Das große Potenzial der Phytopharmaka |
Hygienisch husten ist auch nach der Pandemie noch aktuell. / Foto: Getty Images/Drazen Zigic
Der Einsatz von Phytopharmaka ist gemäß der S2k-Husten-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie empfehlenswert, »da einige pflanzliche Präparate Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien für eine Linderung der Intensität und ein schnelleres Abklingen des Hustens gegenüber Placebo haben«. Auch im Vergleich zu chemisch-synthetischen Expektoranzien schnitten evidenzbasierte Phytopharmaka positiv ab, ihre Studienlage sei häufig besser, heißt es. Unkomplizierte Atemwegsinfekte sind die häufigste Indikation für Phytotherapeutika.
Einen rund zwei Tage schnelleren Heilungsverlauf von Erkältungshusten und Bronchitis bringen etwa Efeu-Extrakte (wie Prospan®) sowie solche aus Pelargonium sidoides (wie Umckaloabo®), die Extraktkombinationen aus Efeu und Thymian (Bronchipret® Saft TE) sowie Primel und Thymian (wie Bronchipret TP Filmtabletten, Bronchicum® Elixier und Tropfen), zudem das Mischspezialdestillat auf Basis rektifizierter Eukalyptus-, Süßorangen-, Myrten- und Zitronenöle (ELOM-080, Gelomyrtol® forte) sowie 1,8-Cineol (wie Sinolpan® forte, Soledum® forte). Des Weiteren verfügt die Senföl-haltige Zubereitung aus gepulvertem Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel (Angocin® Anti-Infekt) über gute Studiendaten bei Bronchitis und Rhinosinusitis.
Auch die S2k-Leitlinie zur Therapie der Nasennebenhöhlenentzündung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde nennt phytotherapeutische Optionen. Die Leitlinienautoren stellen vor allem der standardisierten 5er-Fixkombination aus Primelblüten, Enzian-, Ampfer- und Eisenkraut sowie Holunderblüten (Sinupret® extract) sowie »definierten Eukalyptusextrakten« ein gutes Zeugnis aus. Produkt- beziehungsweise Extrakt-/Destillat-spezifische Daten aus doppelt geblindeten placebokontrollierten Studien zeigen eine signifikante Überlegenheit gegenüber Placebo. Die verbesserte Drainage in der Nasenhaupt- und in den Nebenhöhlen lassen Beschwerden schneller abklingen. Für das Symptom Druckkopfschmerz liefern die Präparate einen Genesungsvorsprung von zwei Tagen.
»Freilich sind die meisten Atemwegsinfekte selbstlimitierend und verlaufen harmlos. Die in Studien nachgewiesene frühere Gesundung mag unerheblich klingen. Dennoch ist eine im Durchschnitt zwei Tage schnellere Genesung ein erstrebenswertes Ziel der Therapie von millionenfach auftretenden Infekten. Ein, zwei Tage früher in der Kita, der Schule oder am Arbeitsplatz zu sein, hat enormen volkswirtschaftlichen Nutzen«, sagt Dr. Rainer Stange, Abteilung Naturheilkunde, Charité – Universitätsmedizin Berlin und Immanuel Krankenhaus Berlin, im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung.
Wie kann man sich die Abkürzung der Symptombelastung mechanistisch vorstellen? Basis ist laut Stange der breite Wirkansatz, weil er abhängig von der jeweiligen Pflanze aus mehreren Komponenten bestehen kann: »Zum einen direkte antivirale oder antibakterielle Effekte, zum anderen die Unterstützung der Mukoziliar-Tätigkeit und damit der Sekretolyse. Sputum, das leichter abgehustet werden kann, wirkt bronchodilatorisch, entlastet also die Hustenrezeptoren und lindert indirekt den Hustenreiz. Extraktspezifisch ist auch eine immunmodulierende/-stimulierende Komponente bekannt, vor allem vom Pelargonium-sidoides-Extrakt EPs® 7630 oder von Echinacea-Präparaten.«
Der Mediziner empfiehlt bei Erkältungskrankheiten, rechtzeitig mit der Therapie zu beginnen. Ein passendes Präparat in der jeweiligen Hausapotheke zu haben, habe durchaus seinen Sinn. »Konfrontiert man die Schleimhäute mit einem pflanzlichen Arzneimittel, kommt es durch die Aktivierung der Flimmerhärchen zu einem schnelleren Abtransport der Erreger. Wenn es gelingt, den zähen Schleim zu lösen und eventuell auch das eigene Abwehrsystem gegen die Erreger zu aktivieren, dann findet die nachfolgende Entzündungskaskade in geringerem Maße statt. Diese indirekte antientzündliche Komponente kommt umso besser zum Tragen, je früher man mit der Therapie beginnt.«
Der zeitige und dosisgerechte Einsatz von evidenzbasierten Extrakten bessert nicht nur die Symptome, sondern – da ist sich Stange ganz sicher – es lasse sich auch der Antibiotikagebrauch reduzieren. »Bislang ist leider das Vermögen, den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren, in nur wenigen prospektiven Studien und dann nur als Sekundärparameter oder retrospektiv gezeigt worden«, informiert der langjährige Vizepräsident der Gesellschaft für Phytotherapie.
Für den prophylaktischen Nutzen führte der Naturheilkunde-Experte eine placebokontrollierte multizentrische Studie an, in der über sechs Monate lang COPD-Patienten das ätherische Öl-Gemisch ELOM-080 (Gelomyrtol®) gegeben wurde. Als Primärparameter erlitten die Patienten der Verumgruppe nur etwa halb so viele Exazerbationen und nahmen als Sekundärparameter im Vergleich zur Placebogruppe nur an einem Viertel der Tage Antibiotika ein.
Auch das Senfölglykosid-Gemisch aus Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel kann mit Prophylaxedaten aufwarten. So erhielten in einer placebokontrollierten randomisierten Studie gesunde Erwachsene, die in der vorangegangenen Saison mindestens zwei Atemwegsinfekte hatten, über maximal drei Monate Angocin® Anti-Infekt in zwei Dosierungen. Im Prophylaxezeitraum betrug die Erkrankungsrate in der Placebogruppe 24,3 %, für die geringere Dosierung 18,6 % und für die Standarddosierung 12,7 %.
Stange hält eine Studie, die die Einsparung von Antibiotika als Primärzielparameter untersucht, für mehr als reif. »Ich bin mir sicher, dass hier die Phytotherapeutika ein großes Potenzial besitzen. Denkbar ist etwa der rechtzeitige Einsatz von Phytopharmaka und damit die Vermeidung einer Antibiotikatherapie bei Mittelohrentzündungen von Kindern oder bei Erwachsenen von einer eitrigen Sinusitis, Bronchitis oder gar einer Lungenentzündung.«
Zwar sei erstmalig 2022 ein deutlicher Rückgang bei den Verordnungszahlen von Antibiotika bei akuten Atemwegsinfektionen zu verzeichnen gewesen, doch noch immer würden zu viele Antibiotika eingesetzt. »Wenn wir Mediziner den Gebrauch von Antibiotika senken und der Resistenzentwicklung entgegenwirken wollen, dann ist der Einsatz von studiengeprüften Phytopharmaka bei akuten unkomplizierten Infektionen der Atemwege der richtige Weg.«
Das DAC/NRF enthält zwei Thymianfluidextrakt-Zubereitungen:
Im Konservierungsmittelbelastungstest waren beide Rezepturen gegen alle Testkeime ausreichend wirksam. Das kann nicht allein durch den vergleichsweise geringen Ethanol-Anteil erklärt werden, wahrscheinlich tragen Carvacrol und Thymol ebenfalls dazu bei, teilt das DAC/NRF mit.
Beide Zubereitungen werden ohne Zusatz eines Konservierungsmittels hergestellt. Die Aufbrauchsfrist beträgt drei Monate. Bei Lagerung und längerer Aufbewahrung bildet sich durch Ausfällung kolloidaler Bestandteile ein brauner Bodensatz, der leicht aufschüttelbar ist und keine Qualitätsminderung bedeutet.