Das sind die ersten Reaktionen zum Digital-Gesetz |
Der elektronische Medikationsplan soll künftig Teil der elektronischen Patientenakte werden. / Foto: picture alliance / Westend61
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat den Referentenentwurf eines »Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens«, kurz »Digital-Gesetz«, am gestrigen Donnerstag an die Verbände im Gesundheitswesen geschickt. Diese haben nun bis zum 2. August Zeit, dazu Stellung zu nehmen. Erste Reaktionen gab es bereits. Die PZ berichtete bereits ausführlich über den Entwurf. Viele Regelungen betreffen Apotheken.
Mit dem Gesetz will das BMG vor allem die Nutzung der elektronischen Patientenakte (EPA) und des E-Rezepts vorantreiben. So sollen elektronische Verordnungen ab 2024 Pflicht werden. Die Krankenkassen sollen künftig eigene E-Rezept-Apps anbieten dürfen. Auch digitale Gesundheitsanwendungen sollen besser für die Versorgung nutzbar gemacht, die Interoperabilität verbessert und Telemedizin ausgebaut werden.
Um Hürden bei der Nutzung der EPA zu beseitigen und eine weitere Verbreitung zu erreichen, ist laut Entwurf ein Umbau der EPA zu einer »Opt-Out«-Anwendung geplant. Patienten erhalten dabei die EPA automatisch, wenn sie nicht aktiv widersprechen. Ziel ist demnach die »vollumfängliche, weitestgehend automatisiert laufende Befüllung der EPA mit strukturierten Daten«, heißt es im Entwurf. Als erstes soll der digital gestützte Medikationsplan in die Anwendung kommen. Dieser soll in Zukunft nicht mehr auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert sein, sondern Teil der EPA werden.
Laut Entwurf sollen Ärztinnen und Ärzte verpflichtet werden, Patientinnen und Patienten einen elektronischen Medikationsplan (EMP) auszustellen. Apothekerinnen und Apotheker erhalten demnach die Pflicht, den Plan zu aktualisieren – immer vorausgesetzt, dass die Patienten nicht aktiv widersprochen haben.
Das E-Rezept soll besser nutzbar und ab 1. Januar 2024 verpflichtend eingeführt werden. Um das zu erreichen, soll es zukünftig möglich sein, die E-Rezept-App der Gematik auch mittels der EPA-Apps zu nutzen. Die Krankenkassen sollen zudem eigene E-Rezept-Apps anbieten können. Des Weiteren wird ermöglicht, digitale Identitäten, NFC-fähige elektronische Gesundheitskarten (EGK) sowie dazugehörige PINs aus der E-Rezept-App heraus zu beantragen, heißt es im Entwurf.
Der Gesetzentwurf sieht auch vor, dass Patienten künftig Anspruch auf die neue Leistung »assistierte Telemedizin« haben. Apotheken können diese Leistung anbieten, müssen es aber nicht. Dabei sollen die Teams die Versicherten vor allem unterstützen, ambulante telemedizinische Leistungen zu nutzen und sie vor Ort anleiten, wenn sie diese in Anspruch nehmen möchten.
Aber auch einfache medizinischer Routineaufgaben sollen sie anlässlich einer telemedizinischen Leistung, beispielsweise einer Videosprechstunde, erbringen können. Details zu diesem Angebot und zur Vergütung der neuen Leistung sollen der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband vereinbaren.
Einige Verbände äußerten sich bereits zum Gesetzentwurf. Laut Techniker Krankenkasse ist das Gesetz ein »wichtiger Push für die elektronische Patientenakte und das E-Rezept«, teilte die Kasse am heutigen Freitag mit. Entscheidend sei, dass die Änderungen schnell umgesetzt würden. Die EPA werde nur Einzug in den Praxisalltag finden, wenn die Akte nicht leer bleibe. »Deshalb müssen alle Akteure im Gesundheitswesen dazu verpflichtet sein, ihre Daten für Patientinnen und Patienten einzuspielen«, forderte TK-Chef Jens Baas. Die geplante Medikationsliste, die Ärzten eine Übersicht über alle Arzneimittelverordnungen eines Patienten ermögliche, spiele hier eine wichtige Rolle, weil sie Ärzte bei der Behandlung unterstütze. »Die Medikationsliste in der Patientenakte ist ein wichtiger Mehrwert für Patienten und Ärzte. Dort werden endlich alle verordneten Arzneimittel zusammengeführt, sodass Wechselwirkungen zwischen Medikamenten schneller erkannt und vermieden werden können«, betonte Baas.
Laut dem Verband der Ersatzkassen (vdek) liefert der Referentenentwurf »gute Ansätze«, hieß es in einer Mitteilung. Die Ersatzkassen unterstützten ausdrücklich die beabsichtigte Einführung einer Widerspruchslösung («Opt-out«) bei der elektronischen Patientenakte (EPA) und die verpflichtende Einführung des E-Rezepts ab 1. Januar 2024. Positiv bewertete der vdek auch, dass die Befüllung der EPA mit strukturierten Daten größtenteils automatisiert für die Leistungserbringer erfolgen soll. »Das ist der richtige Weg, um den Versicherten den Mehrwert der EPA aufzuzeigen und diese in die flächendeckende Anwendung zu bringen«, sagte Jörg Meyers-Middendorf, Vertreter des vdek-Vorstandes. Gut sei auch, dass als Anschub für das E-Rezept die Krankenkassen die Möglichkeit erhalten sollen, neben der E-Rezept-App der Gematik den Abruf von E-Rezepten in ihre eigenen Apps zu integrieren. Entscheidend sei nun, dass der Gesetzgeber die Neuregelungen zügig auf den Weg bringe.
Auch der AOK-Bundesverband begrüßte den Gesetzentwurf grundsätzlich. Die Einführung des Opt-out-Verfahrens in Kombination mit einem vereinfachten Authentifizierungs-Verfahren für die EPA sei ein echter Fortschritt, teilte der Verband mit. Der Ausbau der Akte zur zentralen Versichertenplattform, die beispielsweise den Zugang zum E-Rezept ermögliche, weise ebenfalls in die richtige Richtung. Irritierend sei aus Sicht der AOK jedoch der Plan, dass die Kassen ältere Papierdokumente von Versicherten scannen und in die EPA übertragen sollten. Die Befüllung der EPA sollte nicht Aufgabe der Krankenkassen sein, sondern gehöre grundsätzlich in die Hand der Patienten sowie der behandelnden Ärzte.
Kritisch sieht der AOK-Bundesverband auch die geplante Flexibilisierung der Videosprechstunden. Sie habe grundsätzliche Auswirkungen auf die bisherige, ortsgebundene Zulassungspraxis in der vertragsärztlichen Versorgung. Die Etablierung von nicht ortsgebundenen digitalen Leistungen stelle dieses Verfahren nun in Frage. Auch die geplanten Regelungen zur Ausweitung des Leistungsanspruches auf Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) höherer Risikoklassen lehnt die AOK ab. »Hier entsteht ein enormes Kostenpotenzial für die Kassen, ohne dass es einen äquivalenten Nutzennachweis im Vergleich mit der Standardtherapie gibt«, kritisierte die Vorstandsvorsitzende Carola Reimann.
Hingegen warnte der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) in einer Mitteilung vor einem »einseitigen Blick auf die Kosten der DiGA«. Der aktuelle Gesetzesentwurf sehe eine erhebliche Einschränkung des Vergütungsanspruchs der DiGA-Hersteller im Rahmen des Sachleistungsprinzips vor. »Durch einseitige Kostendämpfungsmaßnahmen wird das Prinzip der Wirtschaftlichkeit ins Absurde geführt und somit das Angebot innovativer Leistungen gefährdet, was wiederum die Weiterentwicklung innovativer Therapieoptionen bedroht«, kritisierte BAH-Hauptgeschäftsführer Hubertus Cranz.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.