Cannabis-Rezept per Fragebogen – Apotheker macht sich strafbar |
Alexander Müller |
09.07.2025 12:00 Uhr |
Bei Medizinalcannabis-Rezepten über Plattformen sollten Apotheker laut einem Rechtsgutachten vorsichtig sein. / © IMAGO/Smith
Der Cannabis-Bezug über Plattformen steht derzeit unter besonderer Beobachtung. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) möchte die aus ihrer Sicht zu leicht zugänglichen Onlineverschreibungen einschränken. »Es ist sehr einfach, online an eine Verschreibung zu kommen: Man kreuzt in einer Checkliste an, welche Beschwerden man angeblich hat, und erhält ein Onlinerezept«, sagte die Ministerin im Mai der FAZ.
In der Praxis geht unter anderem die Apothekerkammer Nordrhein gegen solche Plattformen vor – gegen die Betreiber, aber auch gegen kooperierende Apotheken. Der VCA möchte seine Mitglieder vor Schaden bewahren und hat die straf- und bußgeldrechtlichen Risiken juristisch prüfen lassen. Das Rechtsgutachten liegt der PZ vor.
Zunächst ist es laut Gutachten nicht grundsätzlich verboten, Medizinalcannabis aufgrund einer Verschreibung abzugeben, die im Rahmen einer telemedizinischen Behandlung ausgestellt wurde. Wichtig ist, dass anerkannte medizinische Standards eingehalten werden und der Arzt eigenverantwortlich entscheidet.
Und da beginnt das Problem: Denn unlängst hat das Landgericht München I entschieden, dass es den »anerkannten, fachlichen Standards« widerspricht, Medizinalcannabis via Fernbehandlung zu verschreiben. Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor, aber es ist möglich, dass das Gericht die Verordnung von Medizinalcannabis via Telemedizin komplett ausschließt. Sollte sich diese Sichtweise durchsetzen, könnte eine Abgabe auch für den Apotheker strafrechtlich relevant werden – weil er das Medizinalcannabis dann quasi ohne Rezept abgibt.
Richtig kritisch wird es laut VCA-Gutachten, wenn die Verschreibung allein auf Basis eines Fragenkatalogs ausgestellt wird, also ohne direkten Arzt-Patient-Kontakt. Es handele sich nämlich dann schon nicht um eine Behandlung im Sinne der Muster-Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä). Fazit der Gutachter: »Verschreibungen, die allein auf Basis eines Online-Fragebogens erfolgen – ohne einen persönlichen Arztkontakt – genügen nicht den Anforderungen des § 3 MedCanG und führen zur Strafbarkeit auch des Apothekers.«
Medizinalcannabis ist zwar kein Betäubungsmittel mehr. Das Landgericht Hamburg habe im März 2025 aber dennoch bestätigt, dass bei der Abgabe generell ein persönlicher Kontakt erforderlich sei, schon aufgrund der erheblichen Risiken der Suchtgefahr sowie weiterer Gesundheitsrisiken. Bloße Eigenangaben des Patienten reichen auch aus Sicht des Gutachters, Strafrechtler Matthias Brockhaus, nicht aus. Daraus resultiere nicht nur ein Strafbarkeitsrisiko des Arztes, »sondern auch des Apothekers, da die spätere Abgabe des Medizinalcannabis ohne ärztliche Verschreibung erfolgt«.
Eine Strafbarkeit nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 MedCanG setzt wiederum ein vorsätzliches Handeln des Apothekers voraus. Er muss bei der Abgabe Kenntnis davon haben oder billigend in Kauf nehmen, dass die Abgabe ohne ärztliche Verschreibung erfolgt. Das könnte für Apotheken zum Problem werden, die den Online-Plattformen unmittelbar angeschlossen sind. Die Ermittlungsbehörden würden dies wohl als Anhaltspunkt für den subjektiven Tatbestand des Apothekers nehmen, so die Warnung des Gutachters. Und: Bei gewerbsmäßigem Handel liegt das Strafmaß zwischen drei Monaten und fünf Jahren Freiheitsstrafe.
Ein Apotheker muss zwar nicht grundsätzlich prüfen, ob eine Verschreibung medizinisch begründet ist, hat aber gewisse Sorgfaltspflichten bei der Rezeptbelieferung zu beachten. Das gilt bei Medizinalcannabis mit einem erhöhten Missbrauchs- und Abhängigkeitsrisiko in besonderem Maße. Wenn das Rezept dann auch noch über eine Plattform zur Apotheke gelangt, die offen mit Verschreibungen auf Basis von Fragenkatalogen wirbt, ist der Apotheker dem Gutachter zufolge schnell im Bereich der Fahrlässigkeit. Und in Bezug auf die Plattformbetreiber sieht er zusätzlich das Risiko der Beihilfe zu einem unerlaubten Handeltreiben.
Und dann steht noch das Zuweisungsverbot gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 Apothekengesetz (ApoG) im Raum. Nach der aktuellen Rechtslage seien explizit auch »Dritte« – wie die Plattform – von der Norm umfasst, erinnert der Gutachter. Kooperationen zwischen Apotheken und Medizinalcannabis-Plattformen scheinen vor diesem Hintergrund berufsrechtlich problematisch zu sein.
Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Vermittlung auf Plattformen durchgewinkt, solange dem Patienten noch eine Wahlmöglichkeit bleibt. Problematisch könnte es jedoch sein, wenn die kooperierenden Apotheken beispielsweise Einfluss auf ihre Positionierung nehmen könnten.
Ein erhebliches strafrechtliches Risiko sieht der Gutachter bei der Kooperation mit Fragebogen-Plattformen. Wenn Apotheken ganz sicher gehen wollen, sollten sie laut Gutachter aber auch auf Cannabis-Rezepte aus telemedizinischen Behandlungsgesprächen verzichten.
Das vollständige Gutachten von Rechtsanwalt Matthias Brockhaus ist Mitgliedern des VCA vorbehalten.