Das menschliche Genom wird diverser |
Christina Hohmann-Jeddi |
12.05.2023 12:30 Uhr |
»Das humane Pangenom als Referenz ist ein Meilenstein in der Genetik«, schreiben die Bioinformatiker Arya Massarat und Professor Dr. Melissa Gymrek von der University of California San Diego in einem »News & Views«-Artikel auf der »Nature«-Website. Die Nutzung von Pangenomen könnte die Genomforschung stark verändern und letztlich dazu führen, die Gesundheit vieler Menschen zu verbessern. Dies könne aber noch eine Weile dauern, denn zunächst müsse die Diversität des Pangenoms noch durch die Ergänzung weiterer Genome von Menschen unterschiedlicher Herkunft erhöht werden. Zudem müssten Genforscher sich zunächst neue Methoden zur Analyse des Pangenoms aneignen, die sich zum Teil noch in der Entwicklung befänden.
Das betont auch Professor Dr. Michael Nothnagel, Leiter der Forschungsgruppe Statistische Genetik und Bioinformatik an der Universität zu Köln: »Genetische Daten werden mit den neuen Technologien in grundsätzlich anderer und auch komplexerer Form als bisher abgebildet.« Für deren Verarbeitung und Analyse seien neue Werkzeuge notwendig, die sich aber bereits in der Entwicklung befänden und frei verfügbar sein würden oder schon seien. »Es ist zu erwarten, dass sich diese neuen Formate und Werkzeuge aufgrund ihrer Vorteile innerhalb weniger Jahre als neuer Standard in der biomedizinischen Forschung etablieren werden.«
Er erwartet durch die neuen Technologien medizinische Fortschritte. So sei die biomedizinische Forschung in Bezug auf Strukturvarianten in komplexrepetitiven DNA-Regionen bisher blind gewesen. »Die nun mögliche umfassendere genomweite Untersuchung solcher Varianten eröffnet ein großes neues Forschungsfeld zu den genetischen und biologischen Mechanismen, die der Entstehung von Krankheiten zugrunde liegen«, sagt Nothnagel. Es sei zu erwarten, dass Pathomechanismen für viele bereits bekannte Assoziationen von genetischen Varianten mit häufigen Krankheiten nun aufgeklärt werden könnten.
In Bezug auf die Abbildung der Diversität im Pangenom kommentiert Nothnagel, dass die angestrebten 350 Genome, die in die Datenstruktur einfließen sollen, ein wichtiger Zwischenschritt seien, aber nicht ausreichten. Es bestünden weiterhin größere Lücken beispielsweise für West- und Nordasien, Ozeanien sowie das südliche Afrika oder auch die australischen Aborigines. »Die Schließung dieser Lücken ist für die kommenden Jahre geplant und wird den Nutzen der Pangenom-Referenz noch einmal wesentlich steigern.«