In seinem 10-Punkte-Plan zur Bekämpfung von HIV fordert das Bündnis aus acht Akteuren des Gesundheitswesens unter anderem ein stärkeres internationales Engagement Deutschlands. / © Getty Images/Mohd Hafiez Mohd Razali/EyeEm
Obwohl die Bundesregierung im April 2016 die »BIS 2030-Strategie« zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C sowie anderen sexuell übertragbaren Infektionen beschlossen hat, gab es in Deutschland im Jahr 2024 laut den neuesten Zahlen des Robert-Koch-Instituts circa 200 HIV-Neuinfektionen mehr als im Vorjahr. Demnach lag die Zahl bei 97.700, während es im selben Jahr circa 2.300 neue HIV-Infektionen gab. Davon erhielten 87.600 Menschen eine antiretrovirale Therapie (ART). Weltweit wurden im Jahr 2024 laut Zahlen der Deutschen Aids-Stiftung rund 1,3 Millionen Neuinfektionen registriert, begleitet von etwa 630.000 Todesfällen durch AIDS-bedingte Erkrankungen. Insgesamt leben demnach weltweit 40,8 Millionen Menschen mit HIV, mehr als die Hälfte von ihnen in Afrika südlich der Sahara.
Auch Kürzungen bei Entwicklungsprogrammen bereiten vielen Organisationen, die im Kampf gegen HIV/Aids aktiv sind, Sorgen. So fror die US-Regierung unter Präsident Donald Trump Anfang 2025 vorübergehend alle Zahlungen im Zusammenhang mit HIV ein. Zuvor hatten die USA drei Viertel der internationalen HIV-Gelder aufgebracht. Auch andere Länder, darunter Deutschland, reduzierten ihre Zuwendungen. Laut dem aktuellen Bericht des UN-Programms UNAIDS könnten die Mittelkürzungen bis 2030 zu etwa 3,9 Millionen zusätzlichen Infektionen führen.
Ein Bündnis aus acht Akteuren der Zivilgesellschaft, Medizin, Pharmazie und Industrie hat in einem gemeinsamen Positionspapier nun zehn zentrale Schritte angemahnt, die die Bundesregierung unternehmen müsse, um die HIV-Epidemie einzudämmen und die Ziele der »BIS 2030-Strategie« noch zu erreichen. Außer der DAH²KA gehören dem Bündnis an: die Deutsche Aidshilfe, die Deutsche Aids-Stiftung, die Deutsche Aids-Gesellschaft, die Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (dagnä), das Pharmazie- und Biotechnologieunternehmen Gilead Sciences, das Pharma-Unternehmen MSD Sharp & Dohme sowie das auf HIV spezialisierte Unternehmen ViiV Healthcare.
Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums sagte auf Anfrage der PZ, die »BIS 2030-Strategie« sei ein handlungsweisendes Instrument für die nachhaltige Bekämpfung von HIV-Infektionen. »Die Bundesregierung verfolgt die Maßnahmen, die in ihre Zuständigkeit und Finanzierungsverantwortung fallen, konsequent, sodass die Erreichung der Strategieziele positiv eingeschätzt werden kann.«
Laut der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) werden Frauen und Kinder in Afrika südlich der Sahara durch die Kürzungen in der globalen Finanzierung besonders hart getroffen. In den vergangenen Jahren seien laut der DSW erhebliche Fortschritte erzielt worden – die Mutter-Kind-Übertragung habe beispielsweise auch in Afrika als fast beseitigt gegolten. »Im Jahr 2024 hatten 84 Prozent der schwangeren Frauen mit HIV Zugang zu antiretroviralen Medikamenten, um die Übertragung von HIV auf ihr Kind zu verhindern.« Auch dabei drohen nun massive Rückschritte. »Wir dürfen nicht zulassen, dass aus einer fast besiegten Krankheit wieder eine Epidemie wird«, sagte Angela Bähr, Vorständin Programme der DSW.
Auch in Europa werden HIV-Erkrankungen nach wie vor oft erst spät erkannt und behandelt, wie aus einem gemeinsamen Bericht der EU-Gesundheitsbehörde ECDC und des europäischen Regionalbüros der Weltgesundheitsorganisation WHO hervorgeht. Dies gelte für mehr als die Hälfte aller HIV-Diagnosen in der Region. Betroffene bekämen nicht früh genug Zugang zu einer lebensrettenden Therapie und Versorgung. Dies wiederum erhöhe das Risiko, HIV weiterzuverbreiten und an Aids zu erkranken.
Auch die Grünen wünschen sich eine bessere Prävention und Beratung: »Wir Grüne fordern, dass alle Menschen in Deutschland Zugang zu einer HIV-Behandlung erhalten, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus oder ihrer Versicherungssituation. Dafür braucht es dringend eine Reform des § 87 Aufenthaltsgesetz, der Menschen ohne Aufenthaltstitel durch die Meldepflicht faktisch vom Zugang zur regulären Gesundheitsversorgung ausschließt«, sagte der Gesundheitspolitiker Johannes Wagner (Bündnis 90/Die Grünen) auf Anfrage der PZ.