Darauf müssen Apotheker achten |
Viele Kunden sind äußerst preisbewusst. Wird die Senkung der Umsatzsteuer nicht an den Patienten weitergegeben, könnte ein Imageverlust drohen. / Foto: Fotolia/JPC-PROD
Grundsätzlich gilt: Eine EDV-technisch modern organisierte Apotheke mit guter Datenpflege wird mit der Umstellung der Mehrwertsteuersätze kaum Probleme haben. POR-Betriebe mit Papieretiketten, Handtaxation und Schreibmaschinenrechnungen hingegen müssen in den nächsten Wochen viel Zeit und Nerven investieren.
Die Arzneimittelpreisverordnung stellt auf Nettowerte ab und verweist auf die jeweils geltende Umsatzsteuer. Somit verbilligen sich bei automatischer Preisberechnung die Verkaufspreise der Arzneimittel. Die fixen Honorare der Apotheke (8,35 Euro Fixhonorar, 21 Cent Notdienstfonds, 5 Euro Botendienst) sind ohne Umsatzsteuer und ändern sich nicht. Der 3-Prozent-Aufschlag wird auf den Apothekeneinkaufspreis berechnet, der sich durch die Umsatzsteuersenkung nicht verändert, solange die Hersteller ihre Abgabepreise nicht neu kalkulieren.
Anders sieht es beim Apothekenabschlag aus. Da dieser Rabatt von 1,77 Euro als Bruttobetrag definiert ist, erhöht sich der Abzugsbetrag bei den Apotheken. Dadurch entstehen Einbußen von 4 Cent pro Packung. Aufs Halbjahr gerechnet kommen im Durchschnitt rund 650 Euro Mehr-Rabatt an die Krankenkasse zusammen. Ob die Politik hier noch nachbessert, um Verluste der Apotheken zu vermeiden, ist unklar.
Welcher Umsatzsteuersatz für ein Produkt gilt, definiert – neben allen anderen Produktkennzeichen – der Hersteller, wenn er das Produkt erstmalig bei der Informationsstelle für Arzneispezialitäten anmeldet. Dessen Datenbestand speist zentral die Datenbanken der Softwarehäuser der Gesundheitsbranche. Diese wiederum spielen dann mit den Preisänderungsdiensten die Umstellung der Prozentwerte ein.
Im Artikelstamm jedes Produktes wird in den Basisdaten der Preisinformationen auf den Steuersatz verwiesen, sodass eine automatisierte Umstellung der Preise erfolgt. Sofern die Rechnungserstellung etwa für Privatpatienten oder Ärzte über die Warenwirtschaft erfolgt, werden diese ebenfalls mit den neuen Preisen fakturiert. Auch die Programme zur Rezepturtaxation werden mit der Änderung keine Probleme haben.
Immer dort, wo die Apotheke Preise frei kalkulieren kann, muss sie sich überlegen, ob sie die Umsatzsteuersenkung an Patienten weitergeben will oder den Vorteil durch den höheren Netto-Verkaufspreis für sich selbst vereinnahmt. Bei einem Absatz von durchschnittlich 20.000 Packungen pro Apotheke und einem Vorteil von 20 Cent pro Packung kommt ein respektabler Betrag zusammen.
Aber Vorsicht: Auf der einen Seite ist der Imageverlust hoch, wenn der Kunde dahinterkommt, dass die Apotheke die Senkung nicht weitergibt. Es ist damit zu rechnen, dass Kunden vor allem bei Indikatorprodukten sehr preissensibel sind. Daher sollte bei diesen Artikeln mit Bedacht gehandelt werden. Das Gerücht von den »Apothekenpreisen« dürfte sich sonst wieder verfestigen.
Allerdings ist der Aufwand für die Preisänderungen erheblich, zumal in sechs Monaten alles wieder neu kalkuliert und ausgezeichnet werden muss. Wer hier kostenbewusst agiert, versucht diesen Aufwand geringzuhalten oder hat bereits ein elektronisches Auszeichnungssystem. Möglich wäre auch, temporär Preissenkungen per Kundenrabatt, Coupons oder ähnlichem einzuführen. Um krumme Preise zu vermeiden, ist die im Rechner hinterlegte Rundungssystematik zu checken. Ist diese sauber hinterlegt, dürften auch die neuen Preise marketinggerecht ausfallen. Zudem gibt es dank einer Ausnahmeregelung der Preisangaben-Verordnung (PAngV) auch eine einfache, unbürokratische Lösung: Ein Aushang, der auf die Mehrwertsteuersenkung hinweist und die Preisänderung an jedem einzelnen Produkt ersetzen kann.
Welcher Steuersatz in der Rechnungslegung angewendet wird, hängt vom Zeitpunkt ab, zu dem die entsprechende Leistung erfolgt ist. Liegt dieser Zeitpunkt zwischen dem 1. Juli und 31. Dezember 2020, greifen die gesenkten Steuersätze von 16 beziehungsweise 5 Prozent. Für den Zeitpunkt der Leistungsausführung gilt: Lieferungen sind grundsätzlich dann ausgeführt, wenn der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht über den zu liefernden Gegenstand erlangt. Lieferungen, bei denen ein Gegenstand befördert oder versendet wird, gelten zum Zeitpunkt des Beginns der Beförderung oder Versendung des Gegenstands als ausgeführt.
Dienstleistungen und Werkleistungen (Dienstleistungen an einem Gegenstand) sind grundsätzlich zum Zeitpunkt ihrer Vollendung ausgeführt. Diese Grundsätze gelten auch für Teilleistungen. Der Umsatzsteuersatz richtet sich auch hier nach dem Zeitpunkt der Ausführung. Teilleistungen setzen voraus, dass eine nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise teilbare Leistung nicht als Ganzes, sondern in Teilen geschuldet und bewirkt wird. Eine Leistung ist in Teilen geschuldet, wenn für bestimmte Teile das Entgelt gesondert vereinbart wird.
Auch bei der Leistung von Anzahlungen ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung ausschlaggebend, der Zeitpunkt der Anzahlung ist unerheblich. Eine Nachversteuerung geleisteter Anzahlungen bei Anwendung eines falschen Steuersatzes ist nachträglich möglich. Die Nachversteuerung von Anzahlungen erfolgt im sogenannten Voranmeldungszeitraum, in dem die Leistung oder Teilleistung erfolgt, auf die sich die Anzahlung bezieht.
Bei Dauerleistungen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, muss abgegrenzt werden, ob der Unternehmer Teilleistungen ausführt. Erbringt der Unternehmer Teilleistungen, gelten für den Zeitpunkt der Teilleistungsausführung die oben genannten Grundsätze. Dabei sollte auf eine Korrektur der Abrechnungen (zum Beispiel Miet- und Leasingverträge) geachtet werden. Um dabei die rechtlichen Anforderungen zu erfüllen, sollten Sie gegebenenfalls einen Rechtsanwalt zurate ziehen.
Bei Gutscheinen wird bei der Umsatzsteuer zwischen Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen unterschieden. Ein Einzweck-Gutschein liegt dann vor, wenn der Ort der Leistung schon bei Ausgabe des Gutscheins feststeht und sich aufgrund der Leistung die Höhe der Umsatzsteuer eindeutig ermitteln lässt. Liegt ein solcher Einzweck-Gutschein vor, entsteht die Umsatzsteuer schon bei Verkauf des Gutscheins. Die tatsächliche Ausführung der Leistung – wenn also der Gutschein eingelöst wird – ist dann keiner Umsatzsteuer mehr zu unterwerfen. Wurde die Ausgabe des Gutscheins der Umsatzsteuer mit 19 Prozent beziehungsweise 7 Prozent unterworfen, ist die Umsatzsteuer bei Einlösung des Gutscheins im Zeitraum der gesenkten Steuersätze zu berichtigen.
Liegt kein Einzweck-Gutschein vor, handelt es sich um einen Mehrzweck-Gutschein. Das ist zum Beispiel ein Gutschein, mit dem sowohl eine Ware mit dem Regelsteuersatz als auch eine Ware mit dem ermäßigten Steuersatz gekauft werden kann. Bei Mehrzweck-Gutscheinen entsteht die Umsatzsteuer erst bei Einlösung des Gutscheins, sodass es hier hinsichtlich des Steuersatzes auf den Zeitpunkt der Einlösung ankommt. Eine Berichtigung der Umsatzsteuer ist damit nicht notwendig.
Doreen Rieck ist Diplom-Finanzwirtin und arbeitet als Steuerberaterin bei der Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover.