»Card-Link ist ein Brandbeschleuniger« |
Lukas Brockfeld |
12.04.2024 14:32 Uhr |
PZ-Chefredakteur Alexander Müller (links) sprach mit Florian Hartge und Claudia Korf über das E-Rezept und das Card-Link-Verfahren. / Foto: ABDA
Seit mehr als 100 Tagen ist das E-Rezept in Deutschland Pflicht. Doch aufgrund häufiger technischer Probleme ist die bisherige Bilanz eher durchwachsen. Am Donnerstagabend diskutierten Claudia Korf, Geschäftsführerin Ökonomie bei der ABDA, und Gematik-Interimsgeschäftsführer Florian Hartge um über die Chancen und Probleme der elektronischen Verschreibungen zu diskutieren.
Ein wesentliches Streitthema war das neue Card-Link-Verfahren, bei dem ein E-Rezept mit der elektronischen Gesundheitskarte (EGK) über eine Smartphone-App eingelöst werden kann. In dieser Woche gab der Versender Doc Morris bekannt, eine Card-Link Zulassung von der Gematik bekommen zu haben. Das Verfahren steht seit langem wegen Bedenken beim Datenschutz in der Kritik.
Auch Claudia Korf sorgte sich um die Sicherheit der Patientendaten. »Medizinische Daten gehen auf Wanderschaft, der Patient kann nicht erkennen, welche Apps sicher sind. Die Anwender bekommen eine App, die groß beworben wird und simpel in der Anwendung ist. Doch ob die Daten in der App verbleiben, kann kein Mensch überprüfen.« Korf wünscht sich daher eine Integration des Card-Link-Verfahrens in die Gematik-App. Diese sei mit großem Aufwand entwickelt worden und könne ein hohes Maß an Sicherheit gewährleisten.
Für Korf ist es unverantwortlich, dass die Apps der Gematik und der Krankenkassen sehr hohe Sicherheitsstandards erfüllen müssen, die allerdings nicht für die Anwendungen von Drittanbietern gelten.
Hartge teilte diese Einschätzung nicht und betonte, dass das gegenwärtige Verfahren nur eine »Brückentechnologie« sei. »Das Verfahren ist im Einvernehmen mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten und dem Bundesamt für Sicherheit in der Infotmationstechnik abgestimmt worden. Die App ist eine Verlängerung des Apothekensystems für den auch die Datenschutzgrundverordnung gilt«, erklärte der Gematik-Interimsgeschäftsführer.
Auch die Doc Morris Anwendung sei angemessen geprüft worden. Die schnelle Zulassung ließe sich dadurch erklären, dass der niederländische Versandhändler früh mit der Entwicklung begonnen und diese mit großem Druck vorangetrieben habe.
Hartge bestätigte, dass aktuell noch weitere Card-Link Zulassungsverfahren laufen. Claudia Korf befürchtet daher merkliche Verschiebungen auf dem deutschen Apothekenmarkt: »Das ist ein Brandbeschleuniger. Schon jetzt machen ausländische Versandapotheken rechtswidrige Rabattangebote und haben über das neue Verfahren eine Chance, an mehr Verschreibungen zu gelangen.«
Diskutiert wurde auch über die Startschwierigkeiten des E-Rezepts, vor allem da die Technik immer wieder Aussetzer hat. Trotzdem würden Claudia Korf und Florian Hartge den elektronischen Verschreibungen eine Schulnote von 2- geben. »Rein quantitativ ist das eine richtig gute Leistung«, erklärte Claudia Korf. »Aber wenn wir es uns qualitativ anschauen, dann hapert es erheblich. Das Leistungsversprechen des E-Rezeptes war mehr Convenience für die Patienten und weniger Aufwand in Praxen und Apotheken. Das stellt sich aktuell leider nicht so dar.«
Aktuell gäbe es zu viele Störungen und die Anwender hätten durch die elektronischen Verschreibungen einen Mehraufwand. »Die Telematik-Infrastruktur ist ein lebendes Objekt«, erklärte Hartge. »Es gibt viele Komponenten von vielen IT-Firmen, die zusammenspielen müssen, damit alles funktioniert und das E-Rezept läuft.« Auch in dieser komplexen Infrastruktur müssten regelmäßige Software-Updates gemacht werden. »Manchmal passiert es, dass Menschen dabei Fehler machen und etwas schief läuft«, betonte der Gematik-Interimsgeschäftsführer.
Die regelmäßigen Anpassungen der Software seien notwendig und könnten auch in Zukunft für Probleme sorgen. »Wir haben das E-Rezept sehr intensiv getestet. Aber wenn ein System lebt und sich immer wieder verändert, dann passieren Fehler«, so Hartge. Jetzt habe man es jedoch geschafft, eine wichtige digitale Anwendung zu etablieren, und man müsse gemeinsam daran arbeiten, dass diese verlässlich zur Verfügung steht.
Ein verlässliches E-Rezept ist vor allem für die Teams der Apotheken wichtig. »Für uns ist es völlig egal, was gerade nicht funktioniert, am Ende kann die Apotheke keine Arzneimittel abgeben«, betonte Claudia Korf. »Der Patient kommt in die Apotheke und stellt fest, es geht nicht. Wir haben dann einen großen Aufwand damit, sicherzustellen dass die Versorgung trotzdem stattfinden kann.« Im Falle eines Problems sollten die Apotheken sofort ein Ticket bei der Gematik lösen, damit die Behandlung des Fehlers möglichst schnell beginnen kann.
Diesen Rat werden Apothekerinnen und Apotheker wohl noch lange beherzigen müssen. Am Ende des Abends waren Claudia Korf und Florian Hartge zwar zuversichtlich, dass sich die elektronischen Verschreibungen als nützlicher Teil der Versorgung etablieren werden. Sie stellten aber auch fest, dass es ein perfekt funktionierendes E-Rezept »nie« geben werde.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.