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Nordrhein

»Das ApoRG ist ein Apotheken-Abschaffungsgesetz«

In einer Regionalkonferenz unter dem Motto »Patientenversorgung gefährdet – die geplante Apothekenreform im Fokus« machten Apothekerverband und -kammer Nordrhein auf die prekäre Situation der Vor-Ort-Apotheken mit Blick auf das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) aufmerksam. Zu Wort kamen auch Vertreter aus den Reihen der PTA, Ärzte, Patienten und Politik sowie der Bürgermeister der Stadt Köln. 
AutorKontaktLaura Rudolph
Datum 19.07.2024  17:00 Uhr

»Die Zahl der Apotheken in Nordrhein-Westfalen und in ganz Deutschland befindet sich in einem dramatischem Sinkflug, daran wird das Apotheken-Reformgesetz nichts ändern«, eröffnete Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR), die Regionalkonferenz. Der AVNR und die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) hätten den Beschluss gefasst, keine Zeit zu verlieren und die parlamentarische Sommerpause zu nutzen, um auf die dramatische Situation der Offizinen aufmerksam zu machen. Kernzielgruppe seien insbesondere die Bundestagsabgeordneten. Letztlich trügen diese die Verantwortung dafür, sollte das ApoRG verabschiedet werden.

Hintergrund: Das geplante ApoRG, das die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch »Light-Apotheken«, minimale Apotheker-Präsenz et cetera massiv zu verschlechtern droht, steht für den 21. August auf dem Tagesplan im Bundeskabinett. 

Die Apotheken litten seit Jahren an chronischer finanzieller Unterversorgung, verdeutlichte Preis. Durch das ApoRG komme jedoch kein Geld ins System, es handele sich lediglich um eine »primitive Umverteilung von Finanzmitteln«, die sogar die bisher einigermaßen stabilen Apotheken ins Straucheln bringe. »Die Hauptleidtragenden sind die Patientinnen und Patienten, die weitere Wege zur Apotheke in Kauf nehmen müssen«, so der AVNR-Vorsitzende. 

Die größten Versorgungslücken drohten jedoch durch Apotheken ohne Apotheker, wie sie sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorstellt. »Es darf nicht zur reinen Glückssache werden, ob man in der Apotheke überhaupt einen Apotheker antrifft«, betonte Preis. Insbesondere für Schmerzpatienten – Stichwort Betäubungsmittelabgabe – und Kinder –Stichwort Rezepturarzneimittel – verschlechtere sich die Versorgung enorm. »Ich sehe im Apotheken-Reformgesetz eine absolute Mogelpackung. Es ist ein Apotheken-Abschaffungsgesetz«, pflichtete ihm auch Sebastian Berges, stellvertretender Vorsitzender des AVNR, bei.

PTA sind »keine kleinen Apotheker«

»PTA werden definitiv nicht zum Führen einer Apotheke ausgebildet«, betonte Dagmar Hußmann, »schon gar nicht zum Führen einer Videoapotheke«. Hußmann ist die Leiterin der PTA-Lehrakademie in Köln. Die PTA-Ausbildung solle zwar entsprechend angepasst werden, aber in üblichen PTA-Schulen sei dies gar nicht möglich. 

Viele PTA würden die zusätzliche Verantwortung außerdem überhaupt nicht tragen wollen – von der Vergütung ganz abgesehen. Außerdem ergebe sich unweigerlich die Frage nach der Haftung. »Es kommen auch Kunden in die Apotheke, die auf Arztbesuche verzichten müssen oder wollen. Hier ist die Beratungskompetenz durch einen Apotheker gefragt.« Immerhin stünde im Pharmaziestudium viel mehr Naturwissenschaftliches auf dem Stundenplan, in der PTA-Ausbildung dagegen eher Praktisches.

Bürokratieabbau und finanzielle Entlastung sind Fehlanzeige

»Mit Apotheken ohne Apotheker wird es unweigerlich Konsequenzen geben«, ist sich auch AKNR-Präsident Armin Hoffmann sicher. Lauterbach breche mit dem ApoRG sein Versprechen, dass es keine Leistungseinschränkungen für Bürger geben würde. Die Apotheke vor Ort sei oftmals die erste Anlaufstelle für Patienten. Hierfür sei hochqualifiziertes Personal erforderlich. 

Bereits in der Coronavirus-Pandemie hätten die Apotheken durch ihre pharmazeutische Leistungsfähigkeit immer wieder die Versorgung sichergestellt, betonte der AKNR-Präsident, sei es durch die Herstellung von Desinfektionsmitteln oder die Beteilung an Impfkampagnen. »Das nun sehenden Auges aufzugeben, ist eine gesundheitspolitische Bankrotterklärung«, so Hoffmann über die fehlende Wertschätzung aus der Politik. Er kritisierte außerdem, dass im ApoRG wenig über Bürokratieabbau zu lesen sei. Genau das sei aber notwendig: Apotheker bei nicht pharmazeutischen Tätigkeiten zu entlasten.

Vielmehr belastet das geplante Gesetz die Apotheken finanziell, wie der Rechtsanwalt und Steuerberater Gabriele Amoriello von der Treuhand Hannover Steuerberatung und Wirtschaftsberatung für Heilberufe GmbH erläuterte. Das ApoRG sei nicht geeignet, die Apotheken wirtschaftlich zu stabilisieren. Es gebe keine Maßnahmen, um erwartete Kostensteigerungen zu kompensieren. Die Durchschnittsapotheke hätte zwar rechnerisch 16.000 Euro mehr Rohgewinn, aber auch 20.000 Euro Mehrkosten pro Jahr – plus Skontoverlust.  Es sei weder eine gezielte Stabilisierung der Apotheken noch ein Ende der Schließungswelle abzusehen.

Patienten sind die Leidtragenden

Für die Patienten sprach Sabine Härter von der Deutschen Diabetes-Hilfe. »Jede Apotheke weniger ist ein Verlust zu Lasten von Patienten. Sie müssen weitere Wege in Kauf nehmen oder beispielsweise Schmerzen erleiden, weil sie nicht an Betäubungsmittel rankommen«, so Härter. Bereit jetzt litte jeder zehnte Mensch in Deutschland an Diabetes. Mit chronischen Krankheiten gehe oft auch eine Polypharmazie einher, und damit Wechselwirkungspotenzial und ein hoher Beratungsbedarf durch Apotheker. 

Auch gegen Einsamkeit sei das Gespräch von Angesicht zu Angesicht ganz wichtig, insbesondere für Senioren. »Wie man plant, das Qualitätsniveau zu senken, ist aus Patientensicht nicht hinnehmbar«, so Härter über das ApoRG.

Vor der sich verschlechternden Versorgung warnte auch Oliver Funken, Mitglied im Bundesvorstand des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands. »Wir bekommen planwirtschaftliche Vorgaben, die die Versorgung der Patienten verschlechtern«, warnt Funken. Viele Patienten würden dadurch »durch das Raster fallen«, insbesondere die ältere Bevölkerung würde abgehängt. Der Arzt kritisierte, dass es keine Parallelstrukturen bräuchte, wie sie das ApoRG mit sich bringen würde. Vielmehr sollte man prüfen, wie man bestehende Strukturen stärken kann. Jede Parallelstruktur benötige zudem Personal – und dieses fehlt bekanntlich an allen Ecken und Enden.

Der Arzt sprach sich ebenfalls für den persönlichen Kontakt zum Patienten aus: »Die Telemedizin wird zusammenbrechen, wenn der Strom ausfällt. Und das wird in Deutschland in Zukunft häufiger passieren.« Er wünscht sich, dass sich die Gesundheitsversorgung mehr auf den Patienten fokussiere. Aus diesem Grund engagiert er sich auch im Aktionsbündnis Patientenversorgung, das Apotheker, Hausärzte und weitere Fachkräften aus Gesundheits- und Pflegeberufen in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr gegründet haben, um auf die ambulante Versorgungssituation aufmerksam zu machen.

Kommunale und bundespolitische Sicht

Der Bürgermeister der Stadt Köln, Ralph Elster, betrachtete die Versorgungslage aus kommunaler Sicht. »Eine Apotheke ist ein Wirtschaftsbetrieb«, betonte er. Es reiche ein schlichter Dreisatz, um den Kostendruck in Apotheken nachzuvollziehen: Seit 2013 habe es keine Erhöhung des Honorars gegeben, die Inflationsrate sei aber zweistellig. »Es ist klar, dass bei der Erhöhung des Verbraucherpreisindexes und der Erhöhung der Personalkosten eine Erhöhung des Honorars dringend nötig ist.« In Köln schlossen nicht nur Apotheken in den peripheren, sondern auch in den zentralen Lagen.

»Wir haben eine Reihe hochqualitativer Herausforderungen, die sich nicht mit Telemedizin lösen lassen«, betonte Georg Kippels (CDU/CSU), Bundestagsabgeordneter sowie Obmann und Berichterstatter für Arzneimittel und Apotheken. Man könne sie ebenso wenig lösen, indem man Aufgaben auf PTA übertrage, für die sie nicht vorbereitet wurden, unabhängig von der Frage der Vergütung. Kippels kritisierte außerdem, dass Lauterbach zu wenig mit den Praktikern, sprich den Apothekern, in den Dialog gehe. Vielmehr sei er kritikunfähig. »Lauterbach will Staatsmedizin – von oben bis unten«, so der Bundestagsabgeordnete. Das freie Unternehmertum des Apothekers sei dadurch massiv gefährdet.

Kippels selbst wünsche sich eine Politik des Dialogs. »Dann kämen wir auch zu einem vernünftigen Gesetz.« Doch was können die Apotheker vor Ort dafür tun? Aktiv und am Ball bleiben, riet Kippels: »Nerven Sie Ihre lokalen Politiker!« Es sei nun an der Zeit, den Widerstand zu bündeln und in den politischen Betrieb hineinzubringen.

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