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Gestörte Entwicklung

Coronazeit wirkt fort auf Psyche junger Menschen

Ängste, Depressionen, Essstörungen: Beschränkungen der Coronazeit zeigen weiter Folgen für viele Kinder und Jugendliche. Wie steht es fünf Jahre nach dem ersten Lockdown um ihre psychische Gesundheit?
dpa
04.03.2025  13:00 Uhr

Fünf Jahre nach dem ersten Corona-Lockdown im März 2020 haben die Beschränkungen noch immer bei vielen Kindern und Jugendlichen tiefe Spuren hinterlassen. Die häufigsten psychischen Erkrankungen seien Essstörungen, Depressionen und Angststörungen, berichtet Christine Freitag vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP). Auch Entwicklungsstörungen, etwa reduzierte Feinmotorik, geringere Sprach- und Konzentrationsfähigkeit vor allem bei den Jüngeren, die nicht in Kita oder Schule gehen konnten, seien einschneidend. »Das kann man nicht einfach so aufholen. Das ist ein gewaltiges Zukunftsproblem für die gesamte Gesellschaft«, mahnt die Medizinerin der Uniklinik Frankfurt.

Aktuelle Zahlen zu Neuerkrankungen bei Magersucht (Anorexia nervosa) gebe es nicht, sagt Beate Herpertz-Dahlmann, die seit Jahrzehnten zu dem Thema forscht. »Wir wissen aber, dass die stationären Aufnahmen erheblich zugenommen haben.« Bei Klinikeinweisungen von Personen mit Magersucht zwischen 9 und 19 Jahren haben Forschende um die Aachener Medizinerin sehr beunruhigende Erkenntnisse gewonnen. In der Gruppe von 9 bis 14 Jahre (vor allem bei Mädchen) seien die Einweisungen 2023 im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 immens gestiegen, nämlich um 42 Prozent. Bei Jugendlichen (15 bis 19 Jahre) lag die Klinikaufnahme Magersüchtiger 2023 um 25 Prozent höher als 2019, schildert Herpertz-Dahlmann. Basis ihrer Studie waren rund 2,5 Millionen Krankenversicherten-Daten des Verbands der Ersatzkassen (VdEK).

Eine Hochrechnung der VdEK für ganz Deutschland zeigt: Aufgrund von Essstörungen, aber auch von Depressionen und Angststörungen, wurden 2023 erheblich mehr junge psychiatrische und psychosomatische Patienten unter 18 Jahren stationär in Kliniken behandelt als 2019.

Warum ist der Anstieg vor allem bei Kindern so stark?

»Es scheint so zu sein, dass Kinder unter den Einschränkungen besonders gelitten haben. Sie waren in der Pandemie noch stärker vereinsamt als die Jugendlichen«, sagt Herpertz-Dahlmann. Der Verzicht auf Verein, sportliche Aktivitäten, Lebensort Schule und Miteinander sei für sie vergleichsweise schlimmer gewesen. Auch die Belastung und Probleme der Eltern daheim hätten Jüngere stärker gespürt als die unabhängigeren Teenager oder jungen Erwachsenen, was Essstörungen wohl ebenfalls begünstigt habe, sagt die frühere Direktorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Aachen. Und: Der Social-Media-Konsum habe gerade bei Kindern zugenommen – und damit die Begegnung mit bedenklichen Schlankheits- oder Körperform-Idealen und Apps etwa zu Gewichtsabnahme oder exzessivem Bodybuilding.

Früherkennung ist wichtig. Plötzliche Umstellung auf strikt vegane oder vegetarische Kost, Vermeiden von Süßem oder ganzen Mahlzeiten sollten aufhorchen lassen - ebenso wie unzufriedene Äußerungen über das eigene Aussehen, dass man zu dick sei, trotz Gewichtsverlust. »Es kommen Wesensänderungen hinzu. Die Betroffenen werden sehr traurig, ziehen sich zurück, wollen mit anderen nichts zu tun haben, essen nicht mehr mit der Familie.« Bei Jungen ist die Störung der Aachener Expertin zufolge »unter-diagnostiziert«.

Atypische Magersucht nimmt zu

Schwierig zu erkennen ist atypische Magersucht, an der aktuell ebenfalls viele junge Menschen erkranken: Sie nehmen zwar massiv ab, weil sie aber vorher stark an Gewicht zugelegt hatten, auch infolge von Bewegungsmangel in der Pandemie, fällt es nicht so auf. Sie rutschten nicht unter die kritische Schwelle, könnten aber trotzdem dieselben psychischen und körperlichen Probleme haben wie Erkrankte mit Anorexia nervosa, erläutert Herpertz-Dahlmann.

Eine große Gruppe junger Menschen hat zudem unspezifische Essstörungen, die keine bestimmten Kriterien erfüllen, aber gesundheitsschädlich sind. Zudem sind bundesweit sind etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig, zusätzlich 5 Prozent adipös, einige von ihnen aufgrund einer »Binge-Eating-Störung«: Unkontrolliertes Heißhunger-Essen könne später zu Diabetes, Bluthochdruck oder Herzkrankheiten führen, warnt die Medizinerin aus Aachen.

Angststörungen und Depressionen weit verbreitet

Aktuell sei davon auszugehen, dass 5 bis 7 Prozent der Kinder und Jugendlichen Angststörungen haben, ergänzt Wissenschaftlerin Freitag. »Das geht nicht so richtig zurück. Und die Zahlen liegen höher als vor der Pandemie.« Bei den Jüngeren handle es sich auch um Trennungsangst oder übersteigerte Sorge, dass den Eltern etwas passieren könnte.

Soziale Phobien seien ebenfalls häufiger geworden. »Wenn jemand eher ängstlich veranlagt ist, wegen Schulschließung und fehlender Sozialkontakte aber nicht lernt, mit anderen Kindern zu interagieren, bleibt die korrigierende Übung und Erfahrung aus, die es zur Angstbewältigung braucht. Dann kann sich die Angststörung chronifizieren.«

Depressionen sieht die Medizinerin in etwa wieder auf dem Niveau vor Corona. Dass phasenweise kaum Kontakte möglich waren, Sport und Bewegung fehlte, habe zu Lustlosigkeit, Antriebsschwäche, Traurigkeit, Schlafproblemen, Müdigkeit oder Unzufriedenheit geführt. Mit Öffnung der Schulen und Vereine seien die depressiven Symptome seit 2023 allmählich wieder auf dem Rückzug. Professorin Freitag rät zu viel sozialen Kontakten, Sport, wenig Medienkonsum.

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