Das Papier schlägt zurück |
Sven Siebenand |
16.07.2022 11:00 Uhr |
Rosa bleibt diese Saison weiterhin in Mode. / Foto: Adobe Stock/cineberg
Die Vorreiterrolle hat passenderweise eine AOK in bestimmten E-Rezept-Pilotregionen übernommen: Sie verteilt zurzeit die elektronische Gesundheitskarte auf Papier. Offiziell wird das mit einem Chipmangel begründet, doch das ist natürlich schamlos gelogen. In Wahrheit stockt die Lieferkette beim Schiefer – es ist halt ein steiniger Weg vom Bergwerk bis zur Tafel.
Bis wir alle mit unserer Schiefertafel samt Kreide ausgestattet sind, wird es voraussichtlich noch Jahrzehnte dauern. Neidisch blicken wir in Regionen, in denen das Rollout längst läuft. Deutschland fragt sich, wie haben die das nur geschafft im alten Rom?
Es gilt nun jenen zur Seite zu stehen, die unsere Hilfe brauchen. Groß sind Sorge und Wut beispielweise beim VUD, dem Verband Unter-Dreißigjähriger. Aber nicht nur der VUD fragt sich, wie junge Menschen mit einem Papierausdruck klarkommen sollen. Auch andernorts regt sich Protest. Aktivisten kleben sich mit Pritt-Stiften vor Autobahnauffahrten und auf Kreuzungen fest. #Papiermüll oder #StandWithOhneKarte sind beliebte Hashtags in sozialen Medien. Verzweifelt machen diese Menschen darauf aufmerksam, dass sie sich vom wahren Leben abgekoppelt fühlen und die rasante Entwicklung im Gesundheitswesen als verwirrend und überfordernd empfinden.
Kann die Apotheke was tun? Unseren Gesundheitsminister müssen wir nicht fragen. Der macht bei Amazon Prime Comedy. Der beste Gag: Er sucht nach Effizienzreserven bei Apotheken. Ich sach mal so: Da kann er aber lange suchen. So ähnlich wie ein Hund, der nach einem Stöckchen sucht, das gar nicht geworfen wurde.
Könnte die Papiergeschichte vielleicht eine weitere pharmazeutische Dienstleistung werden? In aller Ruhe könnten wir jungen Menschen in Einzelgesprächen und Gruppentherapien Angst vorm Papier nehmen. Dem Vernehmen nach würden die Kassen ausnahmsweise einmal nicht dagegen klagen. Schließlich treiben sie das Projekt »Papierzeitalter« selbst voran.
Aber natürlich müssten wir vorab die Ärzte fragen, ob wir das können und dürfen. Die KV Hessen wird federführend in einem zehnstufigen Staatsexamen die Eignung prüfen und dann über uns richten. Versteht sich von selbst, dass wir das alles in der Apotheke natürlich nebenbei und kostenfrei machen werden. Einzig eine Spendendose zugunsten »Ärzte ohne Villen« stellen wir auf den HV-Tisch. Bei Erfolg unserer Maßnahme dürfen die Versicherten sie dann mit Papiergeld füllen.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.