Cresomycin überwindet Resistenzen |
Viele Antibiotika verlieren immer schneller ihre Schlagkraft. Neue Kandidaten wie Cresomycin, die die Resistenzmechanismen vieler Bakterien überwinden, sind daher wünschenswert. / Foto: Adobe Stock/analysis121980
Die bakteriellen Ribosomen – die Proteinfabriken der Zellen – unterscheiden sich erheblich von menschlichen Ribosomen und sind deshalb ein beliebtes Target von Antibiotika. Wirkstoffe, die hier angreifen, sind etwa Makrolide wie Erythromycin und Clarithromycin, Lincosamide wie Clindamycin, Tetrazykline sowie Chloramphenicol. Allerdings können Bakterien Resistenzen gegen diese Antibiotika entwickeln, indem sie ribosomale Methyltransferasen produzieren. Diese heften eine Methylgruppe dort an das Ribosom, wo auch das Antibiotikum bindet. Dadurch reduziert sich die antibiotische Effektivität.
Cresomycin umgeht die Interaktion mit der Methylgruppe. Das Molekül weist eine starre Konformation auf, die ihm seine ursprüngliche starke Affinität zur Bindungsstelle am Ribosom zurückgibt. Möglich war die Entwicklung des Wirkstoffs aufgrund einer Kooperation von Forschenden an den Universitäten Harvard und Chicago. Das Team um Professor Dr. Yuri Polikanov aus Chicago visualisierte mittels Röntgen-Kristallografie die exakten Strukturen der resistenten bakteriellen Ribosome sowie die Art und Weise, wie bestimmte Wirkstoffe diese Resistenz umgehen. Das Team um Professor Dr. Andrew Myers aus Harvard entwarf und synthetisierte auf dieser Basis das Molekül. Ihre Arbeit veröffentlichten die Forschenden kürzlich im Fachjournal »Science« (DOI: 10.1126/science.adk8013).
»Die Untersuchung der Interaktion von Wirkstoffen mit arzneimittelresistenten Ribosomen mit diesem Verfahren offenbarte, was nicht durch Computermodelle vorhergesagt werden konnte, und zwar mit nahezu atomarer Präzision«, erklärt Polikanov in einer Pressemitteilung der Universität Chicago. Die Wissenschaftler fanden außerdem, dass die Methylgruppe des Ribosoms nicht nur die Bindungsstelle blockiert, sondern außerdem das Innere des Ribosoms verändert und damit die antibiotische Wirksamkeit weiter reduziert. Diese Funde beschreiben sie genauer in einer Arbeit, die sie im Januar in »Nature Chemical Biology« publizierten (DOI: 10.1038/s41589-023-01525-w).
Cresomycin ähnelt chemisch einem Lincosamin. In Tierstudien schützte das Antibiotikum vor Infektionen mit multiresistenten Stämmen von Staphylococcus aureus, Escherichia coli und Pseudomonas aeruginosa. Cresomycin zeigte in vitro eine geringe Zytotoxizität und schädigte weder Erythrozyten noch Mitochondrien. In einem nächsten Schritt soll die Wirkung und Sicherheit von Cresomycin in präklinischen Studien weiter untersucht werden.