Burs: »Zuversichtlich bleiben und weiterkämpfen« |
Daniela Hüttemann |
11.04.2024 12:02 Uhr |
Kammerpräsidentin Cathrin Burs (links) und ABDA-Geschäftsführerin Ökonomie Claudia Korf sehen bei allen Krisen auch Chancen, dass sich mit der Apothekenstrukturreform die Lage der Apotheken wieder bessern kann. Aufgeben sei jedenfalls keine Option. / Foto: PZ/Daniela Hüttemann
Eigentlich war zum Ende des ersten Quartals dieses Jahres der Referentenentwurf zur Apothekenstrukturreform angekündigt. Die Fachwelt wartet gespannt, ob sich alle Punkte des Eckpunktepapiers, das Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kurz vor Weihnachten beschert hatte, dort auch wiederfinden werden, in welcher Form und mit welcher Begründung.
Immerhin habe das BMG erkannt, dass »Light-Apotheken« ohne Rezeptur, Labor und Notdienst keine gute Idee sind, denn sie kommen im Eckpunktepapier nicht vor, erklärte Niedersachsens Kammerpräsidentin Cathrin Burs am Donnerstag bei der Kammerversammlung in Hannover. »Das wäre auch das Gegenteil von dem, was die Politik der Bevölkerung für die Versorgung verspricht, nämlich eine schlichte Mogelpackung.«
Die zahlreichen Gespräche mit Politikern auf allen Ebenen hätten hier Früchte getragen, denn niemand wolle für seinen Wahlkreis eine Zweiklassenversorgung. Auch eine Ausweitung der Filialzahl ist erst einmal vom Tisch. Ebenfalls positiv: Die Notdienstgebühr soll erhöht werden; insgesamt um 50 Millionen Euro.
Das war es dann aber auch erst einmal mit den Lichtblicken. Denn Lauterbach hält an seiner Idee fest, dass die Präsenz einer »erfahrenen« PTA für die Öffnung zeitweise ausreichen soll, wenn ein Apotheker bei Bedarf per »Telepharmazie« dazu geschaltet wird. »Ein kompromissloses Nein zu dieser unausgereiften Idee«, stellte Burs klar. So ganz traue das BMG diesem Konstrukt aber wohl selbst nicht, denn Betäubungsmittel dürfen weiterhin nur von körperlich anwesenden Apothekern abgegeben werden; gleiches gilt für die Herstellung von Parenteralia sowie das Impfen.
Dagegen sprächen auch andere Faktoren: Erstens sind erfahrene PTA ebenso rar wie Approbierte, zweitens würden sie für eine Quasi-Filialleitung berechtigterweise mehr Gehalt verlangen können und drittens wollen die meisten PTA eine solche Verantwortung auch gar nicht übernehmen, berichtete Burs aus zahlreichen Gesprächen. »Die Präsenz eines Apothekers oder einer Apothekerin in der Apotheke ist und bleibt unabdingbar«, betonte die Kammerpräsidentin.
Eine »Trickserei« sei auch der Eckpunkt, den derzeit erhöhten Kassenabschlag von 2,00 Euro pro abgegebener Medikamentenpackung zum 1. Februar 2025 zurück auf die ursprünglichen 1,77 Euro zu senken. Das sei schon längst gesetzlich geregelt und auch keine Erhöhung, sondern die Korrektur einer Fehlentscheidung, eines »unnötigen Aderlasses«, betonte Burs.
Sie kritisierte, dass dieser Zwangsrabatt, den die Apotheken den Krankenkassen einräumen müssen, weit über üblichen Skonti liegt – besonders bitter, da vor kurzem der Bundesgerichtshof entschieden hatte, Skonti für Apotheken auf Rx-Arzneimittel sollen verboten werden, wenn sie über die 3,15-Prozent-Spanne hinausgehen. Hier erwarte sie noch eine Lösung der Politik, um den Apothekern weiterhin kaufmännisches Handeln zu ermöglichen. »Es ist nicht ehrenrührig, dass wir Gewinn erwirtschaften wollen, sondern auch systemgewollt.«
Burs warnte vor der Forderung, den Krankenkassenrabatt ganz abzuschaffen, denn er garantiere eine zügige Zahlungsverpflichtung der Kassen gegenüber den Apotheken. Sie sieht ohnehin derzeit in der Politik keine Bereitschaft, den Zwangsrabatt weiter abzusenken. Was jedoch theoretisch gesetzlich möglich wäre, wenn der Wille da wäre, sei die Wiederherstellung auf die 1,77 Euro mit dem nächsten Omnibus-Gesetz vorzuziehen.
Ihr Fazit nach fünf Jahren auf der letzten Sitzung der aktuellen Kammerversammlung: »Es mangelt in Gesprächen nicht an Wertschätzung, dem Bekenntnis zur Apotheke und zur Freiberuflichkeit, aber kosten darf es nichts.«
Trotzdem müssten die Apotheker bei ihren Forderungen bleiben und diese mit einheitlichen Argumenten immer wieder und auf allen Ebenen vertreten. Jeder solle mit seinen Bundestagsabgeordneten sprechen und dabei auch die eigenen Zahlen nutzen und persönliche Beispiele aus dem Apothekenalltag bringen. »Wer nicht kämpft, der hat schon verloren, deshalb werden wir kämpfen«, so Burs.
Das meint auch Claudia Korf, die ebenfalls die Details des Eckpunktepapiers erläuterte. Ein Kernpunkt ist natürlich die Apothekenhonorierung. Zwar soll das Fixum schrittweise angehoben werden, von 8,54 für 2025 und 8,73 für 2026). Das sei aber noch weit entfernt von den von der ABDA geforderten 12,00 Euro. »Diese Zahl haben wir ja nicht aus dem Bauch entschieden, sondern können das wirtschaftlich begründen«, so die Ökonomin.
Zudem steht dem eine Kürzung des prozentualen Zuschlags von derzeit 3 Prozent ebenfalls in zwei Jahresschritten auf 2 Prozent entgegen. Damit soll vermeintlich das Geld von großen umsatzstarken Apotheken mit vielen Hochpreisern umverteilt werden auf kleinere Apotheken. Die Kürzung würde aber alle hart treffen, so Korf.
Gespannt sei sie auf Vorschläge, wie die von der Apothekerschaft schon lange geforderte Dynamisierung umgesetzt wird. Denn demnächst sollen Apothekerverband und GKV-Spitzenverband im Benehmen mit der PKV über eine Anpassung des Apothekenhonorars regelmäßig verhandeln. Hier gebe es noch viele Unklarheiten. Positiv sei, dass diese Möglichkeit überhaupt geschaffen werden soll und auch, dass dabei der Verbraucherpreisindex (also die Inflation) und die Grundlohnsumme berücksichtigt werden sollen.
Allerdings hatte sich die Apothekerschaft statt einer Verhandlungslösung mit der GKV eine automatische Dynamisierung gewünscht. Burs kommentierte, hier entledige sich der Staat seiner Verantwortung für die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung.
Die ABDA will in Kürze noch einmal in die Offensive gehen und beim DAV-Wirtschaftsforum in Potsdam zwei Gutachten präsentieren lassen. Eines unter dem Titel »Vor-Ort-Apotheken zwischen Kostendruck und Honoraranpassung«, bei der es detaillierte Zahlen geben werde als die bisherigen zur Durchschnittsapotheke. Sie verriet nur so viel: »Es gibt Evidenz dafür, dass wir Geld brauchen und die Struktur erhalten bleiben muss.«
Die weitere Eskalationsstrategie sei an das Gesetzgebungsverfahren angepasst. Entscheidend werde die Phase, wenn der Gesetzentwurf im Bundestag gelesen wird. Daher appellierte auch Korf an jeden einzelnen, mit seinen Abgeordneten zu sprechen. »Wenn wir geschlossen auftreten, sind wir stark.«
Sie vermutet, dass der Referentenentwurf aber nicht vor der Sommerpause kommt, denn das BMG sei derzeit mit vielen anderen Gesetzesvorhaben beschäftigt. Der zeitliche Verzug habe Vor- und Nachteile. Vorteile, um die Zeit zu nutzen, möglichst viele Politiker zu überzeugen, Nachteile, weil eben eine echte Reform mit einer fairen Honorarerhöhung dringend gebraucht werde, denn monatlich gingen weiteren Apotheken die Puste aus.
Positiv bewerteten Korf und Burs den Eckpunkt, dass die Apotheken neue Aufgaben in der Versorgung, unter anderem der Prävention übernehmen sollen, auch wenn hier noch Diskussionen mit den Ärzten anstehen dürften. »Wie auch andere Berufe werden wir immer wieder gefordert sein, uns auf neue Dinge einzulassen«, meinte Burs. Zudem müssten die versprochenen Entbürokratisierungs-Maßnahmen greifen, um überhaupt Zeit für solche Leistungen zu haben.
In dem Zusammenhang rief Burs auch noch einmal eindringlich dazu auf, die pharmazeutischen Dienstleistungen anzubieten. Dies sei die beste Möglichkeit, Kunden an die Apotheke zu binden, erst recht in Zeiten von E-Rezept und dem Card-Link-Verfahren.
»Das sind Leistungen, bei denen uns Großkonzerne nicht substituieren können – sie sind keine Kür, sondern Pflicht, wenn es um die Zukunft unseres Berufsstandes geht«, verdeutlichte die Kammerpräsidentin. Das erwarte auch der Nachwuchs, zumal die Apothekerschaft die Möglichkeit, pDL anzubieten, jahrzehntelang eingefordert habe. Dabei müsse man sich nicht direkt die schwierigsten Fälle aussuchen und auf Spitzenniveau starten. »Aber Sie müssen einmal anfangen, um spitze zu werden«, machte Burs Mut.