Das sind die Themen |
Diskussions- und Entscheidungsfreude ist gefragt. In diesem Jahr liegen den Delegierten des Deutschen Apothekertages etwa 60 Anträge zur Beratung vor. / Foto: PZ/Alois Müller
Bei der jährlich im Wechsel in München oder Düsseldorf stattfindenden Großveranstaltung geht es um die Zukunft des Berufsstands. In diesem Jahr beraten mehr als 300 Delegierte aus allen Bundesländern in Düsseldorf in der Hauptversammlung über bis zu 60 Anträge. Das sind nicht einmal halb so viele wie 2022.
Es ist wieder ein Potpourri an Themen, die die Apothekerschaft bewegen. Insgesamt sind die Anträge in vier große Themenblöcke eingeteilt:
Der letztgenannte Block nimmt dabei mit 36 Anträgen den meisten Raum ein. Aber auch die Sicherstellung der Versorgung hat mit 13 Anträgen einen gewichtigen Platz in der Antragsberatung. Angesichts der omnipräsenten Lieferengpass-Problematik drehen sich zahlreiche Forderungen um eine Verbesserung der aktuellen Situation in den Apotheken mit dem Ziel, die Patienten besser versorgen zu können.
Zwar sind mit dem Lieferengpass-Gesetz (ALBVVG) seit dem 1. August erweiterte Austauschregeln in Kraft. Aber diese gehen den Apothekern für eine effiziente und unbürokratische Versorgung der Patienten nicht weit genug. Angesichts der eklatanten Versorgungsprobleme im vergangenen Herbst, als Fiebersäfte und Antibiotika für Kinder Mangelware waren, pochen sie bei Lieferengpässen von versorgungskritischen Wirkstoffen auf mehr Flexibilität.
In einem Leitantrag, der diesbezügliche Anträge von Apothekerkammer (AK) und -verein (AV) des Saarlands sowie der Kammern Westfalen-Lippe und Nordrhein bündelt, fordert die Hauptversammlung den Gesetzgeber auf, bei der Flexibilisierung nachzulegen, um die Arzneimittelversorgung gewährleisten zu können. So soll es Apotheken etwa grundsätzlich erlaubt sein, Defekturen aus anderen Darreichungsformen herzustellen. Aktuell dürfen Apotheken Rezepturen nur auf Vorrat herstellen, wenn Ärzte diese häufig verordnen, also der Apotheke häufig entsprechende Rezepte vorliegen (Defekturprivileg). Gerade bei nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wie Fiebersäften bedeuteten die Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung (§ 8 ApBetrO), dass versorgungsrelevante Arzneimittel nicht auf Vorrat als Defektur hergestellt werden dürfen. Dies sei der Versorgungssicherheit abträglich, so die Kritik.
Patienten umfassend beraten und gut mit Arzneimitteln versorgen: Das wollen die Apotheker – nicht mehr und nicht weniger. / Foto: Adobe Stock/Peter Atkins
Auch sollen Apotheken sich bei Bedarf in Zukunft regulär gegenseitig mit Defekturen und Rezepturen aushelfen dürfen. Bislang ist dies nur in Notfällen patientenindividuell möglich.
Zudem wollen Apotheken bei Nichtverfügbarkeit von Fertigarzneimitteln den verordneten Wirkstoff in einer anderen Darreichungsform an den Versicherten abgeben dürfen oder durch ein Rezeptur- oder Defekturarzneimittel austauschen. Und last, but not least fordern die Apotheker eine Aufhebung der Mengenbegrenzung für die Bevorratung mit importierten, nicht zugelassenen Medikamenten.
Zumindest für Kinderarzneimittel bewegte sich inzwischen etwas. Mitte September stellte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gemeinsam mit Vertretern der Ärzte- und der Apothekerschaft einen Fünf-Punkte-Plan vor, mit dem Lieferengpässe im kommenden Herbst verhindert werden sollen. Der Plan sieht für die Apotheken unter anderem vor, dass die sogenannte Dringlichkeitsliste erweitert und der Austausch erleichtert wird.
So soll eine Retaxation für die Herstellung von Rezepturen und beim Austausch der Darreichungsform bei einigen Kinderarzneimitteln ausgeschlossen werden. Zudem soll der Austausch der Arzneiform ohne Rücksprache mit dem Arzt möglich sein. Diese Regelungen gelten zunächst nur für wenige Arzneimittel; ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening rang dem Minister aber das Versprechen ab, die Austauschregeln insgesamt zu erweitern und zu verstetigen.
Darüber hinaus wollen die Apotheker mehr pharmazeutische Freiheit, um Patienten in Not- oder Akutsituationen besser und direkt versorgen zu können. Dazu soll der Gesetzgeber eine Aut-simile-Regelung erlassen, die es den Apotheken ohne Rücksprache mit dem Arzt erlaubt, in dringenden Fällen ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Medikament abzugeben, wenn das verordnete Präparat nicht lieferbar ist. So heißt es in dem Leitantrag des AV Nordrhein sowie der Berufsorganisationen Hamburg und Schleswig-Holstein.
Foto: Adobe Stock/Glamourpixel
Die Novellierung der Approbationsordnung für das Pharmaziestudium ist schon seit Jahren Thema beim DAT. Ein mit vielen Beteiligten ausgearbeitetes Positionspapier hatte die Bundesapothekerkammer (BAK) vor genau einem Jahr an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach übergeben – mit der Bitte, das Novellierungsverfahren einzuleiten. »Um den politischen Prozess zu beschleunigen, wird der geschäftsführende Vorstand der BAK aufgefordert, einen strukturierten Strategieplan zur Umsetzung bis zur Novellierung zu erstellen«, schreibt die AK Berlin in einer Antragsbegründung.
Laut aktuellem Entwurf soll die Famulatur von acht auf vier Wochen verkürzt werden. Dagegen stellt die Landesapothekerkammer Thüringen einen Antrag. Die Famulatur sei der Teil des Grundstudiums mit dem größten Praxisbezug. Die drastische Kürzung schränke die Chance einer frühen Bindung zwischen Studierenden und Berufsausübenden ein. Statt zu kürzen, solle es ermöglicht werden, einen Teil der Famulatur schon vor dem ersten Semester zu leisten.
Zudem soll die rechtliche Lücke zwischen Ende des Pharmaziepraktikums und Erteilung der Approbation geschlossen werden. Denn in dieser Zeitspanne gehören die eigentlich fertigen Pharmazeuten im Praktikum (PhiP) gemäß Apothekenbetriebsordnung nicht mehr eindeutig zum pharmazeutischen Personal. So soll auch die Möglichkeit geschaffen werden, sich über das Versorgungswerk abzusichern.
Schwierig ist die finanzielle Situation von PTA-Schülern. Die saarländischen Berufsorganisationen fordern daher eine staatlich finanzierte Ausbildungsvergütung für PTA-Auszubildende während ihrer Schulzeit. Die Ausbildung müsse angesichts des eklatanten Personalmangels deutlich attraktiver werden. Die Vergütung könnten die Apotheken jedoch nicht selbst leisten.
Ein weiterer Fokus der Antragsberatung liegt auf Themen zur Digitalisierung.
Mit Blick auf die ab 2024 verpflichtende Umstellung auf die elektronische Verordnung und die damit an Fahrt gewinnenden Plattformangebote von EU-Versendern fordert der geschäftsführende ABDA-Vorstand in einem Antrag einen verantwortlichen Umgang »bei der Transformation analoger Prozesse«. Dabei hat die ABDA insbesondere telemedizinisch erstellte Rezepte im Blick, die über manche Plattformen mit dem Arzneimittelversand gekoppelt werden.
Mit dem E-Rezept in die Apotheke der eigenen Wahl / Foto: ABDA
Bei diesen Modellen wie auch allgemein im Rahmen des Plattformvertriebs seien vermehrt Verstöße gegen ordnungsrechtliche Vorgaben zu beobachten. Hier solle der Gesetzgeber handeln. Angesichts der »Goldgräberstimmung seitens der Anbieter solcher oder ähnlicher digitaler Modelle« gelte es, die Apotheke vor Ort zu stärken, um Patienten auch weiterhin sicher, wohnortnah und flächendeckend versorgen zu können, heißt es in dem Antrag. Es sei Aufgabe und Verpflichtung des Staates, das Primat der öffentlichen Apotheken vor Ort in Abgrenzung zum Versandhandel sicherzustellen und zu unterstützen, um für eine optimale Arzneimittelversorgung Sorge zu tragen. Der Staat habe dabei auch einer Trivialisierung des Arzneimittels entgegenzuwirken, die zwangsläufig entstehe, wenn es beispielsweise durch Versandhandel, Plattformökonomien und Preisdumping von einem beliebigen Konsumgut nicht mehr unterscheidbar sei. Bei bestimmten Internetanbietern und Plattformen könne der Patient durch simples Anklicken einiger Fragen ohne eingehende Einzelfallprüfung sowohl eine ärztliche Verschreibung als auch das entsprechende Arzneimittel anfordern. Dies gefährde den Schutzgedanken für die Gesundheit der einzelnen Patienten, der die Verschreibungs- und Apothekenpflicht rechtfertigt, konstatieren die Antragsteller des »Transformationsantrags«.
Gegen eine zunehmende Bagatellisierung von Arzneimitteln richtet sich auch ein Antrag der Landesapothekerkammer (LAK) Hessen. Sie fordert eine Überarbeitung des Heilmittelwerbegesetzes, um die Regelungen an moderne Werbeformate wie Plattformen und soziale Medien anzupassen.
Ein weiterer Antrag der AK Berlin fordert eine klare Abgrenzung der Kompetenzen von Heilberuflern und Krankenkassen. Im Zuge anstehender Digitalisierungsgesetze werde augenscheinlich das Ziel einer Versorgungssteuerung durch die Kassen verfolgt, so die Kritik. Sie bezieht sich dabei auf die Regierungsentwürfe zum Digitalgesetz und zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG). Darin ist vorgesehen, dass Krankenkassen immanente Aufgaben der Heilberufler, etwa Arzneimitteltherapiesicherheits-Prüfungen (AMTS-Prüfungen), »technisch in Absprache mit dem Versicherten dirigieren können«, schreibt die Kammer. Das geht den Berliner Apothekern zu weit. Sie fordern eine klare gesetzliche Abgrenzung: »Gesetzlich fixierte Aufgaben der Apotheken dürfen nicht in Zukunft durch Einflussnahme der Krankenkassen übernommen oder konterkariert werden.«
Der größte Antragsblock ist unter der Überschrift »Rahmenbedingungen der Berufsausübung« zu finden. Seit Langem kämpft die Apothekerschaft schon für eine wirtschaftliche Stabilisierung der Vor-Ort-Apotheken und damit auch für eine bessere Honorierung. Um sich politisch Gehör zu verschaffen, hatte die ABDA am 14. Juni zu einem bundesweiten Protesttag aufgerufen. Seitdem läuft eine politische Protestkampagne, unlängst etwa eine Postkartenaktion, die Patienten als Testimonials eingebunden hat.
Entsprechend nachdrücklich wollen die Apotheker das Thema in Düsseldorf aufs Tableau bringen. In einem gemeinsamen Leitantrag fordern der geschäftsführende ABDA-Vorstand sowie AK und AV des Saarlandes den Gesetzgeber auf, »die lange überfällige und dringend notwendige Erhöhung des Apothekenhonorars vorzunehmen«. Das Fixum sei von 8,35 auf 12 Euro netto anzupassen und überdies automatisch zu dynamisieren, ohne dass es gesonderter Maßnahmen des Gesetz- oder Verordnungsgebers bedarf – ein Appell, der auch im ABDA-Forderungskatalog in diesem Frühjahr festgehalten ist und schon länger zum festen Kanon gehört, bislang aber politisch abgeschmettert wurde.
Die Apotheker fordern beim DAT eine deutliche Anhebung des Fixhonorars und die Absenkung des Kassenabschlags. / Foto: Adobe Stock/gopixa
Die Forderung nach einem höheren Honorar für die Abgabe von Rx-Medikamenten sei mit dem seit Jahren wachsenden Kostendruck auf Apotheken zu begründen, argumentieren die Antragsteller. »Demgegenüber steht ein Apothekenhonorar, welches seit nun zehn Jahren nicht mehr angepasst wurde und somit völlig entkoppelt von jeglichen wirtschaftlichen Entwicklungen ist.« Die überbordende Bürokratie tue ein Übriges. Das jetzige Fixum könne höhere Kosten nicht auffangen. Der mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz von 1,77 brutto auf 2 Euro erhöhte Kassenabschlag trage obendrein zu einer De-facto-Honorarkürzung bei. Er soll auf 1,48 Euro netto festgeschrieben werden.
Dies alles belaste die wirtschaftliche Lage der Apotheken. Um die Situation nicht noch weiter zu verschärfen – Stichwort Apothekensterben, Personalmangel, Verunsicherung des pharmazeutischen Nachwuchses –, brauche es endlich verlässliche politische Rahmenbedingungen. »Nur wenn die Wirtschaftlichkeit der Apotheke sichergestellt ist, kann die Versorgung mit Arzneimitteln durch inhabergeführte Apotheken zukunftssicher aufgestellt werden.«
Neben der Anhebung des Fixums sollen nach dem Willen der Apotheker auch einzelne pharmazeutische Leistungen besser beziehungsweise überhaupt vergütet werden. Die LAK Hessen fordert, Präventionsmaßnahmen stärker finanziell und strukturell zu fördern »und dabei die Apotheken einzubinden und angemessen zu honorieren«. Diese unterstützten schon jetzt Präventionsmaßnahmen, etwa durch die Beratung zu Ernährung und Bewegung. Prävention zu fördern, könne perspektivisch hohe Folgekosten für medizinische Behandlung, Arzneimittel und Ausfall von Produktivität verhindern.
Auch die Abgabe von Arzneimitteln, »die einen erhöhten Aufwand in der Beschaffung, Beratung et cetera erfordern«, soll gesondert vergütet werden, fordert der AV Nordrhein in einem Antrag. Dies könne durch eine Honorarerhöhung der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) geschehen oder indem eine gesonderte kostendeckende Servicegebühr festgelegt werde.
Ist das verordnete Medikament kompliziert zu beschaffen? Dann soll es dafür eine extra Vergütung geben. / Foto: Adobe Stock/contrastwerkstatt
Um einen erhöhten Aufwand und dessen Honorierung geht es auch der LAK Baden-Württemberg in zwei Anträgen. Zum einen fordert sie, dass die Apotheken am Einsparvolumen partizipieren, das den Kassen durch die von den Apotheken umgesetzten Rabattverträge gewährt wird. Denn die Apotheken hätten den gesamten technisch-administrativen Aufwand zur Umsetzung der Verträge zu leisten und daraus resultierende Retaxationsrisiken zu tragen. Der Umsetzungsaufwand und daraus resultierende Personal- und Sachkosten würden aber nicht erstattet. Ein »krasses Missverhältnis«, finden die Antragsteller und fordern, dass die Apotheken am Einsparvolumen beteiligt werden.
Ebenso solle der apothekerliche Aufwand für den Einzug der Zuzahlungen honoriert werden. Zur Begründung heißt es: Die Krankenkassen sparten durch die Zuzahlungen, die von Apotheken eingezogen werden müssen, mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr, Tendenz steigend, »während der mit der Einziehung der Beträge im Apothekenalltag verbundene und aktuell nicht vergütete Aufwand (etwa Klärung des Zuzahlungsstatus, Rücksprache mit Arzt oder Krankenkasse, Korrektur, Einzug bei Heimpatienten und Rechnungskunden, schriftliche Zahlungsaufforderungen und Maßnahmen bei Zuzahlungsverweigerung et cetera) ausschließlich in den Apotheken entsteht«.
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Auch wenn sie noch nicht in allen Apotheken angeboten werden: Die Apotheken wünschen sich perspektivisch eine Ausweitung von Dienstleistungen jenseits der Arzneimittelabgabe. So sollen sie als feste Partner in die nationale Impfstrategie integriert werden (mit fairen und verlässlichen Regelungen), fordert die Kammer Berlin.
In einem weiteren Antrag fordern die Berliner Apotheken, ihr Impfangebot ausweiten und neben den Schutzimpfungen gegen Grippe und Covid-19 schrittweise zum Beispiel auch gegen FSME, Hepatitis, Tetanus, Diphtherie, Polio, Pertussis und Gürtelrose impfen zu dürfen. Damit sollen die Impfquoten erhöht und das Impfen in der Apotheke von einem saisonalen Geschäft im Herbst zu einem ganzjährigen niederschwelligen Angebot werden.
Zudem fordert die AK Berlin, mehr honorierte pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) im Bereich Prävention zu entwickeln. Denkbar sind beispielsweise Impfpass-Checks und reisemedizinische Beratungen. Weitere Anträge zu den pDL liegen nicht vor.
Dafür befasst sich ein Antrag von LAK und LAV Baden-Württemberg mit einer Ausweitung der Testmöglichkeiten mit In-vitro-Diagnostika. Apotheken sollen neben den Coronatests auch Schnelltests auf andere Erreger wie Influenzaviren, RSV oder Streptokokken anbieten dürfen. Das könnte eine schnelle Therapieentscheidung des Arztes vereinfachen, zum Beispiel ob ein Antibiotikum nötig sei, argumentieren die Antragsteller.
Zu guten »Rahmenbedingungen des Berufsalltags« gehört nicht nur die angemessene Bezahlung, sondern auch ein möglichst reibungsloser Ablauf im Apothekenalltag. Den stört bekanntlich nachhaltig das Damoklesschwert der Retaxationen. Viele Apotheker kritisieren hier eine Willkür der Krankenkassen und pochen schon lange auf Regelungsreformen.
Beim DAT liegt ein Antrag von AK und AV des Saarlandes vor, dass die Apotheker Retaxationen im Nachgang per Einspruchsverfahren heilen und damit einen Zahlungsanspruch gegenüber der jeweiligen Kasse auslösen können. Zwar erfüllten Abgabe- und/oder Abrechnungsvorschriften einen legitimen Zweck, heißt es in der Antragsbegründung. Die Krankenkassen »missbrauchten« Verstöße aber dazu, die Bezahlung von Rezepten zu verweigern, »obwohl die jeweilige Apotheke ihrer gesetzlichen Leistungspflicht nachgekommen ist«.
Endlich raus aus dem Krankenhaus: Der Patient ist glücklich und hat hoffentlich ein korrekt ausgefülltes Rezept dabei. / Foto: Getty Images/PonyWang
Auch der Berliner Apotheker-Verein und der Apotheker-Verband Berlin (BAV) wollen das Thema Retaxationen in Düsseldorf auf den Tisch bringen. Konkret geht es ihnen um die Retaxgefahr beim Entlassmanagement. Ausstellende Ärzte würden immer wieder von den Regelungen abweichen, die GKV-Spitzenverband, Kassenärztliche Bundesvereinigung und Deutsche Krankenhausgesellschaft in einem Rahmenvertrag festgeschrieben hätten, heißt es in der Begründung. Hinzu kommt, dass die Regelungen für ausstellende Ärzte und für Apotheken seit Kurzem teils voneinander abweichen, was Entlassrezepte zu riskanten Retaxfallen macht. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) wies bereits auf die Notlösung hin, diese unter bestimmten Voraussetzungen als Privatrezepte zu behandeln.
In Düsseldorf soll das Problem nun aus der Welt geschafft werden. Die Antragsteller fordern, dass Formvorgaben, die sich an die ausstellenden Ärzte richten, von den Kassen nicht zum Anlass für Retaxierungen genommen werden dürfen. Zudem dürften Apotheken von Krankenkassen nicht verpflichtet werden, fehlende Angaben oder offensichtliche Abweichungen von Formvorgaben des Rahmenvertrags (nach § 39 Absatz1a SGBV) auf Entlassrezepten vor der Versorgung und/oder Abrechnung zu ergänzen oder zu korrigieren.
Um eine Ausweitung der Botendienstpauschale geht es dem Thüringer Apothekerverband und der AK Berlin. Zwar sei mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) von 2020 die Botendienstvergütung in die Regelvergütung der Apotheken übergegangen, jedoch gelte diese Regelung nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Doch auch andere verordnungs- und erstattungsfähige Mittel, etwa nicht-verschreibungspflichtige (Kinder-)Arzneimittel, Verbandmaterialien, Medizinprodukte oder Ernährungslösungen, müssten gegebenenfalls ausgeliefert werden. Daher sei die Botendienstpauschale »auf alle erstattungsfähigen Mittel, die durch die Apotheken auf Kassenrezept (GKV) abgegeben werden, auszuweiten«. Diese finanzielle Unterstützung sei zudem regelmäßig zu dynamisieren.
Auch die Hilfsmittelversorgung ist Gegenstand eines Leitantrags. Diese ist bislang für die Apotheken mit einem extrem hohen Maß an bürokratischem Ballast verbunden. Zwar wurde die dafür notwendige Präqualifizierung mit dem ALBVVG teilweise abgeschafft, aber noch verhandeln der GKV-Spitzenverband und der DAV über entsprechende Regularien.
Guter Service der Vor-Ort-Apotheke: Medikamente plus Beratung bis nach Hause / Foto: ABDA
Neben der Präqualifizierung erschwert auch ein bundesweit undurchsichtiges Vertragsdickicht die Hilfsmittelversorgung der Patienten. Ein Flickenteppich aus Einzelverträgen auf Landesebene, diverse Gemeinschaftsunternehmen und kasseneigene Verträge machen die Abgabe von Inhalatoren, Diabetikerbedarf, Inkontinenzhilfen und Co. tagtäglich in den Apotheken zu einem bürokratischen Kraftakt.
Der Ruf nach einem bundeseinheitlich geltenden Vertrag zur Hilfsmittelversorgung ist daher Gegenstand eines Leitantrags des Saarländischen AV, von LAK und LAV Baden-Württemberg sowie einiger Einzelpersonen. Die Regierung soll entsprechende gesetzliche Grundlagen dafür schaffen. Konkret sollen GKV-Spitzenverband und DAV verpflichtet werden, »einen für alle gesetzlichen Krankenkassen geltenden Hilfsmittelversorgungsvertrag zu verhandeln, der bundesweit Geltung beansprucht und eine unbürokratische und für die Apotheken auskömmliche Versorgung der Bevölkerung mit Hilfsmitteln ermöglicht«.
Darin solle eine einheitliche, offene und kostenfreie Schnittstelle für die Abwicklung des elektronischen Kostenvoranschlags in der Hilfsmittelversorgung enthalten sein. Um die unmittelbare Anwendung der Arzneimittel zu ermöglichen, fordern die Apotheken »eine prinzipielle Genehmigungsfreiheit bei der Versorgung mit Hilfsmitteln, die für die Anwendung von ärztlich verordneten Arzneimitteln erforderlich sind«. Sprich: Die bislang erforderliche Abwicklung eines Kostenvoranschlags zwischen Apotheken und Kassen soll entfallen.
Neben vielen teilweise heiß diskutierten Themen sprechen einige wenige Anträge auch spezifische Probleme an. So bezieht sich ein Antrag von LAK und LAV Baden-Württemberg auf die Lagerung von Betäubungsmitteln (BtM). Darin wird das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgefordert, die Anforderungen an die Lagerhaltung von Betäubungsmitteln in öffentlichen Apotheken neu zu bewerten und die sicherungstechnischen Grundlagen für die Einlagerung von BtM-Fertigarzneimitteln in Kommissionierautomaten zu schaffen.
Nach den Richtlinien der Bundesopiumstelle des BfArM müssen diese Medikamente in zertifizierten Wertschutzschränken gelagert werden, um den Zugriff durch unbefugte Dritte zu verhindern. »Die Richtlinie ist überkommen. Sie wird dem aktuellen Stand der Technik hinsichtlich technisch organisatorischer Möglichkeiten und Sicherungsmaßnahmen zur Einlagerung von BtM sowie den hieraus resultierenden praktischen Bedürfnissen nicht mehr gerecht«, so die Kritik. Aufgrund der computergestützten und elektronisch überwachten Lagersystematik biete ein Kommissionierer letztlich eine höhere Sicherheit als die konzentrierte Lagerung in den klassischen Tresoren. »Eine entsprechende Regelung würde den Umgang mit BtM-Arzneimitteln im Apothekenalltag erheblich erleichtern«, heißt es.
Und auch ein Antrag des AV Westfalen-Lippe zielt ab auf eine Erleichterung im Arbeitsalltag und die Vermeidung von »umfassenden bürokratischen Auswüchsen«. Dabei geht es um die Versorgung mit sogenannten autologen Serumaugentropfen, also Augentropfen, die spezialisierte Blutspendedienste aus dem Blutserum eines Patienten herstellen. Der Gesetzgeber soll für die Versorgung einen umfassenden Regelungsrahmen schaffen, denn bislang gibt es anscheinend keine allgemeingültigen Vorgaben, sondern nur einen Wirrwarr an Einzellösungen auf allen Versorgungsstufen. Auch das ist Apothekenalltag. Und auch das ist Apothekertag.
Cornelia Dölger ist Redakteurin im Ressort Politik/Wirtschaft der Pharmazeutischen Zeitung. Sie studierte Germanistik und Politikwissenschaften in Münster, volontierte bei der Neuen Osnabrücker Zeitung und arbeitete dort als Politikredakteurin. 2015 stieg sie bei der Pharmazeutische Zeitung ein.
Daniela Hüttemann studierte Pharmazie an der Philipps-Universität in Marburg. Einen Teil ihres praktischen Jahres forschte sie an der medizinischen Fakultät der National University of Singapore. 2007 erhielt sie die Approbation und begann ein Volontariat bei der PZ. Seit 2008 ist sie Redaktionsmitglied und beschäftigt sich besonders mit neuen Themen für die Apothekerschaft, ob pharmazeutische Dienstleistungen, DiGA oder Gentherapien.
Ev Tebroke studierte Kommunikationswissenschaften und Nordamerikastudien an der FU Berlin. Als Journalistin arbeitete sie im Bereich TV, Hörfunk sowie für diverse Zeitungen und Onlinemedien, unter anderem als Redakteurin und Blattmacherin für die Zeitungen »Welt« und »Welt am Sonntag«. 2012 stieg sie bei der PZ als Redakteurin im Ressort Politik/Wirtschaft ein. Seit 2021 ist sie die verantwortliche Redakteurin.