Covid-19-Impfstoffe zu kombinieren könnte Immunität stärken |
Theo Dingermann |
20.03.2021 08:00 Uhr |
Ein Impfstoff für die Grund- und ein anderer für die Auffrischimpfung: Das ist das Konzept von »mix and match«. / Foto: Getty Images/InspirationGP
Trotz der überraschend frühen Einführung mehrerer sehr guter Covid-19-Impfstoffe werden nun nach und nach Probleme offenkundig, vor denen Experten bereits frühzeitig gewarnt hatten. Zum einen stockt bei vielen Impfstoffen der Nachschub. Zum anderen bereiten immer mehr Virusvarianten Sorgen. Und schließlich herrscht Unsicherheit darüber, wie lange eine Immunität nach einer Impfung anhält. Vor diesem Hintergrund rückt der keineswegs neue Ansatz, Impfstoffe verschiedener Hersteller zu kombinieren, in den Fokus des Interesses.
»Es ist wirklich aufregend, dass wir diese Kombinationsmöglichkeiten haben«, sagt Dr. Sarah Caddy, eine Virusimmunologin an der Universität Cambridge, dem Informationsportal »The Scientist«. »Wenn wir verschiedene Impfstoffe verwenden können, eröffnet das die Möglichkeit, mehr Menschen zu impfen.« Außerdem, so bemerkt sie, gebe es einige Hinweise darauf, dass das Mischen und Kombinieren von Impfstoffen zu besseren Immunantworten führen könnte.
Für alle zugelassenen Covid-19-Impfstoffe mit Ausnahme der Janssen-Vakzine werden für eine Grundimmunisierung zwei Dosen in einem bestimmten Abstand benötigt: eine Grund- und eine Auffrischungsimpfung. Die Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer verwenden mRNA, um von Muskelzellen das Spike-Protein, das als eigentliches Antigen dient, herstellen zu lassen. Die Impfstoffe von Astra-Zeneca/Universität Oxford und Janssen sowie der Sputnik-V-Impfstoff aus Russland schleusen mithilfe harmloser Adenoviren als Vektoren das Gen für das Spike-Protein in die Zellen ein.
Eine mit einem Impfstoff begonnene Grundimmunisierung mit einem verfügbaren anderen Impfstoff zu komplettieren, ist derzeit noch nicht vorgesehen. Allerdings räumen beispielsweise die Richtlinien des US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) ein, dass ein solches Vorgehen »in Ausnahmesituationen« möglich ist. Diese Beschränkung gilt, da noch keine klinischen Beweise für die Sicherheit und Wirksamkeit derartiger Kombinationskonzepte im Rahmen einer Covid-19-Impfung verfügbar sind.
Zusätzlich zu den praktischen Vorteilen, zwischen den Impfstoffen wechseln zu können, könnte ein Kombinationsansatz auch effektivere Immunantworten induzieren, wenn Impfungen unterschiedlicher Plattformen verwendet werden. Hierzu gibt es bereits Daten, denn der Ansatz »heterologes Prime-Boosting« wird schon seit den 1990er-Jahren erforscht.
Dabei wird jeweils das gleiche Antigen in verschiedener Art und Weise bereitgestellt. Im Fall der Covid-19-Impfstoffe könnte zum Beispiel die Erstimpfung mit mRNA erfolgen, während dem Immunsystem bei der Booster-Impfung das Antigen mithilfe eines viralen Vektors oder auch in Form eines rekombinant hergestellten Spike-Proteins angeboten würde.
Zu einer robusten Immunantwort gehören nicht nur virusneutralisierende Antikörper, sondern auch T-Helferzellen, die die Antikörperproduktion ankurbeln, und zytotoxische T-Zellen, die infizierte Zellen angreifen. T-Zellen sind wahrscheinlich für eine langanhaltende Immunität unverzichtbar.
Frühere Studien zu anderen Krankheiten haben ergeben, dass einige Impfstoffformate besser in der Lage sind, Antikörper zu induzieren, während andere besser in der Lage sind, die T-Zell-Produktion zu stimulieren. DNA- und mRNA-Impfstoffe regen den Körper dazu an, das Antigen selbst zu produzieren, ein Prozess, der die T-Zellen aktiviert und die Produktion von Antikörper-produzierenden B-Zellen erleichtert. Im Gegensatz dazu induzieren Proteinimpfstoffe oder Impfstoffe auf Basis inaktivierter Viren keine CD8-T-Zell-Antwort.
»Durch die Kombination verschiedener Impfstoffformate, die unterschiedliche Arme des Immunsystems stimulieren, ließe sich gegebenenfalls eine Impfung optimieren«, sagt Dr. Wolfgang Leitner, der Leiter der Abteilung für angeborene Immunität am US-amerikanischen National Institute of Allergy and Infectious Diseases. »Wechselt man zwischen unterschiedliche Plattformen, könnte man mehr bekommen als die Summe der Effizienzen der beiden Einzelimpfstoffe«. Die Mechanismen, die diesem Prozess zugrunde liegen, sind allerdings noch nicht verstanden.
Zwar zeigen einige der derzeit zugelassenen Covid-19-Impfstoffe eine bis zu 95-prozentige Wirksamkeit, was kaum noch zu optimieren ist. Allerdings ist es noch zu früh, um sagen zu können, wie lange dieser Schutz anhält und wie die durch den Impfstoff vermittelte Immunität vor Varianten schützt. Vielleicht besteht hier noch Optimierungspotenzial.
Erste Erfahrungen mit heterologen Prime-Boost-Konzepten hat man bereits gemacht. So wurde vor Kurzem in der Europäischen Union ein Ebola-Impfstoff zugelassen, der einen Adenovirus-Vektor verwendet, der das Gen für ein virales Protein trägt, gefolgt von einer Auffrischungsimpfung mit einem anderen harmlosen Vektor, dem Modifizierten Vacciniavirus Ankara (MVA), der das gleiche Gen trägt.
Der Impfstoff Sputnik V des russischen Gamaleya-Instituts, der zu etwa 92 Prozent wirksam sein soll, um einen schweren Krankheitsverlauf zu verhindern, verwendet ebenfalls einen heterologen Prime-Boost-Ansatz. Die beiden Komponenten enthalten das gleiche SARS-CoV-2-Spike-Gen, aber die Adenovirus-Vektoren unterscheiden sich. Durch den Wechsel des viralen Vektors kann ein altbekanntes Problem mit Vektorimpfstoffen überwunden werden, das darin besteht, dass der Körper nicht nur eine Immunität gegen das Zielgen, sondern auch gegen den Vektor entwickelt.
Bei anderen heterologen Prime-Boost-Strategien wurden zwei verschiedene Impfstoffformate miteinander kombiniert. Im Rahmen von Versuchen, einen effektiven Impfstoff gegen HIV-I zu entwickeln, wurde die Erstimpfung mit einem zirkulären Stück viraler DNA durchgeführt, gefolgt von einer Boost-Impfung mit einem rekombinanten viralen Protein. Es zeigte sich, dass die Immunantworten tatsächlich besser waren, wenn heterolog kombiniert wurde, als wenn die beiden Impfungen allein oder in umgekehrter Reihenfolge appliziert wurden.
Eine Handvoll Covid-19-Kombinationsstudien ist jetzt in Arbeit. Eine britische Studie, bekannt als Com-Cov, vergleicht die Immunantwort von Teilnehmern, die zwei Dosen des Biontech/Pfizer-Impfstoffs, zwei Dosen des Astra-Zeneca-Impfstoffs oder jeweils eine von beiden in beliebiger Reihenfolge erhalten. Außerdem werden Dosierungsschemata mit vier oder zwölf Wochen zwischen der ersten und der zweiten Dosis verglichen.
Im Dezember kündigte das Gamaleya-Institut Pläne an, Kombinationsstudien von Sputnik V mit Astra-Zenecas Schimpansen-Adenovirus-Vektorimpfstoff zu beginnen. Das russische Institut verhandelt auch über eine weitere Kombinationsstudie mit der chinesischen Firma Cansino, wie Bloomberg Anfang Februar berichtete.
Eine Herausforderung bei der Entwicklung von heterologen Prime-Boost-Schemata besteht darin, herauszufinden, welche Impfstoffe kombiniert werden sollen und welcher als Prime- und welcher als Boost-Impfstoff eingesetzt werden soll. Allerdings ist die Hoffnung nicht unbegründet, dass diese Konzepte zeitnah durch klinische Studien validiert werden.