Debatte um Arzneimittelentwicklung und geistiges Eigentum |
Melanie Höhn |
23.01.2024 16:30 Uhr |
Doch der stellvertretende tschechische Gesundheitsminister Jakub Dvořáček sieht das Ganze laut Medienberichten etwas anders: Seiner Meinung nach gibt es »keine Gleichsetzung« zwischen der Festlegung der Dauer des regulatorischen Datenschutzes und dem Umfang der innovativen Arzneimittelentwicklung in der EU. »Ich stelle die These infrage, dass die Arzneimittelentwicklung und -forschung in Europa von der Dauer des regulatorischen Datenschutzes abhängt«, teilte Dvořáček dem Nachrichtenportal Euractiv mit.
Er betonte, dass sich die Kluft bei den Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen zwischen der EU und den USA in den letzten 15 Jahren trotz des hohen Schutzniveaus, das Europa den Pharmaunternehmen gewährt, erheblich vergrößert hat. »Die Industrie sagt, es sei notwendig, den langen regulatorischen Datenschutz beizubehalten, um sie zu motivieren, die Medikamente in Europa zu entwickeln, aber in Wirklichkeit funktioniert das nicht«, erklärte Dvořáček gegenüber Euractiv. Für ihn liegt das Problem vor allem in der Verfügbarkeit von Risikokapital, das in den USA viel höher sei als in Europa. Ihm zufolge gibt es in den USA viele sogenannte Angel Investors, die bereit sind, die Erforschung innovativer Arzneimittel trotz des Risikos eines möglichen Scheiterns maßgeblich zu unterstützen. Angel Investors beteiligen sich finanziell an Unternehmen und unterstützen dieses durch ihr Know-how und ihre Kontakte. »In Europa fehlt uns dieser Aspekt«, sagt Dvořáček. Dies betreffe nicht nur die Pharmaindustrie, sondern auch andere Sektoren wie die IT-Branche.
Der EU-Pharmavorschlag will laut Dvořáček die Industrie durch Anreize dazu motivieren, Arzneimittel europaweit schneller auf den Markt zu bringen. Wenn das Unternehmen sein Produkt in allen EU-Mitgliedstaaten auf den Markt bringe, soll es zwei zusätzliche Jahre des regulatorischen Datenschutzes erhalten. Die Europäische Kommission wiederum argumentiere, dass ein längerer Schutz für die Markteinführung in allen EU-Staaten die Arzneimittel für die Patienten in ganz Europa deutlich erschwinglicher machen werde.
Laut Dvořáček warten die Mitgliedstaaten passiv auf die Entscheidung der Unternehmen, die Medikamente auf ihren Märkten einzuführen. Der Vorschlag der EU-Kommission wird seiner Ansicht nach den Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden, welche Medikamente sie in ihr Gesundheitssystem aufnehmen wollen. Die Tschechische Republik argumentiert auch, dass die kleineren Mitgliedstaaten besonders von der mangelnden Zugänglichkeit vieler Medikamente betroffen seien.
Zudem erklärte Dvořáček, dass einige Dinge in Bezug auf das Pharma-Paket noch geklärt werden müssten. Er warte auf weitere Details von der Europäischen Kommission, damit die Länder beginnen könnten, sich eingehender mit dem Paket zu befassen. Dvořáček bekräftigte auch, dass bei allen Entscheidungen die Patienten und ihr Zugang zu Arzneimitteln im Auge behalten werden müssten. »Das Pharmapaket ist nicht dazu da, um die Generika- oder Originalindustrie glücklich zu machen«, sagte er gegenüber Euractiv. Die neue Gesetzgebung sei »für die Patienten, und wenn die Industrie dadurch ruhig schlafen kann, ist das nur ein Zufall«.