»Das war ein Unding, Herr Lauterbach!« |
Niedersachsens Kammerpräsidentin Cathrin Burs hat sich darüber beschwert, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Apotheker nicht ausreichend angehört habe. / Foto: AK Niedersachsen
Seit etwa dreieinhalb Jahren ist Cathrin Burs, Apothekerin aus Braunschweig, inzwischen Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen. Burs´ Rede zur aktuellen politischen Lage übertrumpfte ihre bisherigen Kammer-Ansprachen in ihrer Deutlichkeit und Emotionalität.
Die Kammerpräsidentin attackierte insbesondere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für seinen apothekenpolitischen Kurs. Die Erhöhung des Kassenabschlages sei ungerecht. »Mit Blick auf unseren unermüdlichen Einsatz während der Pandemie erscheint die Honorarabsenkung wie Hohn«, so Burs. Die loyale und verlässliche Zusammenarbeit mit der Politik bei der Bewältigung der vielen Aufgaben in der Pandemie scheine vergessen.
Burs adressierte den Minister direkt: »Herr Minister, wir sind zutiefst enttäuscht, wir fühlen uns mit unseren Sorgen nicht wahrgenommen. Die Kürzung der Vergütung empfinden wir als Bestrafung, wir sind demoralisiert und demotiviert.«
Doch Burs ist nicht nur inhaltlich enttäuscht wegen der GKV-Sparreform. Sie beschwerte sich auch über das zwischenmenschliche Vorgehen des Ministers. Man habe einen »respektvollen Dialog mit dem Minister« erwartet, um die faire Chance zu bekommen, die Erwartungen der Apothekerschaft einzubringen. »Vielmehr wurde uns der Gesetzentwurf vor die Füße geknallt. (…) Die Berufsvertretung wurde neun Monate lang ignoriert, bis zum Deutschen Apothekertag wurden wir zu keinem Gespräch eingeladen, das war ein Unding, Herr Lauterbach!«
Das Vertrauen der Apothekerschaft in den gemeinsamen Dialog sei erschüttert. Der Minister habe nun eine frühzeitigere Einbindung versprochen, man werde auf dieses Wort setzen, so die Präsidentin.
Burs bedankte sich wiederholt bei den Kammermitarbeiterinnen und -mitarbeitern für den Einsatz in zahlreichen politischen Gesprächen und richtete ihren Dank auch an die Apothekerinnen und Apotheker vor Ort, die Gesprächstermine mit Politikerinnen und Politikern hatten, um die Honorarabsenkung zu vermeiden.
Sie stellte klar, dass das Honorar nicht noch weiter abgesenkt werden dürfe, schließlich befinde sich die Vergütung seit Jahren in »rapider Abwärtsbewegung«. »Es gibt keine vermeintlichen Effizienzreserven!«, so die Präsidentin.
Den Apothekenstreik, der kurz vor Beschluss des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes in vier Bundesländern stattfand, sieht Burs differenziert. Grundsätzlich sei es so, dass die Bevölkerung weniger Verständnis dafür aufbringe, wenn »Besserverdienende« streiken.
Die Komplett-Schließung der Apotheken sei ohnehin keine Option, weil sie »klar rechtswidrig« sei. Ohnehin dürften die Kammern aus rechtlichen Gründen nicht dazu aufrufen. Der zeitlich befristete »Klappendienst« sei allerdings kein Streik, schließlich dürften die Apotheken am Mittwochnachmittag schließen.
Kritisch betrachte sie allerdings die Unterstützung der Streikaktion durch die Kommunikationskampagne der ABDA. Hier sei noch viel Luft nach oben, so die Präsidentin. Man müsse sich beispielsweise fragen, warum viele der kostenlos zur Verfügung gestellten Flyer der ABDA nicht genutzt würden.
Burs warnte die Politik auch davor, bei einer möglichen Strukturreform im kommenden Jahr weitere Einsparungen am Apothekenhonorar vorzunehmen. Nach monatelangen Höchstleistungen während der Pandemie seien die Personalengpässe in den Apotheken inzwischen die Hauptursache für die Frustration in Apotheken. Eine mögliche weitere Honorar-Absenkung würde diese Situation noch verschlechtern. Die Deckelung der 3-Prozent-Marge sei beispielsweise andiskutiert worden, erinnerte Burs. Eine solche Maßnahme wäre absolut »intolerabel«, sagte die Präsidentin.
Umso wichtiger sei es, dass die Apotheken die nun zur Verfügung stehenden pharmazeutischen Dienstleistungen nutzten. »Der Topf mit den 150 Millionen Euro muss ausgeschöpft werden! Wir haben hier die Politik an unserer Seite, die Dienstleistungen sind ein Meilenstein für den Berufsstand. Das sind Leistungen, die nicht durch Großkonzerne ersetzbar sind.«
Burs erinnerte an ein Zitat des Ex-ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt: »Unsere Zukunft wird pharmazeutisch entschieden. Machen Sie mit! Wir werden alles daran setzen, den Topf aufzustocken.«
Auch der Vorsitzende des Landesapothekerverbands, Bernd Groeneveld, meldete sich zu den Dienstleistungen zu Wort und fand noch deutlichere Worte: »Bieten Sie diese Dienstleistungen an – auf Gedeih und Verderb, sonst werden wir mit Politik über Honorarerhöhungen nicht wieder sprechen können.«
Im Anschluss an Burs´ Rede zur politischen Lage stellte Ex-ABDA-Präsident Friedemann Schmidt seine Arbeit im Bundesverband der Freien Berufe (BFB) vor, in dem er Präsident ist.
Schmidt berichtete, dass der BFB mit der Politik derzeit insbesondere über die Auswirkungen der Inflation auf die Freiberufler spreche. Man habe dem Bundeswirtschaftsministerium vermittelt, dass das Gewerbe die gestiegenen Kosten zwar meistens an die Verbraucher weitergeben könne. Regulierte Berufe wie Apotheker, Ärzte oder Anwälte könnten dies allerdings nicht und litten derzeit besonders unter den Kostensteigerungen. Laut einer Umfrage seines Verbandes unter Freiberuflern gaben 25 Prozent der Befragten an, dass sie sehr stark betroffen seien.
Schmidt berichtete auch, dass der Fachkräftemangel alle Freiberufe gleichermaßen treffe. Laut einer BFB-Umfrage fehlen den freien Berufen derzeit rund 46.000 Auszubildende, 236.000 Fachkräfte und 60.000 Freiberufler. Zwei Drittel der Befragten hätten angegeben, dass man Aufträge, Behandlungen oder Mandate schon aufgrund der schwierigen Personalsituation habe ablehnen müssen.
Schmidt stellte auch Daten zu Gründungen in Deutschland vor. Laut dem Institut für Mittelstandsforschung (IfM) hat die Zahl der freiberuflichen Existenzgründungen zwischen 2012 und 2021 über alle Bereiche um 21,4 Prozent abgenommen. Bei den freien Berufen hingegen stieg die Gründungszahl in diesem Zeitraum um 16 Prozent. Schmidt betonte auch, wie wichtig Frauen für die Freien Berufe sind. Knapp 54 Prozent aller freiberuflichen Neugründungen gehe inzwischen auf Gründerinnen zurück.
Der Ex-ABDA-Präsident warb für den Erhalt der freien Berufe. Schmidt erinnerte an die Bundesapothekerordnung, die als Berufsziel der Apotheker die Gesundheit der deutschen Bevölkerung vorsieht. »Die Gemeinwohlbereitschaft ist nicht nur bei Apothekern das Ziel ihrer Arbeit, sondern bei allen freien Berufen. Das ist das Innerste unseres Handelns.«
Freiberuflichkeit heiße zudem, dass man auch die Freiheit anderer ermögliche, beispielsweise durch die Förderung der Gesundheit. »Damit realisieren wir auch unsere eigene Freiheit«, sagte Schmidt in Richtung der niedersächsischen Kammerversammlung.