Cagri/Sema wirkt gut, aber nicht überwältigend |
Annette Rößler |
25.06.2025 16:20 Uhr |
Unter der Behandlung mit Cagri/Sema kommt es zu einem beträchtlichen Gewichtsverlust. Das belegen die Daten von zwei Phase-III-Studien. / © Adobe Stock/Rostislav Sedlacek
Cagrilintid ist ein Analogon des Peptidhormons Amylin, das die Magenentleerung verzögert und zentral das Sättigungsgefühl verstärkt. Als fixe Kombination mit dem Inkretinmimetikum Semaglutid (Cagri/Sema) testet Novo Nordisk es derzeit in den Indikationen Übergewicht/Adipositas (REDEFINE-Studienprogramm) und Typ-2-Diabetes (REIMAGINE-Studienprogramm). Die Hoffnung ist, dass Cagri/Sema, das wie Semaglutid einmal wöchentlich subkutan gespritzt wird, noch besser wirkt. Zudem könnte die Hinzunahme des Amylinanalogons möglicherweise eine »gesündere« Gewichtsreduktion herbeiführen, indem mehr Muskelmasse erhalten bleibt als unter Anwendung eines Inkretinmimetikums alleine.
Nun wurden im »New England Journal of Medicine« die Ergebnisse der Phase-III-Studien REDEFINE 1 und REDEFINE 2 veröffentlicht. REDEFINE 1 schloss 3417 Menschen mit Übergewicht/Adipositas, aber ohne Diabetes ein. Die Probanden hatten einen BMI von mindestens 30 (27, wenn zusätzlich mindestens eine adipositasassoziierte Komorbidität vorlag) und wurden über 68 Wochen wöchentlich entweder mit 2,4 mg/2,4 mg Cagri/Sema, 2,4 mg Semaglutid, 2,4 mg Cagrilintid oder Placebo behandelt. Zusätzlich gab es Lebensstilinterventionen für alle.
In der Cagri/Sema-Gruppe kam es bis zum Ende des Beobachtungszeitraums zu einem Gewichtsverlust von –20,4 Prozent (Semaglutid allein: −14,9 Prozent, Cagrilintid allein: −11,5 Prozent, Placebo: −3,0 Prozent). Hierbei waren aber auch jene Patienten mitgezählt, die nicht therapieadhärent waren. Wurden nur diejenigen gewertet, die das Präparat tatsächlich anwendeten, betrug der prozentuale Gewichtsverlust unter Cagri/Sema –22,7 Prozent.
Die Studie REDEFINE 2 schloss 1206 Menschen mit einem BMI ab 27 und Typ-2-Diabetes ein. Die 68-wöchige Behandlung mit Cagri/Sema bewirkte hier einen Gewichtsverlust von −13,7 Prozent (Placebo: −3,4 Prozent). Auch in dieser Studie war die Wirkung besser, wenn ausschließlich therapieadhärente Teilnehmende ausgewertet wurden; der durchschnittliche Gewichtsverlust unter Cagri/Sema betrug dann –15,7 Prozent. Gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen waren in beiden Studien die häufigsten Nebenwirkungen.
Sind das nun gute oder eher mittelmäßige Ergebnisse? Darüber kann man geteilter Meinung sein. »In REDEFINE 1 führte Cagri/Sema zu einem Gewichtsverlust im höchsten Wirksamkeitsbereich bestehender Interventionen zur Gewichtsabnahme«, lobte Erstautor Professor Dr. Timothy Garvey, von der University of Alabama in Birmingham, USA, in einer Pressemitteilung von Novo Nordisk. Auf der Nachrichtenseite »Medscape« heißt es dagegen, Novo Nordisk habe eigentlich einen Gewichtsverlust von –25 Prozent erwartet. Tizepatid, der duale GLP-1-/GIP-Rezeptoragonist und Konkurrent aus dem Hause Lilly, sei wirksamer, als es die jetzt veröffentlichten Daten für Cagri/Sema zeigen.
Allerdings merkte Dr. Samar Hafida, Vizepräsidentin der Adipositas-Sektion der American Diabetes Association (ADA) gegenüber Medscape an, eine 20-prozentige Gewichtsreduktion sei »nicht enttäuschend«. Überhaupt sei der Fokus auf die Prozentangaben beim Abnehmen fehl am Platz. »Das ist zu sehr ein Zahlenspiel.« Schon eine 10-prozentige Gewichtsreduktion könne unglaubliche Effekte haben. In der Realität ist das Ausmaß des Gewichtsverlustes, der sich mit den Präparaten erzielen lässt, ohnehin meist deutlich geringer als in Studien.
Wie sieht es aus mit dem anderen Aspekt des Amylinanalogons Cagrilintid, dem besseren Erhalt der Muskelmasse? Hierzu finden sich Daten in einem Anhang zur REDEFINE-1-Studie. Demnach wurde bei 252 Teilnehmenden jeweils vor und nach der Intervention die Körperzusammensetzung per Dual-Röntgen Absorptiometrie (DEXA) bestimmt. Die Messungen zeigten, dass sich der Anteil des Fettes am Körpergewicht um durchschnittlich –6,1 Prozent (Cagri/Sema), –5,5 Prozent (Semaglutid), –2,7 Prozent (Cagrilintid) und –0,5 Prozent (Placebo) reduzierte, während sich der Anteil der Magermasse am Körpergewicht um durchschnittlich 5,5 Prozent, 5,1 Prozent, 2,3 Prozent und 0,4 Prozent erhöhte.
Daraus lässt sich durchaus eine Tendenz zu einem »gesünderen« Abnehmen unter Cagri/Sema ableiten, ohne dass diese sehr kleine Subgruppenanalyse allerdings genügend statistische Power hätte, um belastbare Aussagen zu treffen.