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Nach Amputation
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Das Gehirn vergisst die Hand nicht

Die Körperkarte im Gehirn scheint sich nach Amputationen nicht umzuorganisieren, um die fehlende Gliedmaße zu kompensieren. Das zeigt eine Studie mit Menschen, die einen Arm amputiert bekommen haben. Das Ergebnis widerspricht aktuellem Lehrbuchwissen.
AutorKontaktChristina Hohmann-Jeddi
Datum 26.08.2025  14:30 Uhr

Im menschlichen Gehirn ist der gesamte Körper Punkt für Punkt repräsentiert – wie auf einer Karte. Im somatosensorischen Cortex nimmt das Gehirn die Körperregionen wahr. Was passiert aber, wenn ein Körperteil entfernt wird?

Bisher gingen Forschende aufgrund von Tieruntersuchungen davon aus, dass die Körperkarte nach Amputationen angepasst wird, da die Repräsentation der fehlenden Gliedmaße nicht mehr benötigt wird. Dem widersprechen nun die Ergebnisse einer Bildgebungsstudie mit drei Personen nach Armamputation, die ein Team um Dr. Hunter Schone vom University College London im Fachjournal »Nature Neuroscience« vorstellt.

Neugierig gemacht durch Berichte von Amputierten, die ihre Gliedmaßen noch lebhaft fühlen konnten, wollten die Forschenden untersuchen, was im Gehirn nach solchen Eingriffen wirklich passiert. Das Team kartierte bei drei Personen, denen ein Arm amputiert werden musste, die Körperrepräsentation im Cortex mithilfe funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) jeweils vor dem Eingruff und bis zu fünf Jahre danach. Hierfür mussten die Patienten bestimmte Aufgaben im MRT-Gerät ausführen, wie Finger bewegen oder Lippen spitzen, um zu erfassen, welche Hirnregionen für diese Körperregionen zuständig sind. Dabei nahmen die Forschenden vor allem die Finger und die Lippen in den Fokus, weil diese auf der Körperkarte im Cortex direkt nebeneinanderliegen.

Nach der Operation sollten die Probanden sich dann Bewegungen der Finger der amputierten Hand während der Bildgebung vorstellen. Wie die Forschenden berichten, veränderte die Amputation die innere Körperkarte kaum – die Repräsentationen sowohl der Hand als auch der Lippen in primären sensomotorischen Regionen blieben stabil. »Durch die direkte Quantifizierung von Aktivitätsveränderungen nach einer Amputation konnten wir zeigen, dass eine Amputation keine großflächige kortikale Reorganisation auslöst«, heißt es in der Publikation. Das weise darauf hin, dass der primäre sensomotorische Cortex nicht nur von peripheren Signalen abhängt, sondern aktiv ein internes Körpermodell unterstützt.

Für die Medizin haben die Ergebnisse Bedeutung: Sie zeigen, dass das Gehirn auch nach einer Amputation das Abbild der verlorenen Gliedmaße erstaunlich präzise bewahrt – eine stabile Grundlage für Brain-Computer-Interfaces (BCI), die Gedanken in Bewegung übersetzen sollen. Zugleich geben sie eine Begründung, warum gängige Ansätze zur Behandlung von Phantomschmerzen, eine vermutete Reorganisation der Köperkarte wieder rückgängig zu machen, nicht erfolgreich waren.

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