Das Card-Link-Rennen |
Alexander Müller |
27.11.2024 11:00 Uhr |
Apotheken müssen im Card-Link-Rennen mitziehen, sonst verlieren sie ihre Kunden langfristig an den Versandhandel. / © FUNKE Foto Services
Bis zu 10 Prozent Marktanteil im Rx-Geschäft wollen sich die niederländischen Versender mittelfristig sichern. Bis dahin ist es noch ein recht weiter Weg, aktuell dürften sie die Schwelle von 1,5 Prozent wohl noch nicht überschritten haben.
Aber sie sind deutlich auf Wachstumskurs: Marktführer Shop Apotheke hat in Deutschland mit im dritten Quartal nach eigenen Angaben 69 Millionen Euro mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln umgesetzt – das sind 81 Prozent über Vorjahr. Und im Oktober sieht sich der Versender sogar 130 Prozent über Vorjahr.
Damit tritt zum Jahresende das ein, was viele Apotheken mit der Einführung von Card Link befürchtet haben: Der Versandhandel legt im Rx-Geschäft deutlich zu und der Trend dürfte sich in den kommenden Monaten beschleunigen. Das liegt daran, dass die Versender ihre Marketingbudgets ausweiten und ihre Angebote massiv bewerben.
Shop Apotheke (Redcare) hat im laufenden Jahr etwa 90 Millionen Euro für Werbung ausgegeben. Abzüglich der üblichen Mediarabatte sind das netto wohl immer noch über 40 Millionen Euro. Konkurrent Doc Morris liegt mit 35 (netto 17) Millionen Euro dahinter. Vor allem Shop Apotheke hat sein Engagement im Herbst noch einmal deutlich erhöht. Hochrechnungen zeigen, dass der Versender für jede einzelne App-Installation zuletzt rund 38 Euro ausgegeben hat. Im Jahresmittel liegt der Wert hier bei etwa 21 Euro, bei DocMorris bei 14 Euro.
Die Zahlen schwanken je nach gewähltem Werbemittel: So zahlt eine große Plakatkampagne eher auf die Markenbekanntheit ein. Und auch hier liegt Shop Apotheke mittlerweile bei über 80 Prozent. Der Versender hat seine eigene Prognose gesenkt und schreibt lieber weiter Verluste, um die Kunden jetzt in die eigene App zu lotsen. Card Link scheint sich als letzte Rettung des Geschäftsmodells zu offenbaren.
Die besondere Gefahr: Die einmal in den Versand abgewanderte Rx-Kunden drohen der Apotheke vor Ort langfristig verloren zu gehen. Denn wer seine rezeptpflichtigen Medikamente einmal erfolgreich über die App bestellt hat, wird dies vermutlich beim nächsten Mal wieder tun. Gerade bei sensiblen Bestellprozessen – und dazu zählt der Rezeptversand – gibt es beim Einkaufsverhalten eine erhöhte Kundentreue.
Laut einer Umfrage des Online-Marketing-Unternehmens »Pilot Hamburg« im Auftrag von Gesund.de können sich 62 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer grundsätzlich vorstellen, E-Rezepte mit Ihrer elektronischen Gesundheitskarte (EGK) über eine App online einzulösen, oder haben dies sogar schon einmal gemacht. 15 Prozent der Befragten haben bereits eine App zum Bestellen von Medikamenten installiert. An der Umfrage nahmen in der letzten Oktoberwoche rund 1200 Personen teil.
Ein Indikator für die Nutzung von Card Link sind die Downloads in den App Stores für iOS und Android. Laut Statistik des Dienstleisters App-Tweaks wurde die App von Shop Apotheke im September und Oktober 698.000 Mal heruntergeladen, das entspricht 11.470 Downloads pro Tag. Auf Platz zwei liegt Konkurrent DocMorris mit 336.500 (5530/Tag).
Doch auch die Angebote der Vor-Ort-Apotheken werden nachgefragt: Gesund.de mit 148.500 Downloads und IhreApotheken.de vom Zukunftspakt Apotheke mit 61.380. Allerdings bietet das apothekerbestimmte Angebot des Zukunftspakts Apotheke den Offizinen die Möglichkeit, Card Link in die eigene Apotheken-App zu integrieren. Diese Downloads zählen also in der Statistik nicht mit.
Gesund.de ist am 31. Juli mit dem eigenen Card-Link-Angebot live gegangen und hält mit eigenen TV-Spots dagegen. Im September wurde die Werbung zum ersten Mal ausgestrahlt. Die E-Rezept-Transaktionen im Oktober seien im Vergleich zum Vorjahrsmonat um 55 Prozent gesteigert, teilt der Dienstleister mit, der unter anderem von Noventi und dem Wort & Bild Verlag getragen wird. Das zeigt: Card Link kommt auch in den Apotheken vor Ort an.
Die Apotheken vor Ort tun gut daran, den Abfluss an Kunden zu stoppen und sie mit eigenen Angeboten an sich zu binden. Ihre-Apotheken.de etwa bietet Werbematerial, das auf die einzelne Apotheke individualisiert werden kann. Neuerdings führt der aufgedruckte QR-Code auf den Werbeflyern nach dem Download der iA.de-App sogar direkt auf das jeweilige Apothekenprofil.
Gerade weil die Kundenkonten auf Dauer in der App der Apotheke angelegt werden sollen, sei es bei der Anbieterauswahl für die Apotheken wichtig, unabhängig vom Großhandel oder der Warenwirtschaft der Apotheke zu agieren, wirbt IhreApotheken.de. Zudem sei IhreApotheken.de exklusiver Partner der standeseigenen Gedisa. Wer deren App ApoGuide nutzt, habe den eigenen IhreApotheken.de-Shop mit allen Einstellungen zusätzlich auch in der standeseigenen App verfügbar.
Gesund.de setzt noch konsequenter auf Endkundenmarketing. Im TV-Spot singen die Nutzer der App auf die bekannte Melodie von »Don‘t Worry, Be Happy« den Text: »Ich kenn’ das, Ich scan’ das.« Mit dem Marketing würden bis zu 1,5 Milliarden Kontakte erreicht.
Vor allem am HV-Tisch haben die Apothekenteams aber einen Startvorteil: Sie können die Kundinnen und Kunden direkt ansprechen und genießen schon deren Vertrauen. Gesund.de hat – gewissermaßen App-übergreifend – eine Liste mit konkreten Handlungsempfehlungen zusammengestellt, wann den Kunden die Nutzung der App empfohlen werden soll.
Eine Gelegenheit bietet sich demnach immer dann, wenn das E-Rezept nicht abgerufen werden kann – etwa, weil die Verordnung in der Praxis noch nicht signiert wurde. In der App kann der Versicherte sehen, wenn sein Rezept noch nicht auf dem Fachdienst liegt.
Ähnliches gilt für den Fall, dass das verordnete Arzneimittel in der Apotheke nicht auf Lager ist und erst noch bestellt werden muss. In der App kann die Verfügbarkeit angezeigt werden. Diesen Tipp können die Teams am HV-Tisch auch konsequent bei allen Abholern mitgeben sowie bei telefonischen Bestellungen.
Ein anderer Anlass bietet sich womöglich bei Kunden, die ihre OTC-Einkäufe via Smartphone bezahlen. Immerhin ist hier eine gewisse Affinität für digitale Prozesse zu unterstellen. Und ganz klassisch können Apotheken natürlich mit Flyern in jeder Botendienst-Tüte für ihr App-Angebot werben. In der Offizin hat sich in Anlehnung an das bekannte Testimonial der Shop-Apotheke schon so manches geflügelte Wort durchgesetzt: »Ich mach’ Ihnen den Jauch« oder »Ohne Jauch geht es auch.«
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.