Studenten sehen Fachbereich in Gefahr |
02.02.2004 00:00 Uhr |
Obwohl die Pharmazie-Studenten der Freien Universität Berlin (FU) bezüglich ihrer Ausbildungsbedingungen bislang wenig Grund zur Klage hatten, schlossen sie sich den Studentenprotesten der letzten Wochen an. Denn nach der Schließung des Fachbereichs an der Humboldt-Universität (HU) bangen sie auf Grund der vom Senat beschlossenen Sparmaßnahmen nun um die Zukunft ihres Instituts.
Insgesamt 75 Millionen Euro sollen nach den Plänen des Berliner Senats bis zum Jahr 2009 an den Berliner Hochschulen eingespart werden. Insbesondere Mehrfachangebote der Universitäten sind nach Ansicht von Wissenschaftssenator Dr. Thomas Flierl dabei auf den Prüfstand zu stellen.
Anregungen zu Campus PZ Mit dieser Ausgabe startet in der Pharmazeutischen Zeitung das Ressort Campus. Es wendet sich in erster Linie an Pharmaziestudentinnen und -studenten. Campus erscheint während des Semesters monatlich.
Im Ressort finden Sie in Zukunft Beiträge zu allen Themen rund ums Pharmaziestudium. Dazu gehören neben der akademischen Ausbildung auch Themen wie Berufsperspektiven oder Möglichkeiten der Qualifizierung und Fortbildung außerhalb der Universität. Selbstverständlich thematisieren wir auch Probleme und Nöte der Studentinnen und Studenten, die aus den Sparexzessen der Bildungspolitik entstehen.
Im Sinne einer lesergerechten Themenauswahl und Textaufbereitung wünscht sich die PZ-Redaktion einen regen Meinungsaustausch mit den Pharmaziestudentinnen und -studenten. Ohne Anregungen der Adressaten von Campus kann es keinen Erfolg haben.
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Die Entwürfe des Präsidialamtes der FU zur Umsetzung der Kürzungen sehen jedoch eine überproportionale Belastung des Fachbereichs Pharmazie vor, obwohl das Pharmazeutische Institut der HU vor zwei Jahren geschlossen und damit bereits beträchtliche Einsparungen realisiert worden waren. Vier von elf Professorenstellen sollen am Fachbereich in Zukunft gestrichen werden. Die Zahl der Assistentenstellen reduziert sich bei einer Umsetzung der Pläne des Präsidenten um etwa die Hälfte.
Qualität der Lehre leidet
Durch die Streichungen gerate die Qualität der Ausbildung in Gefahr, warnt Maria Zoschke, Pharmazie-Studentin im dritten Semester. Praktika könnten nur noch unzureichend betreut, Seminare und andere Lehrveranstaltungen durch die verbleibenden Assistenten nicht mehr im vorgeschriebenen Umfang gehalten werden. Damit sei ein zügiger und der Ausbildungsordnung entsprechender Studienabschluss vielfach unmöglich.
Dabei boten die Ausbildungsbedingungen den Pharmazeuten an der Berliner Uni bis jetzt wenig Grund zur Klage. Überfüllte Hörsäle, Wartezeiten für Laborplätze oder ein schlechtes Arbeitsklima hätten bislang an dem Dahlemer Institut - anders als an so vielen anderen Fachbereichen - nicht zum Studienalltag gehört, berichtet Maximilian Wilke, ebenfalls Student im dritten Fachsemester. Statt dessen konnten sogar Umbaumaßnahmen an dem stark sanierungsbedürftigen Institutsgebäude begonnen werden, die im nächsten Jahr abgeschlossen sein sollen. Wenn dann die Studenten in die fachbereichseigenen Hörsäle beziehungsweise an modern ausgestattete Laborplätze zurückkehren, könnte sich die Situation allerdings bereits deutlich verändert haben.
Stellen laufen früher aus
„Zwar wurde der Stellenabbau bei den Professoren und Assistenten vom Präsidialamt auf einen längerfristigen Zeitraum angelegt. Die Realität sieht aber anders aus“, schildert Michael Rottke. Bereits in diesem Jahr liefen 60 Prozent aller Assistentenstellen auf Grund von Promotionsabschlüssen aus, die infolge der Sparmaßnahmen nicht mehr neu besetzt werden dürften, so der Pharmazie-Student. Auch bei den Professorenstellen zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Obwohl ein Teil der Lehrstühle aus Altersgründen bereits in den nächsten Jahren neu zu besetzen wäre, bleiben dem Fachbereich neue Berufungen bis zum Jahr 2012 verwehrt. Auf den Umfang und die Qualität von Forschung und Lehre wirkt sich dies nach Ansicht von Mitarbeitern und Studenten deutlich negativ aus. Die Vergabe von Lehraufträgen an externe Mitarbeiter dürfte eine gleichermaßen pädagogisch, wissenschaftlich und ökonomisch ungünstigere Alternative darstellen, gibt Rottke zu bedenken. Schließlich gelte es auch in Fächern wie der allgemeinen anorganischen und organischen Chemie, zur effektiven Vermittlung von Fachwissen eine Brücke zu pharmazeutischen Aspekten zu schlagen. Inwieweit dies fachfremden Honorardozenten möglich sei, müsse bezweifelt werden, so Rottke.
Klinische Pharmazie besonders betroffen
Besonders betroffen von dem Einstellungsstopp ist das Fach Klinische Pharmazie, das nach der neuen Approbationsordnung Bestandteil des pharmazeutischen Staatsexamens ist. Wird die geplante Professur nicht besetzt, könnten in Berlin bereits in Kürze die gesetzlichen Vorgaben zur Ausbildung zum Apotheker nicht mehr erfüllt werden. „Die Situation ist einfach paradox“, stellt Wilke nüchtern fest. „Nach der Sanierung im Jahr 2005 haben wir ein hervorragend ausgestattetes Institut. Aber dann sind wahrscheinlich schon keine Dozenten mehr da.“
In Anbetracht der düsteren Zukunft hatten sich die Studenten bereits im Dezember zum Handeln entschlossen. Eine Woche lang nutzten sie die Berliner Studentenproteste, um möglichst publikumswirksam öffentlich auf die Missstände aufmerksam zu machen. Begleitend zu Demonstrationen und öffentlichen Vorlesungen im Freien verteilten die Pharmazeuten Informationsblätter und sammelten Unterschriften in der Bevölkerung, in Apotheken und in ansässigen Pharmaunternehmen für den Erhalt des Fachbereichs und eine Rücknahme der extremen Belastungen. Über 6000 Unterschriften konnten auf diese Weise zusammengetragen und einem Referenten des FU-Präsidenten übergeben werden. Parallel dazu erläuterten die Pharmazeuten dem Vizepräsidenten der FU, Professor Dr. Rudolf Tauber, die Konsequenzen der Sparpolitik aus ihrer Sicht. Tauber sei weitgehend verständnisvoll, teilweise sogar sichtlich verwundert über ihm bislang unbekannte Zusammenhänge gewesen, beschreibt Wilke das Gespräch. Abschließend habe Tauber den Vertretern versichert, dass die Pharmazie als Studiengang in Berlin fortbestehen solle.
Unterstützt wurden die Studenten bei ihren Aktionen nicht nur von den Lehrkräften, sondern auch von der Apothekerkammer Berlin sowie dem Berliner Apotheker-Verein. Diese verteilten Vordrucke für die Unterschriftensammlung an Berliner Apotheken und machten in einem Offenen Brief den Wissenschaftssenator und weitere politische Entscheidungsträger auf die Problematik aufmerksam.
Weniger Immatrikulationen
Eine Möglichkeit, trotz Stellenabbau die Qualität der pharmazeutischen Ausbildung an dem Berliner Institut aufrecht zu erhalten, sehen die Mitarbeiter des Fachbereichs in Einschränkungen bei der Zahl der Immatrikulationen. Bislang werden pro Semester etwa 80 Studenten für ein Pharmazie-Studium an der FU zugelassen. Infolge der Streichung der Stellen für Professoren und Hochschullehrkräfte könnte sich diese Zahl jedoch schon bald halbieren, prognostiziert Rottke. Und Wilke verdeutlicht, dass dies in krassem Widerspruch zu dem offensichtlichen hohen Bedarf stehe, zumal das Institut der einzige Standort für eine pharmazeutische Hochschulausbildung in Berlin und Brandenburg sei. Vor einem dramatischen Rückgang der Zahl junger und gut ausgebildeter Apothekerinnen und Apotheker für alle pharmazeutischen Arbeitsfelder bei gleichzeitig steigender Nachfrage warnen daher nicht nur die Studenten, sondern auch die Präsidenten von Kammer und Verein in ihren Schreiben. Gerade vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Änderungen in der Bevölkerungsstruktur sei die Ausbildung einer ausreichenden Zahl von Pharmazeutinnen und Pharmazeuten zwingend notwendig. Auch der Präsident der Bundesapothekerkammer, Johannes M. Metzger, machte sich für die Berliner Pharmazeuten stark und wies Wissenschaftssenator Flierl sowie den Präsidenten der FU, Professor Dr. Dieter Lenzen, auf die Bedeutung des qualifizierten Nachwuchses für die wissenschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung des Standortes Berlin hin.
Professor Dr. Ronald Gust, geschäftsführender Direktor des Fachbereichs
Pharmazie, erläuterte gegenüber der PZ kurz vor Redaktionsschluss dieser
Ausgabe den aktuellen Stand der Dinge. Ein Strukturplan, der in den
nächsten Wochen durch den Institutsrat sowie den Fachbereichsrat
verabschiedet werden soll, sieht vor, dass auch in Zukunft in jedem Fach
die entsprechenden Professuren zu besetzen sind. Durch Vergabe einer erst
im Jahr 2012 zu besetzenden Stelle „auf Kredit“ soll die Anzahl der
Streichungen auf drei Professuren reduziert werden. Die Zukunft der
Assistentenstellen sei jedoch nach wie vor ungewiss, so Gust.
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