Das »Einheitszeichen« der Firma Wenderoth |
Abbildung 1: Das »Apotheken-Einheitszeichen«, auf Anregung von Anton Lauer von der Firma Wenderoth entwickelt, markiert den ersten Schritt auf dem Weg zum heutigen Apotheken-A. Emailleschild, 1928/29, Durchmesser: 70 cm, Inv.-Nr. VII E 552. / Foto: Deutsches Apotheken-Museum
Das Emailleschild datiert um 1928/29 und ist das bislang einzig bekannte erhaltene Original aus dem Sortiment der »A.G. für Pharmazeutische Bedarfsartikel, vorm. Georg Wenderoth«. Es steht am Beginn des Wegs zum heutigen Apotheken-A, dessen Markenanmeldung in diesem Jahr 70-jähriges Jubiläum feiert. Dank des Fördervereins konnte diese kleine Sensation für das Deutsche Apotheken-Museum erworben werden.
Viele Apotheken verwendeten bis weit in die 1920er-Jahre hinein als Erkennungszeichen das »Schweizer Kreuz«. Die Schweiz missbilligte dies und es war fraglich, wie lange es hierfür noch genutzt werden durfte. Parallel diskutierte man in der Fachpresse die Wirkung und das richtige Maß von Kundenwerbung; manche forderten ein einheitliches Erkennungszeichen für Apotheken.
Werbeprospekt der Firma Wenderoth für »Die neue Apotheken-Einheits-Laterne«, 1929. Quelle: Caesar, W., Leuchtschilder für die Apotheke. Vergessene »Einheitszeichen« um 1930. Dt. Apoth.-Ztg. 133, 1993, Nr. 17, 39–41 (Abb. S. 41). / Foto: Deutsches Apotheken-Museum
So äußerte sich unter anderem Apotheker und Werbeschriftsteller Dr. Strauß, Hannover, Syndikus des Gau Niedersachsen im DAV, mehrfach dazu und besonders prägnant in der Pharmazeutischen Zeitung vom 5. August 1928:
»Seit langen wird auch bei uns von fortschrittlichen Kollegen und Kreisen für die Schaffung eines Einheitssignums plädiert … Insbesondere unser Syndikus Lauer – München, einer unserer weitestblickenden Fachwissenschaftler, hat immer wieder in seinen Veröffentlichungen und Vorträgen auf den hohen propagandistischen Wert eines einprägsamen Gemeinschaftszeichens hingewiesen, und wir bringen in unserem demnächst im Verlag Julius Springer erscheinenden ›Handbuch der praktischen Kundenwerbung für Apotheker und die verwandten Wirtschaftszweige‹ die Abbildung und Beschreibung eines solchen geeignet erscheinenden Einheitssignums, das in der Kunstanstalt Wenderoth AG Kassel auf Lauers Vorschlag entworfen wurde und das sowohl bei Tage durch seine Form und Farbe als auch nachts als Transparent eine starke Werbewirkung üben würde.«
Ein Exemplar des angekündigten Buches wurde bislang unter diesem Titel nicht gefunden. Jedoch war das bemerkenswerterweise vom bekannten Münchner Apotheker, Standespolitiker und Pharmaziehistoriker Anton Lauer (1890 bis 1953) initiierte Zeichen kurz darauf auf der Apothekermesse 1928 in Königsberg zu besichtigen. Die Pharmazeutische Zeitung berichtete dazu am 1. September 1928:
»Die A.G. für Pharmazeutische Bedarfsartikel vorm. Georg Wenderoth bewährte auch diesmal ihre alte Vielseitigkeit, wobei das von der Firma eingeführte Apotheken-Einheitsschild viel Beachtung fand …«
Eine Woche später berichtete die Apothekerzeitung: »Besondere Beachtung fanden … das von der Firma [Wenderoth] ausgestellte Apotheken-Einheitsschild.«
Leider ist der Name des Künstlers des Schildes im Design der »Neuen Sachlichkeit« nicht überliefert (Abbildung 1). Weite Verbreitung fand es wohl nicht. Neben einem Emailleschild, wie wir es nun in den Museumsbestand aufnahmen, gab es auch eine Leuchtschild-Variante aus Glas, die sogenannte »Apothekenlaterne« (siehe Titelbild). Die damals neue elektrische Beleuchtung mahnte zum Beispiel die Berliner Morgenpost im April 1929 an, die von dem Wenderoth-Schild offensichtlich nichts wusste. Vor allem in der Nacht, so die Morgenpost, seien Apotheken schwer auffindbar, da gut sichtbare beleuchtete Schilder fehlten.
Auch aufgrund dieser Berichterstattung fasste der Gau Hamburg im DAV im Juni 1929 den Beschluss, von einschlägigen Apothekenbedarfsfirmen Schilder zu besorgen, die für den Apotheken-Nachtdienst zu erleuchten sein und sich dem Publikum als Apothekenwahrzeichen einprägen sollten. Ob dies umgesetzt wurde, ist unklar, denn weitere Mitteilungen dazu fehlen. Der Vorsitzende des Gau Hamburg des DAV, Paul Runge (1869 bis 1953), wurde kurz darauf in den Beirat der Handelsgenossenschaft Deutscher Apotheker (Hageda) berufen, sodass auch denkbar ist, dass sich dieses Anliegen durch das zu dem Zeitpunkt in der Entwicklung befindliche und sogleich vom DAV empfohlene »Hageda-Leuchtschild« erledigt hatte.
Auf Initiative der Hageda war in Zusammenarbeit mit den Siemens-Schuckert-Werken nämlich ein weiteres als Einheitszeichen konzipiertes Schild in Entwicklung. Die Hageda bewarb es im August 1929 in der Apothekerzeitung mit Bild als »Das einheitliche Leuchtschild der deutschen Apotheke« (Abbildung 2) und zeigte sich überzeugt, dies sei das nun gültige Einheitszeichen: »Fachkreise, Publikum und Presse sind sich einig, daß durch die Schaffung unseres Transparentes das Problem des einheitlichen Zunftschildes der deutschen Apotheke in standesgemäßer, wirkungsvoller Form gelöst ist.«
Abbildung 2: Das beleuchtete »Hageda-Kreuz«, eingeführt Mitte 1929. Prospekt mit Bild der Ranke-Apotheke Berlin, Eigentümer Heinrich Salzmann (1859 bis 1945), Vorsitzender des DAV. Werbeanzeige von 1930; Inv.-Nr. VII A 1100 / Foto: Deutsches Apotheken-Museum
Nicht zufrieden mit der Gestaltung beider Zeichen zeigte sich hingegen Apotheker und Werbefachmann Karl Gissinger (1867 bis 1957), Ründeroth, Herausgeber der modernen »Verunda-Fachzeitschrift für die Kundenwerbung der Apotheke«. Im September 1929 schreibt er dort:
»Es ist schade, dass wir nicht … eigentlich ein Signum haben, welches dem Publikum bekannt ist und vertraut wäre … Inzwischen hat die Firma Wenderoth den Versuch gemacht, diesem Mangel abzuhelfen … Wenn es auch nicht unmöglich ist, daß ein solches Zeichen, sofern es an sämtlichen Apotheken angebracht, zu deren Kenntlichmachung beitragen könnte, so enthält es doch keinerlei Charakteristikum für die Apotheke …«
Zum Hageda-Zeichen führt er aus: »In der Apothekerzeitung … ist dieses … abgebildet und empfohlen. … entspricht es [aber] aus anderen Gründen nicht unseren Forderungen …«
Sein wichtigstes Anliegen war nämlich eine internationale Ausrichtung des Zeichens. In der Verunda-Fachzeitschrift rief er daher einen »Wettbewerb für ein einprägsames und bezeichnendes Wahrzeichen der Apotheken« aus. 1930 ging daraus das »Drei-Löffel-Zeichen« von Richard Rudolf Weber (1900 bis 1994) als Sieger hervor (Abbildung 3). Auch wenn in kurzer Zeit rund ein Drittel der Apotheken es nutzte: Das moderne Design der Neuen Sachlichkeit polarisierte und die Meinungen dazu waren hoch kontrovers.
Treffend überschrieb Holger Goetzendorff so ein Kapitel in seiner Publikation »Der lange Weg zum Apotheken-Wahrzeichen« (1991). Keines der drei vorgestellten Zeichen fand nach der Machtergreifung die Zustimmung des Reichsapothekerführers, der einen neuen »Wettbewerb« initiierte.
Der Siegerentwurf von Paul Weise (1890 bis 1981) erfuhr nachträglich eine entscheidende Veränderung. Der Reichsapothekerführer fügte eine Lebensrune statt des ursprünglich vorgesehenen weißen Kreuzes in den Entwurf ein. Der Künstler erhielt kurz darauf Berufsverbot. Das 1936 eingeführte Zeichen, ein gotisches A mit Lebensrune, nutzten bald die meisten Apotheken, denn die Reichsapothekerkammer hatte es kostenlos an alle Apotheken versendet mit der Aufforderung, es gut sichtbar anzubringen.
Nach dem Krieg flammte die Diskussion in der Fachpresse bezüglich eines neuen Apothekenzeichens erneut auf. Man entschied, nach grundsätzlicher Überarbeitung des Designs, beim bekannten gotischen A zu bleiben und es durch Kelch und Schlange zu ergänzen. Dieses Apotheken-A, ein Entwurf des Künstlers Fritz Rupprecht Mathieu (1925 bis 2010), wurde in der Fachpresse 1951 vorgestellt und erstmals 1952 als Marke eingetragen.
Abbildung 3: »Drei-Löffel-Symbol« der Verunda. Emailleschild, um 1930, Durchmesser 50 cm; Inv.-Nr. VII E 189 / Foto: Deutsches Apotheken-Museum
Das Apotheken-Einheitszeichen der Firma Wenderoth war wohl bald nach seiner Markeinführung in Vergessenheit geraten. Die Autorin publizierte zum Thema unter anderem in der Rubrik zur »Geschichte des Apothekenwahrzeichens« auf der Website des Museums. Anhand der dortigen Hinweise erkannte es die Anbieterin des Schildes. So konnte das bislang einzige bekannte Original eines »Apotheken-Einheitszeichens« der Firma Wenderoth als Beleg für den 1928 unternommenen ersten Schritt auf dem Weg zu einem einheitlichen Zeichen für alle Apotheken in den Bestand aufgenommen werden.