegen dann, wenn das Gift wiederholt aufgenommen wird, ohne direkte Wirkung. Als Beispiel nennt er Schwermetallvergiftungen.
Darüber hinaus existieren Latenzgifte. Dabei handelt es sich um Substanzen, die ihre volle toxische Wirkung erst nach einer gewissen Latenzzeit entfalten. Darunter fallen nach Angaben des Rechtsmediziners beispielsweise Pilzvergiftungen.