Das war erst der Anfang |
Christina Hohmann-Jeddi |
15.06.2023 17:40 Uhr |
Apothekerinnen und Apotheker im Gespräch mit Landespolitikern in Erfurt bei einem Informationsstand auf dem Anger. / Foto: PZ/Christina Hohmann-Jeddi
Am 14. Juni, dem bundesweiten Protesttag der Apotheken, blieben in Thüringen viele Apotheken geschlossen. »90 Prozent der Apothekerinnen und Apotheker in Thüringen beteiligten sich an den Protestaktionen in der einen oder anderen Form«, berichtete Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbands. »77 Prozent der Offizinen blieben ganz oder teilweise geschlossen.« Die hohe Beteiligung an den Protestaktionen zeige ihm zum einen, dass die Thüringer Apothekerschaft kampagnenfähig sei und zum anderen, dass der Druck auf den Berufsstand ausgesprochen hoch sei, sagte der ThAV-Vorsitzende in der Mitgliederversammlung der Landesapothekerkammer Thüringen (LAKT), die am 14. Juni in Erfurt stattfand. In der Bevölkerung sei man auf breite Unterstützung und Verständnis gestoßen.
Der Protesttag war laut Fink erst der Anfang einer Protestbewegung zum Erhalt des funktionierenden Systems der Arzneimittelversorgung. Man müsse der Bevölkerung und auch der Politik vermitteln, dass ein Strukturwandel stattfinde, der letztlich zum Aus für das derzeitige Apothekensystem führen könne.
Das Signal scheint in Teilen angekommen zu sein. Die Thüringer Landespolitik zeigte laut einem Bericht der Deutschen Presseagentur (dpa) Verständnis für die protestierenden Pharmazeuten. Politiker aller im Landtag vertretenen Parteien äußerten, deren Probleme müssten ernst genommen werden. »Lieferengpässe, Personalmangel und Verwaltungsaufwand zwingen Apothekerinnen und Apotheker vielerorts in die Knie«, teilte Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) mit. Sie sehe vor allem den Bund gefordert, »die Probleme anzugehen, statt abzuwinken«.
Die Landtagsopposition sieht auch die rot-rot-grüne Landesregierung in der Pflicht, konkret bei der Apothekerausbildung. CDU, FDP und AfD erneuerten ihre Forderungen nach mehr Pharmazie-Studienplätzen an der Universität Jena, der einzigen Apotheker-Ausbildungsstätte in Thüringen. Der FDP-Abgeordnete Robert-Martin Montag plädierte für ein Landesprogramm zum Pharmaziestudium im europäischen Ausland, bei dem das Land in der Regelstudienzeit die Studiengebühren übernehmen soll. Die CDU forderte eine Studienplatzquote für Pharmaziestudierende, die nach ihrem Studium in Jena in Thüringen bleiben.
Das Wissenschaftsministerium verwies darauf, dass Thüringen bereits jetzt über den für das Land erwarteten Bedarf hinaus Pharmazeuten ausbildet. In den kommenden 20 Jahren würden rein rechnerisch mehr als 1500 Pharmaziestudierende ausgebildet, teilte ein Ministeriumssprecher gegenüber dpa mit. Prognosen der Landesapothekerkammer gingen von rund 1000 Apothekerstellen aus, die im gleichen Zeitraum besetzt werden müssten.
Die LAKT widerspricht diesen Zahlen des Ministeriums: In den kommenden 20 Jahren würden zwar 1500 Personen das Pharmaziestudium beginnen. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre würden aber nur 70 Prozent von diesen das Studium auch erfolgreich abschließen. »Diese gut 1000 Absolventen brauchen wir allein in den öffentlichen Apotheken, um die Arzneimittelversorgung in Thüringen zu sichern«, sagte der LAKT-Geschäftsführer Danny Neidel in einer Pressemitteilung der Kammer. Damit wäre der zunehmende Thüringer Bedarf an pharmazeutischem Sachverstand in Krankenhäusern, Wissenschaft, Industrie und Verwaltung noch nicht gedeckt, zumal nicht alle in Jena Studierenden nach dem Abschluss auch in Thüringen blieben.
Die Zahl der Studienplätze in Jena zu erhöhen, ist auch eine der Forderungen, die die Thüringer Apothekerschaft auf dem Protesttag an die Landespolitik gerichtet hat. Die LAKT sieht vor allem die Landespolitik in der Verantwortung, die Qualität der Arzneimittelversorgung in Thüringen zu sichern. Wie gut diese funktioniere, werde in großen Teilen in Erfurt entschieden und nicht auf Bundesebene. Die Thüringer Berufsvertretungen hätten einen 7-Punkte-Plan aufgestellt, in dem Schritte aufgezeigt werden, die auf Landesebene unternommen werden können. »Wir haben bewusst dieses Format gewählt, damit die Landespolitik sich nicht einfach wegducken kann, mit dem Verweis, dass das alles nur in Berlin geregelt werden kann«, so Neidel.