Clopidogrel & Co langfristig besser wirksam als ASS |
Theo Dingermann |
17.06.2025 13:00 Uhr |
Wer einmal einen Herzkatheter-Eingriff hatte, muss lebenslang ein antithrombotisches Medikament einnehmen und regelmäßig zum Kardiologen. / © Getty Images/VioletaStoimenova
Nach einer perkutanen transluminalen Koronarangioplastie (PCI) erhalten Patienten üblicherweise zunächst über einige Monate eine duale antithrombozytäre Therapie mit Acetylsalicylsäure (ASS) und einem P2Y12-Inhibitor wie Clopidogrel oder Ticagrelor. Die langfristige Sekundärprävention erfolgt traditionell mit ASS allein – ein Konzept, das auf Studien aus den 1970er-Jahren basiert. Aktuelle Daten favorisieren eine Monotherapie mit einem P2Y12-Inhibitor.
In einer Metaanalyse, deren Daten jetzt im Wissenschaftsjournal »British Medical Journal (BMJ)« publiziert wurden, untersuchten Forschende um Professor Dr. Daniele Giacoppo vom Department of General Surgery and Medical-Surgical Specialties an der University of Catania, Italien, ob die langfristige Prävention nach einer perkutanen Koronarintervention (PCI) mit einem P2Y12-Inhibitor wirksamer vor schweren kardiovaskulären Ereignissen schützt.
Dazu analysierten die Forschenden die Daten von fünf kontrollierten klinischen Studien mit insgesamt 16.117 Patienten, die nach elektiver oder akuter PCI und Abschluss einer dualen Thrombozyten-Aggregations-Hemmung (DAPT) entweder mit einem P2Y12-Inhibitor oder mit ASS weiterbehandelt wurden. Die mediane Beobachtungszeit der Studienpopulation betrug etwa 3,7 Jahre, in Teilanalysen sogar etwa 5,5 Jahre.
Als primäre Endpunkte wählten die Forschenden schwere kardiale und zerebrovaskuläre Ereignisse (MACCE), darunter kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall sowie schwere Blutungen als potenzielle unerwünschte Wirkung der Plättchenhemmung.
Die sekundären Endpunkte umfassten einen Netto-Komposit-Endpunkt für kardiale und zerebrovaskuläre Ereignisse (NACCE), der sich aus der Kombination der primären und koprimären Endpunkte ergab, sowie einzelne ischämische Ereignisse und Blutungen.
Es zeigte sich, dass unter einer Monotherapie mit P2Y12-Inhibitoren im Vergleich zu einer Monotherapie mit ASS schwere kardiale und zerebrovaskuläre Ergeignisse signifikant reduziert waren (HR: 0,77; P<0,001). Die Number Needed to Treat (NNT) errechnete sich zu 46. Bei den schweren Blutungen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede (HR: 1,12; P=0,60).
Bei den sekundären Endpunkten traten NACCE, Myokardinfarkt und Schlaganfall bei Patienten, denen ein P2Y12-Hemmer verabreicht wurde, seltener auf als bei Patienten, die ASS erhielten. Die Hazard Ratio für Myokardinfarkt betrug 0,69 (P=0,001) und für Schlaganfall 0,67 (P=0,004). Für den kombinierten Nettoendpunkt (NACCE) betrug die Hazard Radio 0,85 (P=0,04).
Es zeigten sich keine Unterschiede bei kardiovaskulärem oder Gesamtmortalitätsrisiko. Das Blutungsrisiko war insgesamt nicht erhöht. Jedoch konnte ein Trend zu mehr nicht schwerwiegenden Blutungen bei einer Behandlung mit P2Y12-Inhibitoren beobachtet werden.
Die Reduktion von MACCE war robust über alle Subgruppen hinweg, unabhängig von Alter, Geschlecht, Diabetesstatus, Nierenfunktion, Art des P2Y12-Inhibitors, ebenso wie von der klinischen Präsentation (akut versus chronisch), geografischer Region und der Begleitmedikation wie Protonenpumpen-Inhibitoren. Auch bei Per-Protocol-Analysen und Landmark-Zeitpunkten (zum Beispiel nach 1000 Tagen) blieben die Hauptergebnisse stabil.
P2Y12-Inhibitoren blockieren den ADP-vermittelten Thrombozyten-Aggregations-Weg irreversibel (Clopidogrel) oder reversibel (Ticagrelor) und unterdrücken damit eine zentrale Aktivierungsachse der Plättchen. Im Vergleich zur Acetylsalicylsäure, die nur die Thromboxan-A2-vermittelte Aggregation hemmt, haben P2Y12-Inhibitoren eine breitere und konsistentere antithrombotische Wirkung, ohne das gastrointestinale Schleimhautrisiko durch eine Hemmung der Cyclooxygenase.
Somit liefert diese Metaanalyse evidenzbasierte Argumente für einen Strategiewechsel in der Sekundärprävention nach PCI. Demnach sind P2Y12-Inhibitoren (Clopidogrel oder Ticagrelor) der ASS langfristig überlegen, wenn es um die Reduktion nicht tödlicher ischämischer Ereignisse geht, ohne dabei das Risiko schwerer Blutungen zu erhöhen.