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DPhG-Statement

Chancen und Grenzen der »Abnehmspritzen«

Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) hat sich mit den Chancen und Grenzen der Inkretinmimetika wie Semaglutid und Tirzepatid auseinander gesetzt. Ihr Fazit: Richtig eingesetzt könnten sie tatsächlich zum »Gamechanger« in der Behandlung stark übergewichtiger Patienten werden. Aber nur, wenn gleichzeitig die Ernährungs- und Bewegungsverhalten geändert wird. Das müsse den Patienten unbedingt klar gemacht werden.
AutorKontaktPZ
AutorKontaktDPhG
Datum 19.02.2024  11:00 Uhr

In ihrem neuen Statement schreiben stellvertretend für die DPhG die Pharmazieprofessorinnen und -professoren Dr. Ulrike Holzgrabe aus Würzburg (Altpräsidentin), Dr. Martina Düfer aus Münster (Wissenschaftlicher Beirat), Dr. Robert Fürst aus München (Generalsekretär) und Dr. Ulrich Jaehde aus Bonn (Präsident):

»Glucagon-like-Peptide-1(GLP-1)-Rezeptoragonisten, die auch als Inkretinmimetika bezeichnet werden, steigern die Glucose-abhängige Insulinsekretion und stellen für Typ-2-Diabetiker eine wichtige Behandlungsoption dar. Diese Substanzklasse gibt es seit fast 20 Jahren: Bereits 2005 kamen Exenatid und 2010 Liraglutid auf den Markt. Beide Arzneistoffe hatten zu Anfang den Nachteil, täglich subkutan injiziert werden zu müssen.

Mit einer angepassten Galenik für Exenatid (Bydureon®) und der Einführung von Dulaglutid (Trulicity®) im Jahr 2016 und Semaglutid (Ozempic®) im Jahr 2018 standen erstmals GLP-1-Rezeptoragonisten zur Verfügung, die nur noch einmal wöchentlich angewendet werden mussten. Indikation war zunächst ein unzureichend kontrollierter Typ-2-Diabetes bei Erwachsenen als Zusatz zu Diät und körperlicher Bewegung.

Die damit einhergehende Gewichtsreduktion durch die Stimulation des Sättigungsgefühls sowie das geringere Verlangen nach fetthaltiger Nahrung ist in klinischen Studien nachgewiesen worden. Auch die Möglichkeit, mit diesen Arzneistoffen Adipositas-assoziierte Herz-Kreislauf-Erkrankungen behandeln zu können, stellt einen nicht zu unterschätzenden Fortschritt dar.

Fehlende Kostenübernahme für Abnehmmittel befeuert Off-Label-Gebrauch der Antidiabetika

Als Elon Musk 2022 auf Twitter stolz mitteilte, dass er mithilfe von Ozempic und Diät 13 Kilogramm abgenommen habe, ging Semaglutid viral: Bei TikTok gab es hunderte Millionen Aufrufe von #Ozempic. Der Hersteller Novo Nordisk kam mit der Produktion von Semaglutid nicht mehr nach, da Millionen Menschen Ozempic off Label zum Abnehmen nutzten. Novo Nordisk zog daraus die Konsequenz und führte 2023 Wegovy® als Mittel gegen Adipositas ein.

Bemerkenswerterweise kostet Ozempic für Diabetiker circa 20 Euro pro Dosis, während das etwas höher dosierte Wegovy als Lifestyle-Arzneimittel je Dosis zwischen 46 und 59 Euro kostet und von den Krankenkassen nicht erstattet wird. Daher wird Ozempic auch weiterhin zum Abnehmen verwendet, was zu Engpässen bei der Versorgung von Typ-2-Diabetikern geführt hat!

Außerdem gibt es einen großen Schwarzmarkt für Ozempic, auf dem im letzten Jahr auch Fälschungen im Umlauf waren. Eine ähnliche Entwicklung ist für den dualen GLP-1- und GIP-Rezeptoragonisten Tirzepatid (Mounjaro®) zu befürchten, dessen Zulassung Ende 2023 ebenfalls um die Indikation Adipositas erweitert wurde.

Nebenwirkungen im Blick behalten

Da GLP-1-Rezeptoren an vielen Stellen des Organismus vorhanden sind, wundert es nicht, dass es sehr häufig Nebenwirkungen im Gastro-Intestinal-Trakt gibt, wie Übelkeit, Durchfall, Erbrechen und Obstipation. Diese kann man reduzieren, indem man mit einer niedrigen Dosis beginnt und sie langsam erhöht.

Mit dem gesteigerten Einsatz bei Adipositas steigt auch die klinische Relevanz seltenerer Nebenwirkungen wie Darmverschluss, Gallenerkrankungen und Pankreatitis. Ein Zusammenhang mit der Entstehung von Schilddrüsenkarzinomen steht im Raum, da die GLP-1-Rezeptoragonisten aber noch nicht so lange auf dem Markt sind, gibt es noch keine Langzeitdaten. Zusammengenommen kann festgestellt werden, dass es sich keinesfalls um eine harmlose Arzneistoffgruppe handelt!

Lebenlange Anwendung nötig?

Die Zeitschrift »Science« kürte Ozempic zum »bahnbrechenden Arzneimittel 2023«. Dabei stand der Einsatz gegen Fettleibigkeit im Fokus. Aber sind GLP-1-Rezeptoragonisten einfach so zum Abnehmen geeignet? Studien zeigen zwar, dass bis zu 15 Prozent des Körpergewichts verloren werden können. Allerdings nimmt man nach Absetzen des Lifestyle-Medikaments auch wieder zu, da das Verlangen nach »falscher« Nahrung sofort wieder da ist, ebenso ist die Verlangsamung der Magenpassage wieder aufgehoben. Das bedeutet, dass man GLP-1-Rezeptoragonisten im Prinzip ein Leben lang anwenden müsste.

Übrigens werden mittlerweile nicht peptidische GLP-1-Rezeptoragonisten, die sogenannten Gliprone (Orforglipron, Lotiglipron und Danuglipron), zur Gewichtsreduktion in klinischen Studien getestet. Sie haben – erwartungsgemäß – das gleiche Wirkprofil und zeigen die gleichen unerwünschten Wirkungen wie die bisherigen peptidischen Substanzen. Ob man auch sie ein Leben lang einnehmen müsste, bleibt abzuwarten.

Wie könnte ein rationaler Einsatz von GLP-1-Rezeptoragonisten aussehen?

Sie könnten dabei helfen, das Ernährungs- und Bewegungsverhalten von Übergewichtigen nachhaltig zu verändern. Das wäre ein enormer Fortschritt, denn wir wissen, wie schwierig es ist, schlechte Essgewohnheiten abzulegen. Hoch verarbeitete Lebensmittel, die viel Zucker und tierische Fette enthalten, sollten gemieden werden; allein damit kann man die Kalorienzufuhr deutlich reduzieren. Dazu sollte immer auch Bewegung kommen, was bei starker Fettleibigkeit nicht ganz einfach ist.

Eine Behandlung mit GLP-1-Rezeptoragonisten könnte somit durch einen schnellen Erfolg bei der Gewichtsreduktion einen Einstieg in Lebensstiländerungen erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen. Gelingt das, könnten die Patienten auch nach Absetzen oder Ausschleichen der GLP-1-Rezeptoragonisten möglicherweise ihr Gewicht halten. Hierzu wird es in näherer Zukunft hoffentlich Studien geben.

Wie können wir Patientinnen und Patienten aber schon jetzt dazu beraten? Am wichtigsten ist es wohl, ihnen zu erklären, warum zu einer Therapie mit GLP-1-Rezeptoragonisten bei Adipositas immer Änderungen des Ernährungsverhaltens und der körperlichen Aktivität gehören. Oder andersherum ausgedrückt: Ohne Lebensstilanpassung hat man nicht lange etwas von Ozempic & Co.

Auf diese Weise können GLP-1-Rezeptoragonisten einen Anreiz für die Patienten darstellen, eine schon lange geplante Anpassung des Lebensstils bei Adipositas endlich anzugehen. So eingesetzt wären sie tatsächlich ein Gamechanger in der Behandlung adipöser Patienten.«

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