Delgocitinib schließt Therapielücke |
Kerstin A. Gräfe |
29.10.2024 15:00 Uhr |
Patienten mit einem chronischen Handekzem haben häufig einen sehr hohen Leidensdruck. Mit Delgocitinib ist für eine bestimmte Patientengruppe eine neue Therapieoption im Handel. / © Getty Images/Irina Esau
Das Handekzem gehört zu den häufigsten entzündlichen Hauterkrankungen. Fast jeder Zehnte der Gesamtbevölkerung ist betroffen. Bei einer Vielzahl der Betroffenen kann die Erkrankung chronifizieren. Von einem chronischen Handekzem spricht man, wenn die Erkrankung länger als drei Monate anhält oder sie innerhalb eines Jahres mindestens zweimal auftritt. Zu den Leitsymptomen zählen Juckreiz und Schmerzen. Zusätzlich können Symptome wie Erytheme, Schuppung, Bläschen, Ödeme sowie Fissuren an Händen und Handgelenken auftreten.
Zur Therapie stehen topische, physikalische und systemische Optionen zur Verfügung, die gemäß dem Schweregrad der Hautläsionen eingesetzt werden. Topische Glucocorticoide mit niedrigem atrophogenem Potenzial sind laut der S2k-Leitlinie »Diagnostik, Prävention und Therapie des Handekzems« bei leichten und mittelschweren bis schweren Formen Mittel der ersten Wahl. Mit Delgocitinib (Anzupgo® 20 mg/g Creme, Leo Pharma) ist nun eine weitere topische Behandlungsoption im Handel. Zugelassen ist der neue Wirkstoff zur Behandlung von mittelschwerem bis schwerem chronischem Handekzem bei Erwachsenen, bei denen topische Corticoide nicht ausreichen oder nicht geeignet sind.
Delgocitinib ist ein Pan-Januskinase-(JAK-)Inhibitor, der dosisabhängig die Phoshorylierungsaktivität aller vier Mitglieder der JAK-Enzymfamilie hemmt: JAK1, JAK2, JAK3 und Tyrosinkinase 2 (TYK2). Der JAK-STAT-Signalweg spielt eine Schlüsselrolle bei vielen chronisch entzündlichen Erkrankungen, unter anderem beim Handekzem. In menschlichen Zellen konnte gezeigt werden, dass die Hemmung dieses Signalwegs durch Delgocitinib die Signalgebung mehrerer proinflammatorischer Zytokine abschwächt und infolgedessen die Immunantworten und inflammatorischen Reaktionen in Zellen, die für die Pathologie des chronischen Handekzems relevant sind, herunterreguliert werden.
Anzupgo wird zweimal täglich in einem Abstand von etwa zwölf Stunden dünn auf die betroffene Haut der Hände und Gelenke aufgetragen, bis die Haut erscheinungsfrei oder fast erscheinungsfrei ist. Bei erneutem Auftreten der Symptome (beginnender Schub) sollte die zweimal tägliche Behandlung nach Bedarf wiederaufgenommen werden. Ist nach zwölfwöchiger kontinuierlicher Therapie keine Besserung erkennbar, ist die Behandlung abzubrechen.
Unmittelbar vor oder nach Anwendung von Anzupgo sollten keine anderen Topika angewendet werden. Die gleichzeitige Anwendung mit Emollienzien innerhalb von zwei Stunden vor und nach der Anwendung von Delgocitinib wurde nicht untersucht. Der Kontakt mit Augen, Mund und anderen Schleimhäuten ist zu vermeiden.
Bei Patienten, die mit topischen JAK-Hemmern behandelt wurden, wurde über nichtmelanozytären Hautkrebs, vor allem Basalzellkarzinome, berichtet. Daher wird allen Patienten zu einer regelmäßigen Hautuntersuchung der Applikationsstelle geraten, insbesondere jenen mit Risikofaktoren für Hautkrebs.
Als Vorsichtsmaßnahme ist die Anwendung von Anzupgo bei Schwangeren zu vermeiden. In der Stillzeit kann die Creme angewendet werden.
Die Sicherheit und Wirksamkeit von Delgocitinib-Creme wurden in zwei randomisierten, doppelblinden, Vehikel-kontrollierten Phase-III-Studien mit ähnlichem Design (DELTA 1 und DELTA 2) untersucht. Insgesamt nahmen 960 Patienten mit moderatem bis schwerem chronischem Handekzem teil. Sie trugen 16 Wochen lang entweder zweimal täglich Delgocitinib-Creme oder das Vehikel allein auf. Primärer Endpunkt war die globale prüfärztliche Beurteilung des Behandlungserfolgs beim chronischen Handekzem (Investigator’s Global Assessment for chronic hand eczema, IGA-CHE) in Woche 16. Als Behandlungserfolg war ein IGA-CHE-Score von 0 (erscheinungsfrei) oder 1 (fast erscheinungsfrei) mit einer Verbesserung um mindestens zwei Punkte gegenüber dem Ausgangswert definiert.
In beiden Studien erreichten signifikant mehr Patienten der Verumgruppe den primären Endpunkt (DELTA-1: 20 versus 10 Prozent, DELTA-2: 29 versus 7 Prozent). Dabei zeichnete sich der Vorteil der Delgocitinib-Creme bereits nach vier Wochen ab. Auch in den sekundären Endpunkten Juckreiz und Schmerz zeigten sich unter Delgocitinib signifikante Verbesserungen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Reaktionen an der Applikationsstelle (1,0 Prozent).
Patienten, die die DELTA-1- und -2-Studien beendeten, konnten an der DELTA-3-Studie für weitere 36 Wochen teilnehmen. Hier zeigte sich mit Anzupgo eine zu den 16-Wochen-Studienergebnissen vergleichbare Wirksamkeit sowie ein konstantes Sicherheitsprofil. Es wurden nur wenige schwerwiegende unerwünschte Ereignisse berichtet, von denen keines als behandlungsbedingt eingestuft wurde.
Der nächste Januskinase-Hemmer ist im Handel. Das macht mittlerweile zunächst einmal wenig neugierig. Die Tatsache, dass Delgocitinib aber topisch verabreicht wird, macht diesen neuen Wirkstoff dann schon interessanter. Klar: Mit dem Ruxolitinib-haltigen Opzelura® gibt es bereits ein Topikum mit einem JAK-Hemmer. Dennoch kann Delgocitinib vorläufig als Sprunginnovation betrachtet werden.
Zum einen ist es der erste topische Pan-JAK-Inhibitor auf dem Markt. Alle vier Mitglieder der JAK-Familie werden gehemmt. Dadurch wird der JAK-STAT-Signalweg unterbrochen und die Expression proinflammatorischer Gene wird gehemmt.
Zum anderen schließt Delgocitinib eine Therapielücke beim chronischen Handekzem. Bislang standen nämlich keine topischen Therapien zur Verfügung, die spezifisch zugelassen waren für Erwachsene mit mittelschwerem bis schwerem chronischen Handekzem, bei denen topische Glucocorticoide unzureichend wirksam oder nicht geeignet sind.
Dies hat sich mit Delgocitinib nun geändert. In den Studien DELTA-1 und -2 wurden die primären und sekundären Endpunkte erreicht. Der Hautzustand verbesserte sich im Vergleich zu Placebo signifikant. Hinzu kommt eine schnelle Linderung von Schmerz und Juckreiz. Das bedeutet für Betroffene einen großen Fortschritt. Schließlich wirkt sich ein chronisches Handekzem bei vielen auch auf die Lebensqualität negativ aus.
Die offene Verlängerungsstudie DELTA-3 belegt die Langzeitwirksamkeit. Hervorzuheben ist ferner das gute Sicherheitsprofil – auch in der langfristigen Anwendung. Es kommt nur zu einer minimalen systemischen Exposition und ein Labormonitoring ist nicht vorgeschrieben. Das muss man sicher weiter im Blick behalten und auch die Haut an den Applikationsstellen sollte regelmäßig untersucht werden. Denn bei der Anwendung topischer JAK-Inhibitoren konnten in der Vergangenheit selten bestimmte Hautkrebsformen entdeckt werden, insbesondere Basalzellkarzinome. Daher sollten auch Apotheker bei der Abgabe von Anzupgo® auf diese Untersuchungen zur Sicherheit hinweisen.
Sven Siebenand, Chefredakteur