Das Kanzleramt und die Geheimpreise |
Cornelia Dölger |
27.06.2025 16:20 Uhr |
Eli Lilly investierte in ein neues Werk in Deutschland. Gleichzeitig bekamen Hersteller Vorteile per Gesetz offeriert. / © Imago/SOPA Images
Das MFG trat im vergangenen Oktober in Kraft und beinhaltet unter anderem vertrauliche Erstattungspreise für Hersteller. Der deutsche Rabattpreis für neue Arzneimittel ist bisher öffentlich einsehbar, was sich auf die internationale Preispolitik auswirkt. Denn andere Länder fordern vor diesem Hintergrund ähnliche Rabatte von den Herstellern. Dass diese Rabattpreise laut MFG nicht mehr öffentlich sein müssen, entzieht den Nachbarländern also die Vergleichsgrundlage – ein ökonomischer Vorteil für die Hersteller.
Ob die Bundesregierung den Herstellern mit dem MFG Zugeständnisse gemacht hat, die im Gegenzug Milliarden in neue Standorte in Deutschland investieren, ist seit vergangenem Herbst Thema. Im November 2023 war bekannt geworden, dass Eli Lilly rund 2,3 Milliarden Euro in ein neues Werk im rheinhessischen Alzey investieren wolle. Parallel brachte der damalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) das MFG auf den Weg.
Ein Rechercheteam von SZ, NDR, WDR und der Journalistengenossenschaft »Investigate Europe« ging der Frage von Gegengeschäften nach. Und wurde laut eigener Einschätzung fündig: Ein internes Dokument des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) vom 13. September 2023 zeige, dass es entsprechende Forderungen von Eli Lilly und Zugeständnisse der Regierung tatsächlich gegeben habe, schrieb die SZ dazu. Die Bundesregierung bestritt demnach allerdings vehement, dass es einen Zusammenhang zwischen der Investition des Pharmakonzerns und der Regelung im MFG gebe. Eine von der damaligen oppositionellen Unionsfraktion einberufene Sondersitzung des Gesundheitsausschusses brachte keine Aufklärung.
Das Bundeskanzleramt räumte jetzt ein, dass es Kontakte zwischen der Bundesregierung und dem Unternehmen gegeben habe. Auf Anfrage der PZ ließ ein Regierungssprecher wissen, dass unter anderem Gespräche mit dem damaligen Staatssekretär im Kanzleramt, Jörg Kukies, sowie ein Telefonat mit dem damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz stattgefunden hätten. Der Regierungssprecher unterstrich, dass man sich nicht zu Inhalten vertraulicher Gespräche äußern wolle – womit »keine Aussage darüber getroffen ist, ob der geschilderte Sachverhalt zutrifft oder nicht«.
Auf der Plattform »Frag den Staat« ist noch mehr Korrespondenz zwischen dem Bundeskanzleramt und Lilly zu finden. Über die Plattform können nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) Anfragen an staatlichen Stellen gerichtet werden. In Auszügen nachzulesen ist unter anderem der E-Mail-Verkehr zwischen dem 8. Dezember 2021 und 7. Juli 2024. Die Dokumente legen einen Zusammenhang zwischen den geplanten Investitionen des Herstellers und dem Gesetz nahe.
Dass Regierungsvertreter im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung »diverse Kontakte mit einer Vielzahl von Akteuren aller gesellschaftlichen Gruppen« unterhielten, sei üblich, so der Regierungssprecher. Dazu zählten unter anderem auch Pharmaunternehmen und Pharmaverbände. Es sei »gängige Praxis«, dass solche Austausche »auch bei größeren Ansiedlungsvorhaben« mit dem jeweiligen Unternehmen erfolgten. Der Spatenstich für das Lilly-Werk in Alzey erfolgte im April vergangenen Jahres, anwesend waren unter anderem Olaf Scholz und Karl Lauterbach.
Vertrauliche Erstattungspreise würden seit Jahren von Herstellern gefordert, so der Sprecher weiter. Die Vertraulichkeit sei inzwischen in die von der Bundesregierung beschlossenen Strategie »Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Pharmabereich in Deutschland – Handlungskonzept für den Forschungs- und Produktionsstandort« aufgenommen worden. Rahmenbedingungen für die Preisbildung seien regelmäßig Gegenstand der Gespräche zwischen Regierung und Unternehmen. Das MFG setze wesentliche Teile der Strategie um – und damit auch die Forderung zur Vertraulichkeit der Erstattungsbeträge.