Cannabis-Freigabe soll Justiz entlasten |
Das Gesundheitsministerium erhofft sich von der geplanten Cannabis-Legalisierung Kosteneinsparungen bei der Strafverfolgung sowie in Gerichten und Gefängnissen. / Foto: Adobe Stock/Syda Productions
Den Referentenentwurf eines »Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften«, kurz Cannabis-Gesetz, hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) am Donnerstag an die Länder, Behörden und Verbände geschickt. Diese haben nun bis zum 24. Juli Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen.
Vom ersten Gesetzentwurf, der im Mai bekannt geworden war, unterscheidet sich der aktuelle Entwurf nur wenig. Weiterhin ist geplant, dass nicht kommerzielle Anbauvereinigungen Cannabis legal anbauen und in begrenzter Menge an ihre erwachsenen Mitglieder abgeben dürfen. Einen freien Verkauf der Droge in lizenzierten Geschäften, gegebenenfalls auch in Apotheken, soll es nicht geben. Dies soll erst in einem zweiten Schritt in Modellregionen erprobt werden. Dazu will das BMG nach der Sommerpause einen weiteren Gesetzentwurf vorlegen.
Ziel des Cannabis-Gesetzes ist laut Entwurf unter anderem, den illegalen Markt für Cannabis einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu stärken. »Zum Schutz von Konsumentinnen und Konsumenten soll die Qualität von Konsum-Cannabis kontrolliert und die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert werden«, heißt es.
Infolge der kontrollierten Cannabis-Freigabe rechnet das Ministerium laut Entwurf mit »jährlichen Einsparungen bei Strafverfolgungsbehörden in Höhe von 800 Millionen Euro, bei Gerichten in Höhe von 220 Millionen Euro und bei Justizvollzugseinrichtungen in Höhe von 35 Millionen Euro«.
Das BMG geht davon aus, dass in den Anbauvereinigungen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstehen werden, die der Sozialversicherung zugutekämen. Zudem erhielten Bund, Ländern und Kommunen zusätzliche Lohnsteuereinnahmen.
Dem stünden laut Entwurf zwischen 2024 und 2027 Ausgaben für den Bundeshaushalt in Höhe von einer Million Euro jährlich für die Evaluation gegenüber. Für Angebote zur Information, Aufklärung und Prävention veranschlagt das BMG für 2024 einmalige Kosten von sechs Millionen Euro sowie von zwei Millionen Euro in den Folgejahren.
Dem Entwurf zufolge sollen Volljährige bis zu 25 Gramm Cannabis besitzen dürfen. Zudem soll der Anbau von maximal drei Pflanzen zum Eigenbedarf erlaubt werden.
In erster Linie sollen sogenannte Cannabis-Clubs die Droge gemeinschaftlich anbauen und abgeben dürfen. Die Vereine und Vereinsmitglieder müssen sich dabei auf strenge Regeln einstellen. Innerhalb der Vereine und im Umkreis von 200 Metern – ursprünglich waren 250 Meter geplant – sollen Erwachsene kein Cannabis konsumieren dürfen.
Räume und Grundstücke der Clubs, in oder auf denen die Droge gelagert und angebaut wird, müssen umzäunt und gesichert werden, etwa mit einbruchsicheren Türen und Fenstern. Gewächshäuser brauchen einen Sichtschutz. Cannabis-Vereine müssen Sucht- und Präventionsbeauftragte benennen und sicherstellen, dass Grenzwerte für Pflanzenschutz- oder Düngemittel-Rückstände eingehalten werden.
Die nicht gewinnorientierten Anbauvereinigungen dürfen Cannabis nur an Mitglieder ausgeben. Maximal 50 Gramm im Monat sollen erlaubt sein. Die Clubs dürfen das Cannabis nur in einer »neutralen Verpackung« abgeben, damit es für Jugendliche keine »Konsumanreize« gibt, wenn sie diese zu sehen bekommen. Ein Beipackzettel mit Angaben zu Gewicht, Erntedatum, Mindesthaltbarkeitsdatum, Sorte sowie Wirkstoffgehalt soll Pflicht sein.
Zudem darf in der Öffentlichkeit in einem Abstand von bis zu 200 Metern zu Schulen, Kitas, Spiel- oder Sportplätzen nicht gekifft werden. In Fußgängerzonen bleibt es wie schon im ersten Entwurf beim angestrebten Konsumverbot zwischen 7 und 20 Uhr.
Der Gesetzentwurf könnte Mitte August im Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden. Dann wäre der Bundestag am Zug. Der Bundesrat muss den Plänen zufolge nicht zustimmen. Die Ampelkoalition hofft, dass die Legalisierung noch in diesem Jahr umgesetzt wird.
Die ABDA hatte die Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken im Mai »aus fachlichen Gründen abgelehnt«, teilte die Bundesvereinigung heute mit. Daher sei es zu begrüßen, dass »die Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken durch Apotheken nicht vorgesehen ist«.
Der Deutsche Richterbund (DRB) widersprach der Annahme, dass das Gesetz zu einer Entlastung der Gerichte führen werde. »Die Annahme einer massiven Entlastung der Justiz ist völlig unrealistisch«, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn der Deutschen Presse-Agentur am Freitag in Berlin. Zu erwarten sei vielmehr, dass das »extrem kleinteilige Gesetz in der Umsetzung zu hohem Kontrollaufwand, zahlreichen neuen Streitfragen und zu vielen zusätzlichen Verfahren vor den Gerichten« führen würde. Unterm Strich dürften die Pläne sogar eher zu einer Mehrbelastung für die Justiz führen, befürchtet Rebehn.
Auch die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) kritisierte die erwarteten Kostenentlastungen durch die geplante Cannabis-Legalisierung. Gentges sagte am Donnerstag in Stuttgart, wer sich bei dem Thema vom Einsparpotenzial leiten lasse, ebne den Weg für eine Justiz nach Kassenlage und nicht nach rechtlich Gebotenem. »Das Argument der Justizentlastung ließe sich bei jedem Straftatbestand anführen: Ladendiebstahl, Beleidigung oder Umweltdelikte – all das bindet Ressourcen der Strafverfolgung.« Das seien Delikte, die man nicht unverfolgt lasse, weil man die dahinterstehenden Rechtsgüter schützen wolle. »Alleine darauf kommt es bei der Frage an, ob wir als Staat ein Verhalten unter Strafe stellen.«
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek forderte die Bundesregierung erneut auf, die geplante Cannabis-Legalisierung zu stoppen. Die Pläne verstießen auch in ihrer aktuellen Ausgestaltung gegen Europa- und Völkerrecht und seien für die Länder kaum umsetzbar, sagte er am Donnerstag während der Gesundheitsministerkonferenz in Friedrichshafen am Bodensee. »Noch wichtiger ist: Die Bundesregierung gefährdet mit diesem Vorhaben die Gesundheit vor allem junger Menschen. Außerdem vernachlässigt sie sträflich das Thema Prävention«, kritisierte Holetschek.