Calcium sorgt für übernatürlich starken Grip |
| Johanna Hauser |
| 12.11.2025 16:20 Uhr |
Hautinfektionen sind nur ein Teil des Repertoires von Stahpylococcus aureus. / © Adobe Stock/hereswendy
Haut- und Weichteilinfektionen, Lungen- und Hirnhautentzündung, Endokarditis, toxisches Schocksyndrom oder Sepsis – die Liste der Erkrankungen, die Staphylococcus aureus (S. aureus) verursach kann, ist lang. Aufgrund der zahlreichen Antibiotikaresistenzen könnte das Verständnis der Adhäsionskräfte, mit denen sich der Keim an Geweben »festhält«, neue Therapiemöglichkeiten eröffnen.
Eine internationale Forschungsgruppe um Dr. Constance Chantraine von der Katholischen Universität Leuven konnte nun in Laborversuchen zeigen, welche molekularen Mechanismen das Bakterium nutzt, um an menschlicher Haut haften zu bleiben. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal »Science Advances« vorgestellt.
Wenn S. aureus die menschliche Haut besiedelt, bindet es über sein Oberflächenprotein Serin-Aspartat-Repeat-Protein D (SdrD) an das in der äußeren Hautschicht vorkommende Strukturprotein und Zelladhäsionsmolekül Desmogelin-1 (DSG-1). Das Protein wird sowohl von Korneozyten als auch von Keratinozyten exprimiert. DSG-1 weist unter anderem eine calciumabhängige extrazelluläre Region auf.
Die so entstehende Bindung zählt laut den Forschern zur stärksten Protein-Protein-Bindung, die bisher beschrieben wurde. Im Labor hielt diese Bindung einer Belastung von 2 Nanonewton (nN) stand. Und ist somit in der Lage, Wasch- und Reibungsvorgänge unbeschadet zu überstehen. Zum Vergleich: Um die Atombindung zweier Kohlenstoffatome aufzubrechen, ist ein Kraftaufwand von etwa 1,6 nN notwendig.
Eine entscheidende Rolle bei der Ausprägung einer so starken Bindung spielt nach Ansicht der Forscher Calcium. »Wir waren überrascht, wie sehr Calcium zur Stärke dieser Wechselwirkung beitrug«, führt Dr. Priscila Gomes, Mitautorin der Studie, aus. »Es stabilisierte nicht nur das bakterielle Protein, sondern machte den gesamten Komplex auch viel widerstandsfähiger gegen Zerbrechen.«
Die calciumvermittelte »Superhaftung« von S. aureus auf der Haut erklärt, warum der Keim bei Patienten mit atopischer Dermatitis häufiger Probleme bereitet. Bei dieser Patientengruppe ist das Calciumgleichgewicht der Haut gestört – der erhöhte Calciumspiegel ermöglicht eine wesentlich festere Anhaftung des Bakteriums.
Laborversuche mit Hautproben von Betroffenen zeigten bei diesen eine deutlich großflächigere und stärkere S. aureus-Besiedlung. Dies könnte auch erklären, warum Menschen mit atopischer Dermatitis häufiger Staphylokokken-Infektionen bekommen, durch welche sich der Krankheitsverlauf verschlimmert.
Die Erkenntnisse könnten neue Therapieansätze für die Behandlung von Staphylokokken-Infektionen eröffnen. Die Lockerung der Adhäsion könnte das Therapiespektrum zukünftig erweitern. Allerdings, so betonen die Forscher, beruhen die bisherigen Ergebnisse auf Einzelmolekül-Kraftspektroskopie (SMFS) und Computersimulationen, auch wenn klinische Isolate und Hautproben verwendet wurden. Zudem wurden die Versuche teils mit einem Modellbakterium (Lactococcus lactis) durchgeführt. Daher muss dieser Ansatz in weiteren Studien erst noch weiter untersucht werden.