Countdown für das verpflichtende E-Rezept |
Melanie Höhn |
29.09.2023 10:00 Uhr |
Können E-Rezepte in der Apotheke noch geändert werden und zeigt das System an, was geändert werden darf? Diese Fragen beantworteten Experten in einer Expopharm-Diskussionsrunde. / Foto: picture alliance/dpa/Reuters/Pool
Laut Hannes Neumann, Produktmanager E-Rezept bei der Gematik, sind 4 Millionen eingelöste E-Rezepte ein guter Anfang, die Kurve im Verlauf der vergangenen Wochen zeige nach oben. Es sei nun drei Monate vor dem Jahreswechsel für die Apotheken an der Zeit, sich intensiv mit diesem Thema zu befassen. Seitens des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) werde eingehend mit der Industrie und der Gematik daran gearbeitet, noch bestehende Probleme zu lösen, bekräftigte Martin Weigel, Referent IT/Telematik beim DAV.
Für Patientinnen und Patienten stehen drei Einlösewege für das E-Rezept zur Verfügung: das Stecken der elektronischen Gesundheitskarte (EGK), ein ausgedruckter Token aus der Arztpraxis oder der volldigitale Weg über die E-Rezept-App. Letzteres soll der Zukunftsweg sein, betonte Weigel. Das rosa Rezept werde aber als Ersatzverfahren noch beibehalten, etwa für Hausbesuche, Pflegeheime, Vor-Ort-Verschreibungen oder wenn die Technik streikt, ergänzte Gematik-Produktmanager Neumann.
Können E-Rezepte in der Apotheke noch geändert werden und zeigt das System an, was geändert werden darf? In gewissem Rahmen können sie laut Neumann »geheilt« werden, etwa wenn Angaben nur leicht verändert werden müssen. Die Spielregeln des Dokumentierens und der Abrechnungsvereinbarung bleiben aber gleich, es werde nur nicht mehr auf dem Papier, sondern digital dokumentiert. Jedes EDV-Haus habe die Änderungsmöglichkeiten anders verwirklicht, ergänzte Ralf König, Vorsitzender der E-Rezept-Enthusiasten. »Das E-Rezept ist die erste Anwendung, die sehr unterschiedlich qualitativ in den Warenwirtschaften umgesetzt wurde«, sagte er. Bei einer fehlerhaften Verordnung könne der Arzt ein neues E-Rezept zuschicken oder den Ausdruck zufaxen.
Ein weiterer Diskussionspunkt war das Thema Betäubungsmittel: Diese können noch nicht als E-Rezept verordnet werden. Ende des Jahres soll laut Gematik-Produktmanager Neumann ein Konzept vorliegen, an dem die Gesellschaft aktuell zusammen mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und der Bundesopiumstelle arbeitet. »Wir gehen davon aus, Ende nächsten Jahres eine Pilotierung zu starten, Mitte 2025 wird es dann in die Fläche gehen«, so Neumann.
Auch das Thema PKV-Rezepte stand im Fokus der Diskussionsteilnehmer. Die privaten Krankenversicherungen wollen den Kassen in puncto digitales Angebot in nichts nachstehen, bekräftigte Neumann. Erst vor einer Woche hatte das erste E-Privatrezept erfolgreich einen Testlauf bestanden. Er gehe davon aus, dass die ersten privaten Krankenversicherer das E-Privatrezept im vierten Quartal 2023 in kleinem Setup testen werden. Apotheken rät er, beim eigenen Hersteller zu erfragen, wie weit die Implementierung des E-Privatrezepts bereits fortgeschritten sei. »Die privaten Krankenversicherungen machen sich bereit«, verkündete Neumann.
Wie gehen Apotheken, die bisher noch keine Erfahrung mit dem E-Rezept hatten, vor? Wichtig sei zunächst, Informations- und Schulungsmaterial zu lesen und nach Test-E-Rezepten beim Hersteller zu fragen. »Es braucht Vorbereitung«, so Neumann. Sein Rat: Einfach anzufangen und die Arztpraxen aufzufordern, sich jetzt damit zu beschäftigen. Diese seien technisch in der Lage und hätten die notwendigen Voraussetzungen geschaffen.
Um das Bewusstsein für die näher rückenden Pflicht-Einführung noch weiter zu schärfen, haben die Gematik, die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung den »Aktionstag E-Rezept« am 10. Oktober geplant, damit das Thema durchgespielt und reflektiert wird. »So groß ihre Ängste sind, bei den Ärzten sind sie mindestens genauso groß oder größer. Die Apotheker sind vorneweggegangen, das dürfen Sie sich auf die Fahnen schreiben«, sagte Martin Weigel vom DAV. Bei Fragen stehen die Landesapothekerverbände zur Verfügung, zudem sei der DAV eng mit der Gematik vernetzt. Fragen sollten aber auch direkt an die Dienstleister und Softwarehersteller gerichtet werden.
Den Ausblick der Diskussionsrunde gab Moderatorin und Digital Health Expert Inga Bergen mit dem Thema Gesundheits-ID, die schon bereits in anderen Ländern etabliert ist. Am 12. September hatte die Gematik die Zulassung für die erste Gesundheits-ID erteilt: Die digitale Identität für die Barmer-Versicherten hat das Unternehmen T-Systems entwickelt und wird diese ab dem 1. Januar 2024 bereitstellen und verwalten. Mit der Gesundheits-ID können sich Versicherte künftig über ihr Smartphone in Apps wie das E-Rezept und die elektronische Patientenakte (EPA) einloggen. Ab dem 1. Januar 2024 sind Krankenkassen verpflichtet, ihren Versicherten die digitale Identität anzubieten. Die Nutzung ist für Versicherte freiwillig. Damit die digitale Identität, die den Zugang zu Online-Anwendungen erleichtern soll, von möglichst vielen Versicherten genutzt wird, setzt sich die Gematik gemeinsam mit Krankenkassen weiterhin für eine dauerhaft einfache und komfortable Anmeldung ein. Laut Neumann ist die Gesundheits-ID »zeitgemäßer als ein Stückchen Plastik«.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.